Freitag, 22. Dezember 2017

Das Wertvollste



Predigt am 1. Christtag 2017 (25.12.17)
Bildergebnis für giotto bondone engel schwebende

Äußerlich Engel
Außen auf unserer Klappkarte zwei Engel. Um ihnen herum ist dunkel, ist Nacht. Es zeichnet sich aber irgendwie etwas Grau-Grünes hinter ihnen ab, vielleicht die Weltkugel, unsere Erde. Die beiden Engel haben Engelsgewänder und Flügel und einen goldglänzenden Heilgenschein.
Beide Engel schweben. Engel schweben durch unsere Weihnachts- und Adventszeit, sie schweben zu Zacharias, zu Maria, zu Josef, zu den Hirten. Engel sind fast überall, in Auslagen der Geschäfte, auf Weihnachtsmärkten hängend an Buden und Lichterketten, irgendwo auch in unseren Zimmern, stehen sie, fliegen sie, strahlt ihr Engelsgesicht uns an, sie sagen, singen und musizieren sich durch unser Weihnachten. Engel sollen behüten und beschützen, sagt man, glaubt man. Sie sind aber vor allem Botschafter Gottes, sie tragen Gottes gute Botschaft zu Menschen, sie erschrecken, rütteln auf, setzen auf neun Lebenspfade, bringen Gottes Willen und Planen in Menschenleben, überbringen Gott auf Erden.
Meistens erscheinen Engel allein, sie sind singulär, oder in Gruppen als himmlische Heerscharen. Unsere beiden Engel im Bild sind zu zweit, ein Paar, ihre beiden Körper sind zueinander gewandt, ineinander gemalt. Ist der Körper des einen Engels unvollständig, abgerissen, versehrt?

Innen Liebe
Wenn wir dir Karte aufklappen, so können wir einen guten Teil eines Verses aus dem Titusbrief lesen, ein Teil weihnachtliche gute Botschaft: „Als aber erschein die Freundlichkeit und die Menschenliebe Gottes“. Sie ist mit Weihnachten uns erschienen. Aber wie sieht sie aus? Die Freundlichkeit und Menschenleibe Gottes? Ein lächelnder, freundlicher, uns mit Blicken umarmender Gott?
Wir klappen die Karte wie der zu, schauen noch mal auf die Vorderseite, auf unsere beiden Engel. Sie sind Bild für Gottes Freundlichkeit und Menschenliebe. So, wie sie gemalt sind, so ist Gottes Freundlichkeit und Menschenliebe, so wie beide Engel zueinander sind, sich bewegen, schweben ist Gottes Liebe zu uns und so bringen beide diese Liebe zu uns, uns vor Augen und in die Seele.
Beide sind zwei Engel, ein Paar, zwischen ihnen zeigt sich, erscheint Gottes Liebe, ihre beiden Körper gehen ineinander über, verschmelzen, aber beide sind noch eigene Engelsgestalten. Beide haben eine Richtung, ein Wohin ihres Schwebens, ihre Liebe zielt auf einen Weg, ist ein Weg, das zeigen ihre Körper, ihre Hände, die sich ausrichten, die nach vorne greifen, tasten, suchen, fliegen.
Die Gesichter der beiden Engel sind ernst, konzentriert, so wie Liebe ist, wenn sie den ernst nimmt, den sie liebt, das ernst nimmt, was Liebe bedeutet und in sich trägt. Der linke Engel im Bild hat seinen Blick gesenkt, er schaut auf das, worauf er schwebt, er gibt sich ganz fest dem Schweben, dem Zufliegen auf das, wohin er will und soll, hin. Es ist als würde er fast glauben blind. Der rechte Engel im Bild schaut auf den anderen, auch wenn sein Gesicht um die Richtung des Fliegens weiß. Er schaut auf den anderen Engel, als würde er auf ihn aufpassen, ihm zureden, um ihn wissen, um seinen Blick, sein Schweben auf Erden. Ein bisschen Angst schwingt in seinem Blick mit, die Angst, die wohl schon den Weg der Liebe Gottes ans Kreuz weiß. Beide Engel, die eine zusammengenommene Engelsgestalt ist wie zart und zerbrechlich, aber bestimmt und transparent auf Gottes Gabe der Liebe.

Erscheine
Mit dem Gesehen klappen wir die Karte noch einmal auf. Die rechte Seite der Innenkarte ist leer. Sie ist zu beschreiben. Der Vers aus Titus 3, die Bewegung der Engel auf der Außenseite ist erst wirklich zu schreiben. Die leere Kartenseite sind wir. Unser Leben, unser Weihnachten, das Gott beschreiben möchte, in das hinein er seine Worte voller Menschenliebe schreiben, hineinleben möchte.
Die beiden schwebenden Engel, in denen sich die Liebe Gottes zu Menschen abbildet, die erscheinen erst ganz, wenn sie uns erscheinen, wenn sich Gottes gute Botschaft von seiner Liebe in unser Leben, in unser weihnachtliches Leben hineinschreibt, uns erscheint und die rechte Innenseite sich füllt mit Worte, die uns meinen, uns schreiben, unser Leben füllen mit Gottes Liebe und Freundlichkeit, wir die Menschen sind, die er liebt. Dann ist Weihnachten.

Ausblick
Klappen wir die Karte ein letztes Mal zu. Nun aber beschauen wie sie von ihrer Rückseite, stellen uns vor, wir haben die beiden Engel gesehen, gesehen, wie die Liebe Gottes zu uns ist, kommt, haben gelesen, dass sie verbindlich niedergeschrieben ist in Wort und Bibel, und glauben, dass sie unser Leben füllen mag.
Und jetzt sehen wir die Rückseite der Klappkarte. Da sind Angaben zum Bild, vom wem und wie man es bestellen kann. Nützlich und weltlich. Das gehört seit dem ersten Weihnachten dazu. Gleich den Abkündigungen unserer Gottesdienste, die uns in die Welt weißen, an die Orte, an denen wir zu leben haben. Weihnachten gilt es nach Weihnachten zu leben. Die Menschenliebe Gottes, die uns ins Leben geschrieben wird, hat ihren Ort in der Welt, in unserer, in den Zusammenhängen, in denen wir leben. Dort bewährt sie sich, dort bewahrheitet sie sich. Dort dürfen wir immer wieder, gleich den Fürbitten vor jeden Abkündigungen, um sie bitten und sie betend eintragen lassen in unser Leben.
Auf der kleineren linken Hälfte sehen wir noch einmal einen der beiden Engel. Sein Blick ist rückwärtsgewandt. Seine Körperbewegung geht nach vorne. Am weitesten nach vornegewandt ist der Zipfel seines Engelsgewands, als wolle er uns verheißen, Gott ist zum Greifen nahe. Die linke Hand des Engels greift selbst hinaus auf das, wohin er schwebt, vielleicht tastet er offen auf uns zu, sucht er uns und bringt uns das, was er darstellt: Gottes Liebe zu seinen Menschen, zu dir und mir.
Der Blick des Engels schaut zurück. Wir wissen auf den anderen Engel. Wir wissen, er blickt auf jenes sogenannte erste Weihnachten, auf Gottes Menschwerdung seiner Liebe zurück und bringt sie gleichzeitig zu uns. Alles konzentriert sich in seinem Blick, in seinem Gesichtsausdruck. Dieser Engel weiß ganz genau, weiß ehrfürchtig, bisschen ängstlich, aber voller Sendungswille, er weiß ganz genau: Wie wertvoll zu tragen, zu bringen, wie wertvollst die Menschenliebe Gottes für uns ist. Amen.

Königskind



Predigt an Heiligabend 2017 (24.12.17)

Jesaja 9, 1-6
1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

Uns geboren
Ich bin geboren. An einem bestimmten Ort bin ich geboren. Zu einer bestimmten Zeit bin ich geboren. So wie jeder Mensch. Jeder Mensch ist an einem bestimmten Ort geboren, zu einer bestimmten Zeit. Aber nicht dieser. Dieser eine nicht. Dieser eine ist an allen Orten, zu allen Zeiten geboren. Ich bin geboren für etwas, zu etwas. Ich bin geboren für mich, für mein Leben. Mein Leben: Das, was ich sein werden und immer schon bin, was ich sage, erleide, hoffe, liebe, schweige, glaube, tue und lasse. Mein Leben mit meinem „ich bin geboren“. Aber nicht dieser. Dieser eine nicht.
Er ist geboren uns, uns an allen Orten und zu allen Zeiten. Sein Ort, an den er bestimmt geboren wird, sind Menschen, sind wir, bin ich, ist mein Leben. Die Zeit, zu der er bestimmt geboren ist, ist Menschenzeit, unsere, meine Zeit, mein Leben ist es. „Ich“ das ist der Ort, die Zeit, der Adressat dieser einen Geburt. Uns ist er geboren, dieses Gotteskind. Mir ist es geboren, dieser Jesus. In mein Leben, für mein Leben, meinem Leben.
Hier: mein Leben, mein Ich, das, was ich bin, sein will, zu sein habe, manchmal nicht bin, das ist der Ort seiner Geburt. Bethlehem ist nur der Anfang, nur ein fassbarer, erzählbarer Ort, der eigentliche Ort sind wir, bin ich. Hier in meinem Leben wird jenes Kind, wird Gottes Sohn geboren, zu allen Zeiten, an allen Orten. In meinem Leben will er sein, mein Leben will er prägen, mein Leben soll sein werden. Mir ist er gegeben, geschenkt, geboren. Nicht in Bethlehem, sondern hier.
Ein Kind ist uns, ist mir geboren. Es ist der Anfang von allem meinem Leben, der Beginn, die Verheißung, das Versprechen, die Sehnsucht, mit der es beginnt. Das Gotteskind ist mir geboren, es ist verbindlich: Gott wird in meinem Leben, es entsteht hier, es wird kommen; Gott ist auf meiner Welt und sie ist ab jetzt nie ohne ihn, er wird darin aufwachsen, wachsen, leben, groß werden.

Ein Funke
Wie ein Funke in uns. Sehen wir Licht, sehen wir Hoffnung. Er ist uns bestimmt geboren und wir leben anders, wir wandeln im Dunkeln, im Finstern, in eigener Ratlosigkeit, in Ängsten, in „weiß-ich-nicht-weiter“, in eigener tiefster Verletztheit und Schuld, und doch wandeln wir im Licht, sehen Gott erstrahlen, erhellt er unsere Seelenecken, zerbricht er, was uns bedrängt, nimmt er von unseren Schultern, was uns niederdrückt, beschwert, zu Boden drückt, den Atem nimmt, erstarren lässt, hört er selbst das Dröhnen jener Schritte im Herzen, die uns das Leben schwer und unerträglich machen, sieht er die Füße, die uns treten, die Hände, die nach unserer Seele fassen, das Blut, das wir wie innerlich unter Tränenglut vergießen in mancher Seelennacht, sieht er alles und stemmt sich mit göttlicher Gewalt dagegen, zerstört, was uns durchs Leben treibt, zerbricht, was uns zerbricht, befreit von dem, was uns quält und unruhig macht.
Dies mächtige Kind ist mir geboren, mir und meiner Nacht. Es scheint hell herein, zerstört des Bösen Macht, lässt um mich Licht werden, weckt stillen Jubel, noch ganz still und kaum gedacht, kaum selbst gehörter Jubel, Jubel gleich dem Himmel, der die Erde zart schmerzlich berührt, gleich der Schöpfung, die ächzt und stöhnt und wunderbar geschaffen ist, gleich Menschen, die leiden, geschändet werden, verletzten und wunderbar geliebt, erlöst, befreit sind. Kind, uns geboren, DU machst uns jubelnd, froh; du Funke aus Stein geschlagen, Du Licht geboren für mein Seelendunkel, du Kraft zum Trotzdem-Beginn, in uns jubele deine Heilige Nacht.

Auf seinen Schultern
Auf seinen Schultern liegt alle Herrschaft, liegt das Gottesreich, das Leben selbst, das Gott uns selbst gebracht, das Gott für uns ausgedacht hat, das uns immer wieder gilt. Auf seinen Schultern liegt alles, was Menschen brauchen, liegt Friede für die Seele und über allen, liegt Recht, das uns gilt und das wir herrschen lassen, liegt Gerechtigkeit, die wir geschenkt bekommen und anderen beharrlich gewähren.
Auf seinen Schultern liegt das Kreuz, getragen hinauf nach Golgatha, liegt alles, was Sünde ist und Menschen beschwert. Auf seinen Schultern liegen wir, ein jeder von uns, Christen und Heiden, Kleine und Große, Sinnversunkene und Frohe, du und ich, liegen wir dort und werden auf seinen Schultern getragen.
Ein Kind, dieser erwachsene Christus, gekreuzigt und auferstanden, der ist uns geboren, in mein Leben hinein, mich tragend, mir an die Seite gesellt. Er will Herr meines Lebens sein; ich nicht sein Fremdbesitz, sondern er meines Lebenserfüller. Was für ein Kind, in mir groß geworden, ist mir da geboren, mir an die Lebensseite, mich zum seinem Königskind machend. Ein Wunderbarer, reich an Lebensvarianten, ein Starker an Liebe und Geduld, ein Held der kleinen Leute, ein Fürst mit Nichts und allem in der Hand, ein mich Bergender und Beschützender, einer, der um mich weiß, mich korrigieren darf und kann, der bei mir bleibt. Ich bin geboren, ganz bestimmt, ihm bin ich es. Amen.

Freitag, 17. November 2017

Haushalter der Geheimnisse der Liebe



Predigt am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr (19.11.2017)

Lukas 16, 1-8
Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.

Nicht recht loben
In das Lob des Herrn, des reichen Mannes ist nur schwer einzustimmen. Sein Lob bleibt uns im Hören irgendwie im Hals, im Kopf stecken. Ist der Verwalter nicht verschwenderisch, nicht untreu seinem Herrn gegenüber, hintergeht er den Herrn nicht einfach, indem er die Schuld der Schuldner eigenmächtig herabsetzt und so versucht, seine Haut schlau selbst zu retten? Diese Art von Klugheit soll beachtenswert sein, soll lobenswert sein, sollen wir zu hören, ihr etwas abgewinnen und nachstreben?
Jesus erzählt diese Geschichte und er kommentiert in den Folgesätzen diese Geschichte, dieses Gleichnis und es wird noch merkwürdiger. Jesus sagt nach der Geschichte: Wir sollen uns Freunde machen mit dem ungerechten Mammon, damit wir in Ihre Häuser aufgenommen werden. Wir sollen dem ungerechten Mammon treu sein, sonst könnten wir im Großen nicht treu sein. Und wir denken dagegen: Wenn wir schon klug sein sollen, dann wollen wir doch dabei auch treu und gerecht sein, dann doch nicht in der Art klug sein wie die anderen, wie die Welt, sondern eher klug in Bezug auf Gott, auf den Glauben.
Und wir fragen: War Jesus klug? War klug, wie er handelte, was er sprach, wie er in der Welt sich bewegte, war sein Weg ans Kreuz klug, ist Auferstehung klug? Ist Gott klug? So klug, wie der Verwalter? So klug, dass er seinen Sohn in die Finsternis sandte, damit gerade die Unmündigen, die vor der Welt Unklugen Gottes Nähe spürten, und die Mächtigen mit ihrer Klugheit vom Thron gestürzt werden. Ist nicht die Predigt vom Kreuz eine Torheit, eine Dummheit der Welt. Und dennoch erzählt Jesus dieses Gleichnis, als würde er ausblenden, dass es auch um gerecht und treu sein geht; als würde er sich für uns auf diese Klugheit fixieren, als ob er sagen will: Sei auch klug; sei auch klug, so wie der Verwalter es ist.

Entdecke die Möglichkeit
Seine Existenz ist bedroht. Das, was er ist, soll beendet werden. Alles, was ihn bis jetzt ausmachte, wird von ihm genommen werden Mitten im Leben, mitten in seinem Alltag, in seiner Selbstverständlichkeit, trifft ihn die Frage, lebensnotwendige Frage: Was soll ich jetzt tun? Wie geht es weiter? Was nun? Er mag vielleicht gelähmt sein, erschrocken, vielleicht hat er es geahnt, aber nun ist entscheidend, was er aus dieser Frage nach ihm, nach seinem Leben macht, ob er darauf reagieren kann, ob er sie überhaupt vernimmt, hört, den Ernst der Lage erkennt, merkt, was gerade mit ihm passiert. Er merkt es. Er weiß um das schier Unmögliche, was sich ihm ereignet. Und er denkt bei sich, spricht zu sich, ist bei sich und sucht nach Möglichkeiten, nach Auswegen, nach dem, was seine Not wenden könnte.
Er weiß, was er braucht, was jetzt sein Ziel, seine Aufgabe, das Allernotwendigste ist, sein könnte: Überleben, irgendwie nach dem Rauswurf noch wo unterkommen, ein Dach überm Kopf haben, nicht Untergehen. Er ahnt im Unmöglichen sachte Möglichkeiten. Und er weiß genau, was für ihn keine Möglichkeiten sind, was ihm unmöglich ist, körperlich und seelisch: Er weiß, er kann nicht graben, er kann nicht betteln. Was er aber tun könnte, tun kann, das tut er aber. Er geht auf die Möglichkeit zu, die er hat, die er entdeckt, in der der Sinn für ihn nun liegt.
Er weiß, wie der dahin kommt, dass er nicht untergeht, sondern bei anderen eine Bleibe bekommt. Er weiß, wie er das anstellen könnte, wie er die findet, die ihm Unterschlupf bieten können, wie er diese dazu bringt, ihm bei sich zu beherbergen, wenn er es braucht. Und er ergreift diese eine Möglichkeit, reduziert die Schuld der Schuldner und er wird bei ihnen unterkommen, sein Leben retten. Vielleicht seine einzige Möglichkeit.

Im Dienst der Liebe
Jesus blickt auf den Verwalter, sieht seine Untreue, seine Ungerechtigkeit und sein Herz schlägt für seine Klugheit, dafür, dass der Verwalter seine Möglichkeit entdeckt, die ihn leben lässt. Jesus weiß: Gott hat Menschen geschaffen und er hat sie mit Klugheit begabt, mit der Fähigkeit, im Aussichtlosen Perspektiven zu entdecken, sich einzuordnen in das, was widerfährt, was nicht geht und was geht, den Sinn im Unsinn zu suchen, auch unter Druck irgendwie noch schöpferisch auszuloten, wohin der nächste Schritt gehen könnte.
Solche Schöpfungsgaben können missbraucht werden und gebraucht werden, sie können im Sinne des Schöpfers gelebt werden oder nicht, sie können lebensdienlich sein oder weniger. Klug an sich, das ist für das Leben gedacht, klug muss dann der Mensch auch sein für das Leben. Der Verwalter zieht seinen Kopf aus der Schlinge. Die Schuldner müssen weniger Schuld tragen und selbst der Herr stimmt ein in Lob. Die Klugheit in dieser Geschichte, sie dient dem Leben, auch wenn die Prinzipien von Treue und Gerechtigkeit hintenanstehen.
So kann die Klugheit der Liebe dienen. Und vielleicht verstört uns Jesus ein bisschen mit dieser gleichzeitig untreuen, ungerechten und klugen Geschichte gerade deswegen, weil er uns in dringlicher Liebe an uns geschenkte Klugheit erinnern möchte, daran, dass wir es um der Liebe willen sein müsste: Klug. Klug um die Möglichkeiten zu wissen, die es immer auch gibt, immer auch noch gibt. Und so kann Klugheit der Liebe und dem Leben Raum verschaffen. Wer klug an weltliche Möglichkeiten glaubt, sie lebensschöpferisch zu entdecken sucht, der ist im wahrsten Sinne des Wortes geistesgegenwärtig, der ist geöffnet für Gottes Möglichkeit der Liebe, die Undenkbares denkbar macht. Amen.