Predigt zur
Gottesdienstreihe „Bibel und Bild“
Sonntag
Remicsere, 01. März:
„Der Film –
bewegte Bilder“
Galater 3,1: Christus vor Augen gemalt
„O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert, denen doch Jesus
Christus vor die Augen gemalt war als der Gekreuzigte?“
Kopf verdreht
Irgendwer hat den Menschen in
Galatien den Kopf verdreht, hat ihnen etwas vor Augen gemalt, das sie
abgebracht hat, weggebracht hat vom Evangelium, von der erlösenden Botschaft,
von der Liebe Gottes. Irgendwas hat sie wie bezaubert, verzaubert, behext, hat
sie manipuliert, böse verwandelt, zu anderen gemacht. Sie verstehen nicht mehr,
was sie mal verstanden hatten, was ihnen gesagt, gelehrt wurde. Was in ihr Herz
gekommen war, haben sie dort nicht mehr richtig, nur noch falsch. O … ein O
voller Bedauern, voller Verzweiflung, voller Kopfschütteln.
Menschen haben durch alle Zeiten
hindurch manchmal einen verdrehten Kopf, vielleicht wirken sie ganz normal,
doch irgendwas hat ihren Kopf verdreht, verwirrt, durcheinander gebracht; jemand,
etwas über lange Zeit, ein Schicksalsschlag, eine Deformation, verführt. Und
manchmal fährt unser Kopf auch Karussell mit uns, hat irgendwas ihn besetzt,
verdreht, und wir sind wie verzaubert, verhext, merken es kaum, aber doch,
gehen den falschen Weg, sind unverständig, tragen nicht das Rechte im Herzen.
O.
Filme verdrehen den Kopf, Millionen
schneller Bilder sausen an unseren Augen vorbei und direkt in unseren Kopf und
oft genug auch irgendwie ins Herz, dazu Töne, Gestalten, Szenen, Stories. Filme
machen Bilder im Kopf, bewegen nehmen mit hinein, was sie erzählen, machen
Angst und lassen mitweinen, lassen Alltag vergessen und anders aus dem Kino
gehen, bringen ins Nachdenken, entführen in fernste Phantasien, lassen
erschaudern, ekeln, Kopf schütteln, uns hineinkriechen. Filme unterhalten,
bringen zum Lachen, verkürzen die Zeit, langweilen, wir schalten um, zappen,
bleiben stehen, suchen den Mörder, erleben vergangene Zeiten, als wären wir
dabei, essen Popcorn, verabreden uns, werden für Kinolänge, für 90 Minuten
andere Menschen.
Bewegte Bilder
Paulus hat den Menschen in Galatien
Christus vor Augen gemalt. Er hat von dem erzählt, wer Christus ist und was er
für die Menschen macht. Er hat in Worten gesprochen von ihm , vielleicht
stotternd, aber so begeisternd, so bezaubernd, so verständlich, dass die
Menschen in Galatien Christus vor Augen bekamen, ihn für sich sahen, ihn
spürten und ihr Leben ihm schenkten, ihr Herz, ihre Gedanken. Paulus ist von
Gemeinde zu Gemeinde gereist, hat sie neu gegründet, besucht, hat mit ihnen auf
Zeit gelebt, er hat Menschen vom Wort Gottes überzeugt, innerlich und äußerlich
bewegt, ihnen neue Lebensperspektiven geschenkt. Er hat gepredigt auf
Marktplätzen, in Häusern, bei Versammlungen, er hat den leibhaftige
Auferstandenen in unzähligen Worten lebendig gemacht, immer wieder vor Augen
gemalt, das Leben der Menschen mit Gott verbunden.
Aus 24 stehenden Bildern in der
Sekunde wird ein laufendes Bild, ein Film. Die einzelnen Bilder müssen nur
schnell genug vor unseren Augen sich bewegen, dann beginnt, ein Stück Gemachtes
lebendig zu werden, dann werden aus den Millionen Bilder, die es gibt, bewegte
Bilder, die uns bewegen. Von der ersten Idee übers Drehbuch, dem Dreh auf dem
Set, dem Schnitt im Studio, der Projektion auf Kinoleinwände, den Flimmern
überm Bildschirm. Aus Millionen Einzelheiten besteht ein Film, alle
Wirklichkeiten sind beteiligt: Menschen als Schauspieler und Regisseure, Blicke
als Kameraeinstellungen, Töne als Spannnungsbogen, Zeit zusammengebaut mit Vor-
und Rückblenden, wir selbst, die wir zuschauen. Im Film wird auf aufwendige
Weise, auf wunderschöne Weise, auf fast geheimnisvolle Weise Leben noch einmal
reproduziert, wiedererzählt, weitererzählt, weitererfunden und auch irgendwie
gefunden.
Ein bewegtes Leben aus unzähligen
Bildern haben wir. Manchmal kommt einem das eigene Leben wie ein Film vor und
man traut dem kaum, was man sieht, was einem da vor Augen steht, gemalt ist.
Manchmal ist das eigenen Leben erfundener, irrealer als der phantastischste Film,
manchmal ist es wie eine billige Rosamunde-Pilcher-verfilmung, wunderschön
kitschig, manchmal ist es eine Tragödie, in der wir mitspielen und Abgründe tun
sich auf, von denen man sonst nur aus dem Fernsehen weiß und manchmal läuft der
Film rückwärts oder ist jäh am Ende angekommen, mit und ohne Happy End. Bewegte
Bilder sind wir, Szenen unseres Lebens, wer schreibt das Drehbuch unseres
Lebens und wer führt Regie? Wer spielt mit? Wer ist Hauptdarsteller? Haben wir für
unser Leben einen Film im Kopf?
Ins Bild gesetzt
Filme sind gemachte Bilder. Für
andere, für sich selbst, für die Nachwelt, für die Ewigkeit. Gemacht von
Menschen und sie halten das Leben lebendig fest, nein sie halten das Leben
lebendig frei; sie nehmen uns mit hinein in sich, bewegte Bilder, die uns in
ihre Bewegung aufnehmen, ins Bilde setzen, in die bewegten Bilder setzen; wir
können jederzeit die Augen schließen, nicht weiterschauen, den Knopf an der
Fernbedienung drücken, den Kinofilm wieder vergessen; doch die bewegten Bilder
sind wirklich, sie beinhalten Sinn und Unsinn, Schmerz und Freude, Information
und Nachdenken, andere Menschen, das Leben selbst. Eigentlich sind sie
wirklicher, wirkmächtiger als vieles, was wir für wirklich und wichtig halten.
Wie wirklich ist unser Leben? Wie oft
spüren wir uns taub, stolpern über unsere Wahrnehmung, vertrauen, wo wir es lieber nicht täten, lieben einen Weg lang
das Falsche, gehen so einigermaßen durchs Leben, tasten mehr als dass wir
fassen, fragen mehr als wir antworten und atmen still. Wie vielen Trugbildern
sitzen wir auf, merken wie tiefsitzende Bilder, vergangene, uns noch fesseln,
jagen Traumbildern nach, Träume, von denen es wohl besser ist wir erreichen sie
nicht, wie stark werden wir von bestimmten Bildern berührt, weil darin etwas
wohnt, was wir wirklich sind, und die Wirklichkeit erscheint nur als sei sie.
O, unverständige Menschen; zärtlich
beruhigend höre ich Paulus sagen: Schaut auf den Gekreuzigten. Eine zutiefst
verdrehte Wirklichkeit, eine Wirklichkeit, die nicht in Bildern zu fassen ist,
und doch wie kaum ein anderes Bild unzählig oft gemalt, reproduziert,
abgebildet, verfilmt wurde. Eine radikal verdrehte Welt in einem am Kreuz
verdrehten Körper: Gott selbst, der Weltenschöpfer, der allmächtige,
barmherzige, uns unendlich liebende Gott, einer, der wie keiner unsere
Wirklichkeit immer wieder sieht, heilen, zurecht lieben möchte, hängt am Kreuz
und stirbt. Die Welt wird auf den Kopf gestellt, damit wir sie richtig sehen:
Gott liebt uns bis zum Äußersten, bis zu dem letzten Punkt, an dem alles neu anfängt
für uns. Amen.