Samstag, 21. März 2015

Von nun an



Predigt zur Jubelkonfirmation 2015 (Judika, 22. März 2015)

Petrus 5, 1-11
Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.
Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken. Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Un-Menge
Eine Menge Menschen um das Wort Gottes versammelt, drängend, still, begierig, hungrig, es zu hören. Eine Menge Menschen sind in dieser Gemeinde schon konfirmiert worden, Ihr dabei vor 50 und 60 Jahren, davor schon und danach auch, eine Menge junge Menschen, vor allem aus Haslach, mit ihren Gesichtern und Geschichten, ihren Fragen und Flausen im Kopf, ihrer Vergangenheit und Zukunft, und ihr ein Teil dieser Menge; um das Wort versammelt, Gottes Wort, auch hungrig, begierig, es zu hören, Leben daraus zu schöpfen.
Jesus steigt in ein Boot, lässt sich ein Stück rausfahren, steht der Menge gegenüber. Ein Extra-Ort. Den Menschen gegenüber, um sie zu sehen, um in ihre Gesichter zu blicken, um ihnen das Wesentlich zu sagen. Er lehrt die Menge. Unzählige Lehrversuche hier an diesem Ort, auch der Menge von Konfirmanden gegenüber. Unzählige Mittwochnachmittage, an denen Katechismus und Gesangbuch gelehrt wurde, an denen das Wort von Gott Menschen gesagt und in Herzen gebracht wird.
Dieser Menge an Menschen und Worten gegenüber die Leere, die Leere der Netze, die ausgeworfen und leer ins Boot zurückgezogen wurden. Der Menge gegenüber die Leere, das Erleben, das Erfahren, umsonst, vergeblich hinausgefahren zu sein, sein Wortnetz hinein in das Unterfangen Konfirmation ausgeworfen zu haben: Worte kamen nicht an; wurden zur Unzeit gesagt, sind verhallt, das Lebensnetz blieb leer.
Eine doch: Eine Unmenge Fische zog Petrus aus dem Wasser, unglaublich, unverhofft. So leer die Netze in der Nacht blieben, so übervoll sind sie am Tag. So voll, dass es fast schon zu viel ist, Netze drohen zu zerreißen, das kleine Boot unterzugehen. Eine wunderbare, ungeheuer kräftige Fülle entsprungen aus der Leere. Aber dann doch gefüllte Netze in jeder Konfirmandenzeit, gefüllt wie wunderbar, mit dem, was da geschah, unbemerkt, erst später, jetzt?

Mit im Boot
Jesus sieht zwei Boote, die Netze und die Fischer. Jesus sieht in den Netzen die Leere und die Fülle. Jesus sieht ihre Arbeit, ihre Gesichter, ihre Mühen, ihre Wünsche, Wunden und ihr Leben. Jesus sieht uns, uns alle, immer wieder. Er sieht wie und wer wir sind. Er sieht auf die schrecklich leeren Nächte, Angst geweinte Stunden, er sieht unsere Lebensmühen, die Schweißperlen und die Freudentränen, er hat euch damals gesehen, wie ihr im Konfirmandenunterricht ward, dieses Stück eures Lebens und die anderen auch.
Jesus steigt ins Boot, unverhofft und von sich aus. Jesus steigt ein in unser Leben. Unverhofft und von sich aus. Er steigt ein in unser Leben, als wollte er nichts anderes, in unserem Lebensboot sein, es mitfahren, mitleben. Jesus heißt Petrus hinausfahren, dorthin, wo es tief ist. Hinausfahren auf Geheiß, ein bisschen selbstgewählt, aber doch irgendwie geboten, weil man sich mit 14 eben konfirmieren lässt, weil es die Eltern wollen, weil man selbst spürt, dieser Weg könnte etwas sein. Gemeinsam hinausfahren in ein Stück andere Zeit, Jesus mit im Boot, auf sein Geheiß hin, hinausfahren, wo es tief ist, nicht wo es seicht und lässig, sondern in die Tiefe des Lebens hinausfahren, das suchen, erfahren, was in der Tiefe ist, Abgrund und Grund des Lebens, das, woraus man alles schöpfen kann.
Jesus lässt Petrus genau dort die Netze auswerfen, Petrus zweifelt, ihm stecken noch die Erfahrung der Leere in den Knochen, aber Petrus wirft die Netze aus, allein auf Jesu Wort hin, allein im Vertrauen auch wider andere Erfahrung. Seine Netze trotzdem auswerfen, auf das Wort Jesu hin, im Vertrauen auf ihn, weit auswerfen; das ist der Arbeitsschwung jeder Konfirmandenzeit mit all den Mengen an Konfirmanden, in jenem Schwung ist die Leere mitbedacht, aber auch die Verheißung: Auf das Wort hin ausgeworfen werden die Netze gefüllt werden.

Wunderfolgen
Das eigentliche Wunder sind nicht die gefüllten Netze. Das eigentliche Wunder ist, was das in Petrus auslöst. Petrus erschrickt, fällt nieder und spürt die große Distanz zu Jesus, erkennt, wer er selbst ist und wer Jesus ist. Sünder und Herr. Das Wunder ist, was dann folgt: Petrus bringt die Boote zurück, er schließt sein altes Leben an, er lässt alles zurück und bricht auf in ein neues Leben, in das Leben mit Jesus. Er folgt ihm nach.
Die Frage ist nicht, werden wir die Netze in der Konfirmandenzeit füllen, wird es einen großen Fang geben, werden die Konfirmanden auch in der Gemeinde bleiben. Das mag ein Wunder sein. Das Eigentliche ist aber: Kommen Menschen zur Erkenntnis von sich selbst und von Gott. Erfassen sie das Leben mit ihm als ein neues Leben. Schließen sie Altes ab und lassen Vergangenes zurück, brechen sie neu auf und folgen sie dem, auf dessen Wort hin, die Netze auswarfen. Ein Wunder, wenn das geschieht, aber auch in Konfirmandenzeiten geschehen Wunder, unsichtbar, nachhaltig, immer wieder, damals wie heute.

Auswerfen
Jesus gibt Petrus einen Auftrag, dieser Auftrag verwandelt sein Leben. Jesus stellt diesem Auftrag eine ungeheure Zusage voran: Fürchte dich nicht. Es ist jener Satz, den wir an Weihnachten an der Krippe und an Ostern am Grab hören. Fürchtet euch nicht. Eine wunderbare, große Zusage. Denn wie oft haben wir Angst, fürchten wir uns, ist unser Leben gelähmt, weil andere, wir selbst, böse Erfahrung uns das Fürchten gelehrt hat. Wie sehr brauchen wir diese eine Zusage: Du brauchst keine Angst haben. Fürchte dich nicht. Ich, dein Gott, bin bei dir, ich segne dich, ich schütze dich, ich gebe dir Leben.
So ausgerüstet, so verwandelt wird Petrus Menschenfischer, soll er Menschen begeistern, begeistern nicht für sich selbst, sondern für Gott, Menschen genauso das Leben bringen, wie es ihm gebracht wurde. Mit dem Tag der Konfirmation scheint das Unternehmen Konfirmation gleichsam beendet zu sein. Aber es gilt jenes „Von nun an“, das Jesus auch zu Petrus sagt. Von nun an, vom Punkt der Konfirmation an, mache ich dich zu. Konfirmation als unterschwellige Verwandlung, als Auftrag:
So wie Jesus ins Lebensboot der anderen steigen, unverhofft, von sich aus, mit ihnen hinausfahren, dort, wo es tief für sie ist, ihre Angst vor der Leere aushalten, leise sagen: Fürchte dich nicht, und mutig füreinander die Netze auswerfen, auf sein Wort vertrauen und dann mit aller Kraft die Netze herausziehen.
Gott segne euch. Amen.