Predigt am
3. Advent (14.12.14)
Matthäus 11, 2-5
Als
aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger
und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen
andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes
wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden
rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt;
Dunkle Fragen
Dunkle Fragen umtreiben Johannes.
Dunkel wie sein Gefängnis. Umgeben von kalten, dicken Mauern, eingekerkert
wartet Johannes, wartet Johannes auf sein Ende. Wir wissen: bald wird er
enthauptet, geköpft, umgebracht, bald wird er sterben. Johannes hat
End-Gedanken, vielleicht die letzten Gedanken seines Lebens: Resümieren, Revue
passieren lassen, Abschied nehmen, für immer Gehen. Johannes will es vielleicht
noch einmal wissen, zum Schluss Gewissheit haben.
Dunkle Fragen umtreiben Johannes. Er
hat von Jesus gehört, von Ferne, von jenem, den er schon im Mutterleib gehört
hatte, von jenem, den er am Fluss Jordan getauft hatte, der sich mit ihm in den
Zeitpunkt der Buße stellte. Von Ihm hat Johannes gehört und er fragt, er fragt
sich, ob jener Jesus der Messias, der Weltenretter sei, jener sei, von dem
Johannes selbst gesagt hat: Dieser wird kommen, mit diesem wird endlich das
Himmelreich anbrechen, nahe sein für alle.
Dunkle Frage: Bist du es? Oder bist
du es nicht? Ist das Himmelreich da? Oder ist es nicht? Muss ich noch warten,
länger warten, zu lange? Harren, unerfüllt sein, warten, wo ich doch bald keine
Zeit mehr habe zu warten, wo ich doch sterben werde. Dunkle Fragen mitten im
Advent. Menschen zünden sich Kerzen an, immer mehr, als wüssten sie um die dunkle
Zeit, um dunkle Momente, um Ängste, um Mauern, die um sie sind, um die ganz
persönlichen Gefängnisse des Lebens und wüssten um das lange, zu lange Warten, um
ihr Harren auf tiefe Erfüllung, auf ein Stück des Himmels, auf die Nähe von
Gott.
Mit den Augen der Anderen
Johannes fragt, er fragt Jesus, aus
der Ferne, aus seinem Gefängnis heraus. Johannes sendet Worte und ihm werden
Worte gesandt, ihm wird auf seine dunkle Frage hell geantwortet. Indirekt. Es
sind die Augen anderer, die sehen und Johannes berichten. Es sind die Augen anderer,
die sehen und Johannes sehen lassen. Die Augen der anderen lassen Johannes
sehen, malen ihm vor Augen und beseelen ihn mit dem, was sie sehen. Johannes
bekommt was zu sehen. Er sieht durch die Augen der anderen.
Wir haben unsere Augen, wir sehen die
Welt, uns im Spiegel morgens, abends, schön, hässlich. Wir sehen die anderen,
wir sehen, wie sie vor uns stehen, ihre Kleidung, Gesichter, manchmal ein Stück
ihres Inneresten, ihrer Seele. Wir sehen vielleicht manchmal Gott.
Wir sehen nie anders als mit unseren
Augen und von zu Zeit sind wir verdunkelt, verschattet von innen heraus und mindestens
halbblind, sehen nicht, nicht das, was wichtig wäre, wesentlich, heilvoll und
tief erfüllend. Im Advent dem Licht entgegen sehen, aus jener eigenen
Dunkelheit, in eigenen gefangenen Momenten, still dasitzen, wie Johannes,
warten, fragen, harren, suchen, dem Licht, Gott und seiner Nähe entgegen sehen,
nicht mit eigenen Augen.
Wie Johannes: Dunkel mit den Augen
der anderen sehen, sehen, was sie dann sehen, was sie belebt, was ihnen an
Licht, an Hoffnung, an Erfüllung ins Augen, ins Leben, in ihren Advent fiel und
fällt. Uns ihren Augen anvertrauen, durch sie sehen, sehen lernen, die Augen in
den Augen der anderen geöffnet bekommen und etwas zu sehen bekommen. Sich im
Advent etwas sagen, sehen lassen, es zum Sehen, zum Hören bekommen, geschenkt
und daran wie Johannes lichter werden.
Lichtblick
Am Ende, in seinem dunklen Gefängnis
sieht Johannes seine Wirklichkeit. Er sieht: Sein Ruf zur Umkehr, sein Ruf zur
Buße am Jordan hat sich erfüllt. Das Himmelreich ist nahe. Sein Lebenssinn hat
sich erfüllt, seine Sehnsucht und Hoffnung haben mitten in Angst und Ende,
mitten in Zweifel und Fragen eine Antwort. Er sieht: Gott ist nahe, er ist am
Kommen, er kommt, Gottes Gegenwart bricht herein, sein heilvolle Licht leuchtet
über die, die im Dunklen wandeln. Johannes wird gewiss sterben, sicher: Sein
Leben hat sich soeben erfüllt.
Johannes sieht mit Jesu Augen. Jesus
sah und sieht Gott am Werke, überall und überall mit ungeheurer Liebe. Jesus
sieht Gottes Gegenwart ganz nah, so nah, dass sie in ihm lebendig, gegenwärtig
ist, er die bösen Mächte dieser Welt brechen kann, Heil ist, heilt und Menschen
tröstet, spüren, sehen lässt: Sie werden gerade von Gottes Liebe tief berührt.
Mitten im dunklen Advent mit Johannes
da sitzen, da sitzen ein bisschen in unseren merkwürdigen Gefängnissen und mit
Jesu Augen sehen, mit Jesus Gott am Werke sehen, sehen: Gott ist an mir am
Werke, gerade an mir, so wie ich bin. Ich mit meinem Zweifel und den kleinen
und großen Fragen, ich mit meinem Warten und meiner Ungeduld, ich mit der Lust
und dem Frust an Weihnachten, wir mit unseren Träumen und Sehnsüchten, mit
unseren Hoffnungen und Schmerzen, Fehlern und Großartigkeiten, mit unserer so
tief in uns eingeprägten Bedürftigkeit und Herrlichkeit. An uns ist Gott am
Werk, verwandlungswillig.
Und am Ende im Advent: mit Johannes
etwas erfüllt sehen, nicht irgendetwas. Etwas von dem, was uns gründet und
hält, was Sinn und Trost ist, was von Gott ist, was Gott ist. Etwas wie
Johannes erfüllt sehen, Gottes Nähe sehen, sein Licht, seine Wirklichkeit,
seine Liebe, die mich erfüllt und mein Leben zu verwandeln vermag. Mit Johannes
adventlich aus dem Dunkeln ans Licht leben. Amen.
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