Samstag, 13. Dezember 2014

Gottes Nähe sehen



Predigt am 3. Advent (14.12.14)

Matthäus 11, 2-5
Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt;

Dunkle Fragen
Dunkle Fragen umtreiben Johannes. Dunkel wie sein Gefängnis. Umgeben von kalten, dicken Mauern, eingekerkert wartet Johannes, wartet Johannes auf sein Ende. Wir wissen: bald wird er enthauptet, geköpft, umgebracht, bald wird er sterben. Johannes hat End-Gedanken, vielleicht die letzten Gedanken seines Lebens: Resümieren, Revue passieren lassen, Abschied nehmen, für immer Gehen. Johannes will es vielleicht noch einmal wissen, zum Schluss Gewissheit haben.
Dunkle Fragen umtreiben Johannes. Er hat von Jesus gehört, von Ferne, von jenem, den er schon im Mutterleib gehört hatte, von jenem, den er am Fluss Jordan getauft hatte, der sich mit ihm in den Zeitpunkt der Buße stellte. Von Ihm hat Johannes gehört und er fragt, er fragt sich, ob jener Jesus der Messias, der Weltenretter sei, jener sei, von dem Johannes selbst gesagt hat: Dieser wird kommen, mit diesem wird endlich das Himmelreich anbrechen, nahe sein für alle.
Dunkle Frage: Bist du es? Oder bist du es nicht? Ist das Himmelreich da? Oder ist es nicht? Muss ich noch warten, länger warten, zu lange? Harren, unerfüllt sein, warten, wo ich doch bald keine Zeit mehr habe zu warten, wo ich doch sterben werde. Dunkle Fragen mitten im Advent. Menschen zünden sich Kerzen an, immer mehr, als wüssten sie um die dunkle Zeit, um dunkle Momente, um Ängste, um Mauern, die um sie sind, um die ganz persönlichen Gefängnisse des Lebens und wüssten um das lange, zu lange Warten, um ihr Harren auf tiefe Erfüllung, auf ein Stück des Himmels, auf die Nähe von Gott.

Mit den Augen der Anderen
Johannes fragt, er fragt Jesus, aus der Ferne, aus seinem Gefängnis heraus. Johannes sendet Worte und ihm werden Worte gesandt, ihm wird auf seine dunkle Frage hell geantwortet. Indirekt. Es sind die Augen anderer, die sehen und Johannes berichten. Es sind die Augen anderer, die sehen und Johannes sehen lassen. Die Augen der anderen lassen Johannes sehen, malen ihm vor Augen und beseelen ihn mit dem, was sie sehen. Johannes bekommt was zu sehen. Er sieht durch die Augen der anderen.
Wir haben unsere Augen, wir sehen die Welt, uns im Spiegel morgens, abends, schön, hässlich. Wir sehen die anderen, wir sehen, wie sie vor uns stehen, ihre Kleidung, Gesichter, manchmal ein Stück ihres Inneresten, ihrer Seele. Wir sehen vielleicht manchmal Gott.
Wir sehen nie anders als mit unseren Augen und von zu Zeit sind wir verdunkelt, verschattet von innen heraus und mindestens halbblind, sehen nicht, nicht das, was wichtig wäre, wesentlich, heilvoll und tief erfüllend. Im Advent dem Licht entgegen sehen, aus jener eigenen Dunkelheit, in eigenen gefangenen Momenten, still dasitzen, wie Johannes, warten, fragen, harren, suchen, dem Licht, Gott und seiner Nähe entgegen sehen, nicht mit eigenen Augen.
Wie Johannes: Dunkel mit den Augen der anderen sehen, sehen, was sie dann sehen, was sie belebt, was ihnen an Licht, an Hoffnung, an Erfüllung ins Augen, ins Leben, in ihren Advent fiel und fällt. Uns ihren Augen anvertrauen, durch sie sehen, sehen lernen, die Augen in den Augen der anderen geöffnet bekommen und etwas zu sehen bekommen. Sich im Advent etwas sagen, sehen lassen, es zum Sehen, zum Hören bekommen, geschenkt und daran wie Johannes lichter werden.


Lichtblick
Am Ende, in seinem dunklen Gefängnis sieht Johannes seine Wirklichkeit. Er sieht: Sein Ruf zur Umkehr, sein Ruf zur Buße am Jordan hat sich erfüllt. Das Himmelreich ist nahe. Sein Lebenssinn hat sich erfüllt, seine Sehnsucht und Hoffnung haben mitten in Angst und Ende, mitten in Zweifel und Fragen eine Antwort. Er sieht: Gott ist nahe, er ist am Kommen, er kommt, Gottes Gegenwart bricht herein, sein heilvolle Licht leuchtet über die, die im Dunklen wandeln. Johannes wird gewiss sterben, sicher: Sein Leben hat sich soeben erfüllt.
Johannes sieht mit Jesu Augen. Jesus sah und sieht Gott am Werke, überall und überall mit ungeheurer Liebe. Jesus sieht Gottes Gegenwart ganz nah, so nah, dass sie in ihm lebendig, gegenwärtig ist, er die bösen Mächte dieser Welt brechen kann, Heil ist, heilt und Menschen tröstet, spüren, sehen lässt: Sie werden gerade von Gottes Liebe tief berührt.

Mitten im dunklen Advent mit Johannes da sitzen, da sitzen ein bisschen in unseren merkwürdigen Gefängnissen und mit Jesu Augen sehen, mit Jesus Gott am Werke sehen, sehen: Gott ist an mir am Werke, gerade an mir, so wie ich bin. Ich mit meinem Zweifel und den kleinen und großen Fragen, ich mit meinem Warten und meiner Ungeduld, ich mit der Lust und dem Frust an Weihnachten, wir mit unseren Träumen und Sehnsüchten, mit unseren Hoffnungen und Schmerzen, Fehlern und Großartigkeiten, mit unserer so tief in uns eingeprägten Bedürftigkeit und Herrlichkeit. An uns ist Gott am Werk, verwandlungswillig.
Und am Ende im Advent: mit Johannes etwas erfüllt sehen, nicht irgendetwas. Etwas von dem, was uns gründet und hält, was Sinn und Trost ist, was von Gott ist, was Gott ist. Etwas wie Johannes erfüllt sehen, Gottes Nähe sehen, sein Licht, seine Wirklichkeit, seine Liebe, die mich erfüllt und mein Leben zu verwandeln vermag. Mit Johannes adventlich aus dem Dunkeln ans Licht leben. Amen.


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