Samstag, 24. September 2016

Sich in Dienst nehmen



Predigt am 18. Sonntag nach Trinitatis (25.9.16)

Römer 14, 17-19
Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist.  Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.

Füße waschen
Essen und Trinken waren für Jesus nicht wesentlich, nicht entscheidend. Sie gehörten zum Leben, waren aber nicht das Leben. Am Tisch hat Jesus das Abendmahl ausgeteilt seinen Jüngern, das war entscheidend. Darum ging es ihm. Bis heute. Am Tisch hat Jesus den Jüngern die Füße gewaschen, hat sich hingekniet vor sie, ihre staubigen, geschundenen Füße genommen, sie in die Waschschale sanft gehoben, sie mit Wasser benetzt und sie gewaschen, einen nach dem anderen.
Jesus hat gedient. Er wurde von Gott auf die Erde zu den Menschen gesandt, um ihnen eine neue Welt zu bringen. Gott hat sich klein gemacht in der Krippe und Jesus hat Menschen das Wort Gottes gebracht und den Menschen das Leben. Jesus hat wunderbare Gleichnisse erzählt und Menschen entdeckten darin Gott darin. Jesus hat geheilt und Wunder vollbracht und Menschen wurden heil an Körper und Seele. Jesus hat mit allem, was er tat, sich in Gottes Dienst nehmen lassen und den Menschen gedient,  bis ans Kreuz, er hat in allem nur Gott Raum gegeben unter den Menschen und den Menschen Anteil gegeben an Gott, Anteil am Leben, Heilung und Heil.
Jesus hat Gottes Wirklichkeit in die Welt gebracht. Bis heute. Er hat Gottes Reich vom Himmel auf die Erde gepredigt, gebetet, gelebt. Er hat Gottes Liebe in die Finsternis gebracht, Gottes Reich voller Friede, Freude, Gerechtigkeit lebendig werden lassen vor und in den Menschen. Bis heute. Er hat eine wunderbare Dienstgemeinschaft von Gott und ihm, von ihm und den Menschen, von Gott und den Menschen begonnen.

Im Dienst
Jesus zieht Menschen bis heute hinein in diese Dienstgemeinschaft, nimmt sie hinein in sein Reich, hinein in seinen umfassenden Dienst an Gott und an den Menschen. Er beseelt Menschen und lässt sie hineinleben in die Wirklichkeit Gottes, lässt sie sich verweben mit Gottes Willen, seiner Geschichte, mit seinem Kreuz und seiner Auferstehung, mit Gottes Macht und Liebe. Er stellt uns in diesen wunderbaren Raum seines Reiches, durch jedes Wort, was wir von ihm hören, gesagt bekommen, mit jeder Begegnung, in der er sich spüren, sagen, vernehmen lässt, in diesen wunderbaren, überwältigenden Raum, in dem er lebendig ist, in dem Leben sieht, Leben prägt, Leben gibt. In dieses Reich Gottes.
Jesus nimmt uns dafür in den Dienst. Er nimmt uns sprichwörtlich in Dienst, hinein in diesen Dienstraum in diese göttliche Dienstgemeinschaft und diesen Raum voll Friede, Freude, Gerechtigkeit und Erbauung, und wir leben darin, atmen all dies, werden davon wie besessen, beseelt und in den Dienst genommen: von Jesu Friede, von Jesu Freude, von Jesu Gerechtigkeit, von Jesu Gemeinschaft und bekommen diese Ausrichtung, diese Mitte, diese Konzentration, dieses Amt, diesen Dienst. Wir lassen uns von ihm dienen, lassen uns von ihm in Dienst nehmen und beginnen selbst zu dienen.
Menschen werden verwandelt zu Menschen, die Gott wohlgefallen, an denen Gott seine Freude hat, seinen Frieden wiederfindet, die vor ihm gerecht sind, von denen er erbaut wird, die an seinem Reich mit bauen. Menschen werden verwandelt zu Menschen, die von anderen geachtet werden, in denen andere etwas von Gott und seiner Hochachtung für die Menschen sehen, in denen andere etwas spüren von der unglaublichen Würde von Menschen, die friedvoll, freudig und gerecht sind, von Menschen, die Gott dienen.

Salben
Jesus dient Menschen. Menschen dienen Jesus, sie dienen ihm und dienen anderen Menschen und sich. Sie knien mit ihm nieder, waschen Füße, waschen Seelen, nehmen sich Leben zu Herzen, achten es, wollen mit Liebe es benetzen und wunderbar bergen. Menschen dienen, geben Gott Raum im Leben, geben Raum für Gottes Frieden, Gottes Freude, Gottes Gerechtigkeit und Gottes Gemeinschaft. Menschen leben in diesem Raum selbst, sind friedvoll, freudvoll, voller Gerechtigkeit und Sinn für ein Miteinander und geben all dem, was in ihnen ist von Gott auch Raum um sich herum und bringen, sind ein Stück Reich Gottes auf Erden.
Sie dienen Jesus und den anderen, sind von ihm in diesem Raum Gottes verortet und leben daraus, mal brüchig, mal herrlich, mal selbst fragend, mal sicher, mal belastet und beladen, mal frei, mal schwer, mal leicht, leben aus Gottes Wirklichkeit, lassen sich von ihr dienen und dienen ihr. Sie nehmen sich selbst zurück, empfangen Gott und geben ihm, verschreiben ihm ihr Leben, schenken es ihm, geben sich ihm hin, in aller normalen Menschlichkeit, sie finden sich dort wieder, denn dort, wo sie dienen, ist auch das Leben, ihr Leben. Menschen dienen sich selbst.
Menschen schaffen selbst neue Lebensverhältnisse, in ihrem Rahmen, an ihrem Ort, mit ihrem Leben, sie nehmen sich selbst zurück, versuchen sich auf Jesus und seine Dienst zu konzentrieren, auszurichten, und werden friedvoll, helfen Frieden zu stiften, wo Gegeneinander sich Bahn bricht. Sie werden freudvoll, erfüllt von Gottes Liebe, und bringen himmlische Freude, wo Bitterkeit herrscht. Sie werden gerecht, nehmen Gott als Maßstab des Lebens und werden zur Gerechtigkeit, wo Menschen die Würde genommen wird. Sie erbauen andere, richten auf, beschreiben den Himmel, der allen gilt, kümmern sich um die Seelen neben ihren und dienen der Gnade Gottes für alle. Menschen werden verwandelt, wir. Menschen, die als Dienende einander hoch achten und die Gott sehr gut gefallen. Von Kopf bis Fuß. Amen.

Donnerstag, 1. September 2016

In der Löwengrube




Predigt am 15. Sonntag nach Trinitatis (4. September 2016)

1. Petrus 5,5c-11
Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

verschlingen
Das Böse verschlingt manchmal die Welt. Die Welt von Jemanden. Das ist dramatisch, tragisch und traurig. Und wir können uns dabei nicht entschuldigen, nicht einfach frei sprechen und distanzieren. Wir hängen irgendwie auf Umwegen immer auch zusammen mit dem Bösen, mal mehr, mal weniger, und leider nicht nur selten tun wir es auch, das Böse, Falsche, das, was nicht gut ist, nicht gut tut, und manchmal wissen wir es in dem Moment, wo wir es tun, und manchmal gar nicht oder erst hinterher, und dann befällt uns der Schmerz darüber, wie der Schmerz, den wir brachten.
Den Teufel gibt es nicht. Wir wissen es. Er ist Erfindung; gemalt, ausgedacht, beschrieben, um irgendwie zu fassen, zu benennen, wie und warum Böses geschieht, bei uns, zwischen uns, global, lokal, erklärbar, unerklärlich. Teufel sind wir dann, nicht Irgendeiner, wir tun das Böse, getrieben, gewollt, geplant, rein gestolpert, beteiligt. Der Teufel soll nur erklären, wie hässlich, wie dämonisch, wie unmenschlich, wie mächtig, ja übermächtig, das Böse geschieht, Menschen es tun.
Das Böse ist eine zerstörerische Macht, die wir sind und tun; manchmal steht sie uns wie gegenüber und erfasst uns; werden wir in sie wie verstrickt, geraten durch sie durcheinander, lassen uns täuschen, gefangen nehmen; wir tun es aber genauso, wie sie in uns tut, wie sie Macht ist und uns ergreift, wie ein Teufel uns zum Widersacher des Lebens macht. Dann vielleicht ist das Böse wie ein Löwe, der durch unseren Kopf herum streift und uns befällt und mit uns andere; vielleicht dann ist das Böse wie ein Löwe, der unter uns herumgeht und nach Raub sucht und unsere Gefühle, unser Wollen verschlingt und wir andere; vielleicht dann ist das Böse wie ein Löwe, der da ist in uns, unter uns, der mit allzumenschlichen Worte, furchtbaren Bildern, wundschlagenden Gedanken und Taten brüllt und das Böse geschieht. Dramatisch. Tragisch. Traurig.

sich unterlegen
Ein nahezu unverhofftes Geschenk ist dann die Demut. Ankämpfen gegen das Böse, gegen den Teufel, die wir sind, angehen, anrennen, sich widersetzen, nur und allein mit der Demut. Die eigene Macht, die eigentlich gar keine ist, lassen, den eigenen Hochmut, man könne gegen das Böse ankämpfen, lassen, ja sich selbst lassen und ganz Gott beugen, unter seine gewaltige, mächtige Hand sich kauern, sein Leben wie dorthin legen, dort wissen. Sich Gottes Macht hingeben, nicht immer schon wissend, was sein wird, nicht unbedingt mutig, sondern demütig seine Macht suchen, seine Macht anerkennen, sich seiner Macht übergeben, anvertrauen, anbefehlen, in sie einwilligen, sich bei ihr verorten, sich unter sie begeben, wie unter Schild und Schutz, ängstlich noch halbmutig kauernd, sich und sein Leben um des Überlebens willen bergend und Gott kämpfen lassen, wie wunderbar: ihn um uns kämpfen lassen gegen alle Mächte, die nach unserem Leben greifen; sagen, denken, leben: Ihm sei Macht die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Ein dunkles Lob Gottes tief aus der Löwengrube des Lebens.

sich einordnen
Dort bei Gottes Macht sich heilsam selbst relativieren, sich wie einordnen: Demütig nüchtern und wachsam sein, ganz bei der Sache sein, um die es geht, die wichtig ist, von der alles abhängt. Nüchtern: als hätte man noch nichts anderes zu sich genommen, gedanklich nackt, bar jedes nicht Wesentlichen, pur, rein; selbst da, präsent, wach, bereit, offen, auf das eine, auf den einen hin konzentriert: Sicher und fest, sich ganz bewusst, sich selbst so spürend: Bei ihm ist es gut sein, bei ihm werde ich überleben, von ihm ist alles zu erwarten. Gott ist meine Macht, mein Dasein, mein Schutzraum.
Demütig sich einordnen in Raum und in Zeit. Fest darum wissen: Durch Gott ist die Zeit des Widersachers, das eigene teuflische Treiben, das Leiden, was ich selber erleide und dir zufüge, beschränkte Zeit, befristete Zeit, Zeit mit Anfang und Ende, es ist eine aus göttlicher Sicht eine kleine Zeit, in der ich wie böse herausfalle aus göttlichen Zusammenhängen; für mich Ewigkeiten, aber merkwürdig von Gott dennoch gehaltene Zeit, bemessene Zeit, kleine Zeit, die vorübergeht, und jetzt bei ihm es fast schon ist, ja ist. Einordnen in den Raum, einen großen, einen gemeinsamen, einen, der Zeit und Welt umspannt, wie ein unsichtbares Band, eingeordnet in die Gemeinschaft der anderen, die auch leiden, leiden an Schuld, an Bösem, selbst, erlitten, getan. Zu ihnen gehören, zählen, sich zählen, nicht alleine sein, Mitleidende haben, um sie wissen, um das gleiche Erlittene und mit ihnen harren und hoffen auf Erlösung, auf Befreiung, auf Gottes heilsame Macht, die durch Zeit und Raum schon oft geschah und alles umfasst. Auch mich. Auch dich.

Wieder stehen
Demütig sein. Sich einordnen. Bei seiner Macht. Sie sorgt für uns. Eingebunden sein immer wieder und immer wieder trotzallem, ja trotzig: eingebunden in den einen umfassenden Ruf Gottes, dem Zurufen seiner Menschen: Ihr seid zur Herrlichkeit bestimmt. Keine dunkle Macht, keine Sünde, keine Schuld, kein teuflisches Tun, nichts, gar nichts Böses darf euch diese Herrlichkeit nehmen, jene Herrlichkeit, die Gott von Anfang an und bis zum Schluss und in Ewigkeit unserem Leben zugedacht hat und erhält.
So demütig Menschen sich bei seiner Macht bergen, so herrlich richtet Gott wieder auf, widersteht er der Macht des Bösen und gibt genau in diese hinein, in uns hinein, zwischen und unter uns, seine Macht und Kraft, gibt er uns Anteil an dem, was er ist, bekommen wir seine Macht, bleibend seine, aber bei uns: Wir werden aufgerichtet unter seiner Hand, wir werden im Moment der größten Schwäche gestärkt, werden kräftig in aller Verzweiflung und werden tief und fest gegründet in seiner Liebe, eine Liebe, die selbst ohnmächtig wurde, um alle Macht zu besitzen, die sicher stärker ist als alles, was uns zu verschlingen droht. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.