Freitag, 23. Dezember 2016

Und: Du



Predigt am Christtag (25.12.16)

Micha 5, 1-4a
Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. Und er wird der Friede sein.



Für dich
Und du, Bethlehem. So beginnt die Verheißung, die wir gerade gehört haben. Du, Bethlehem. Es ist eine Verheißung, die sich für uns in der Geburt Jesu Christi erfüllt hat, die sich in seinem Leben, in seinen Taten und Worten verwirklicht. Es ist eine Verheißung, die uns gilt, die in uns ihre Erfüllung sucht. Jesus Christus will geboren werden in einem jedem von uns, dort in uns, in unserem Leben soll Jesus Christus, sein Taten, seine Worte, sein Heil, der Himmel, der mit ihm kommt, sich verwirklichen, wirklich werden.
Und du: Damit sind wir gemeint, sind wir angesprochen, unser Du ist gemeint! In unserem Du wird Christus geboren:

Dein kleiner Ort
Wie verheißen: Aus einem kleinen Ort in uns, an uns, soll geboren werden, der uns rettet. Wir selbst, etwas Kleines und Unbedeutendes sind der Ort, in dem Jesus Christus Gestalt gewinnt, sein Heil von uns wirklich für uns wird. Im kleinen, unscheinbaren Ort unseres Lebens kommt Jesus zum Vorschein, wird er uns in unser Leben hineingeboren. Nicht in den großen, spektakulären Gesten, Fragen, Sehnsüchten findet Christus seinen Ausgang in uns, in unserem Leben, sondern dort, wo wir selber klein, niedrig, unscheinbar sind, wo wir unter all den anderen eher winzig sind, genau dort beginnt Jesus in uns zu werden.
Er wird in uns, in unserem Leben dort geboren, wo wir selbst unter den Plagen harren, dass etwas in uns wird, sich ändert, verwandelt, ja unter Qualen und Wehen stöhnen, nicht mehr recht ein und aus wissen, wo wir vielleicht sogar aus dem Blick auf Gott, auf Rettung, Erlösung verlieren und uns selbst verlieren. Genau in diese Zeit der Plagen, die jede Geburt kennt, wird er in uns geboren, bereitet er sich, zu uns zu kommen, wird er, bis dass er da ist, bis dass seine Zeit in uns da ist und er in unserem Leben zu Tage tritt als der, den wir ersehnen und erhoffen, als der, der er verheißen unserer Seele.

Ich, dein Herr
Dann wird mit ihm uns wie verheißen ein Herr unseres Lebens geboren werden, ein Herr unseres Lebens, herrlich, ewig, königlich, mit Hoheit und Macht, ein König in niederen Hüllen, ein König geboren als Knecht, als einer, der sein Leben gibt, der der ohnmächtig-mächtigen Liebe für uns folgt, der die Liebe ist und deren Knechtschaft, deren Herrschaft aufrichtet in uns.
Dieser tritt auf in uns, in unserem Leben. Er kennt unsere Vorzeiten, unsere Geschichte, ist er nicht ewig schon, er weiß um unsere Vergangenheit mit all ihren Zeiten, mit ihren Höhen und Tiefen, Tränen und wunderbaren Augenblicken, er weiß um uns, um unsere Vergangenheit und Gegenwart, er weiß um unsere Zukunft, er ist der Herr unserer Zeiten, der Herr unserer Seelen, der Herr unseres Lebens, er wird in uns geboren und wir werden ihm unterstellt, er stellt sich zu uns, gegen alle eigenen und fremden Feinden, gegen alles, was uns verklagt, was uns Sünde sagt, was uns selber verletzt, sich an uns versündigt.
Er ist Herr unseres Lebens, mit ihm in unserem Leben verherrlicht sich Gott, werden wir in aller Alltäglichkeit zum Lob, zu Würdeträgern seiner Liebe, sind wir Zeugen seiner Verheißung des ewigen Lebens.

Friede sein mit Dir
Du, Mensch. Wir sind mit der Verheißung gemeint. Wir werden gesammelt, und unsere Reste kehren sich zu uns. All diese Zerrissenheit, die wir kennen, wird in ihm zusammengehalten, erträgt er selbst an sich und hält uns geborgen in sich. All das, was in uns auseinander strebt, manchmal wie auseinanderbricht, in uns, zwischen uns, in unsere Welt, hält er mit der göttlichen Kraft unendlicher Liebe zusammen und sammelt uns an den Ecken unseres Lebens wieder ein, unsere verlorenen Hoffnungen, unsere vergessenen Träume, unsere Habseligkeiten, verstreut bringt er uns wieder zu uns, zu ihm.
Er weidet uns, unsere Seele nährt er, er gibt uns Anlass zum Leben, den Sinn auf den Weg, er stärkt uns durch heilsame Worte, durch die wunderbaren Gaben des Abendmahls, durch das Vertrauen in unsere Taufe, durch die Gewissheit seiner Liebe, er gibt uns Raum bei sich, im Leben, weiten Raum in aller Freiheit, die getragen wird von seiner Treue und seinem unerschütterlichen Vertrauens, das durch die Kreuzeshölle gegangen ist.
Er, geboren in uns, lässt uns sicher wohnen, schützt und bewahrt uns, vor inneren und äußeren Feinden, manchmal vor uns selbst. Er ist wirklich Gott wirklich bei uns, in uns und schenkt uns einen tiefsten Frieden, einen Frieden, den wir uns selber und den auch andere uns nicht bereiten, nicht bewahren können. Ein Frieden von Menschen, die bedingungslos geliebt werden, die gehalten und getragen werden, die einen haben, der unablässig, leidenschaftlich, mit größter Kraft, zärtlich nur an ein Du denkt, für es lebt, sich ihm hingibt, es lebt: Unser Du.
Und du, Bethlehem. Und Du, Mensch, der du klein bist, aus dir soll mir der kommen, der Herr in dir ist, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Er ist mit jener Geburt gekommen. Amen.

Gott fängt mich sich selber an



Predigt am Christvesper (24.12.16)

„Wir fassen keinen andern Gott als den, der in jenem Menschen ist, 
der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“ (Martin Luther)

Wo anfangen
Ein Anfang ist uns gesetzt. Wir werden geboren. Über unsere Zeugung und unsere Geburt entscheiden nicht wir. Beides werden wir. Wir werden gezeugt. Wir werden geboren. Von bestimmten Menschen, zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort. Mit uns wird angefangen.
Und seitdem fangen wir an, fangen wir an zu lächeln, zu sprechen, zu denken, zu stehen, zu gehen, zu leben. Unser Leben ist voller Anfängen, der Anfang eines Tages am Morgen, der Anfang einer Nachricht mit einem ersten Wort, der Anfang mit einem Menschen durch eine erste Begegnung, der Schulanfang, der Anfang des Studiums, der Stelle, der Arbeit, der Anfang einer großen Liebe. So viele Anfänge, so viele Enden, so viel anfangen und aufhören, kommen und gehen, so viel Leben dazwischen.
Wir fangen mit Dingen und Menschen, Sachen und Vorhaben, Großen und Kleinem an, wir fangen vorsichtig, zärtlich, behutsam, mutig, ängstlich, hoffnungsvoll, mit letzter Kraft an. Wir fangen an an bestimmten Orten, an Orten, die wir erinnern, die bedeutsam sind, an denen manches, manch alles begann. Ort des Anfangs. Inmitten, dass so vieles immer gleich ist, sich ähnelt, regelmäßig ist und widerkehrt, lebt unser Leben vom Anfang her, vom Anfangen.
So viele Heilige Abend haben wir schon erlebt, verschieden und doch immer ähnlich in der Sehnsucht nach dem Heiligen daran, so viele Weihnachten haben wir schon wiederkehren erlebt, verschieden und doch immer mit dem Blick auf diese eine Geburt. Womit anfangen an diesem Abend? Wo anfangen? Überhaupt anfangen? An diesem Heiligen Abend?

Gott fassen
Gott fassen. Gott fassen mit den Gefühlen, mit dem Verstand, mit den Händen irgendwie. Gott erfassen, verstehen, aufnehmen, irgendwie ihn berühren und vernehmen.
So vieles fassen wir und wieder auch nicht. So vieles fassen wir mit Hirn und Herz, mit Nachdenken und Empfinden, mit unseren Händen, andere Dinge, Ideen, Sachen, Menschen, auch uns selbst. Wir erfassen Leben, seit wir auf der Welt sind, nach und nach und mehr, Größeres und Ferneres, ganz nahes, und werden erhoben als Menschen, wenn wir etwas nicht erfassen, aber dennoch berührt werden, erfasst werden, in unserer Seele. Wir fassen zärtlich und gewaltsam, beherzt und zögerlich, ehrfürchtig und gewaltsam, wir erfassen und wahren Freiheit, wir erfassen und machen gefügig, erfassen und besitzen, erfassen nicht und lieben.
Gott kann man nicht fassen. Gott entzieht sich jedem Besitz, jedem Zugriff. Gott lässt sich nicht abbilden, nicht einschränken, nicht festmachen. Gott ist unfassbar, er ist über uns hinausgehende Macht, alles und alle erfüllenden Liebe, uns unsichtbar spürbar einender Geist. Er ist größer, weiter, tiefer, höher als all unser Fassungsvermögen.
Und doch treibt uns die Sehnsucht, der Wunsch, ihn dennoch zu fassen, ihn irgendwie zu fassen und sei es am Saum seines göttlichen Gewandes, sei es im Nachgehen seiner Herrlichkeit, sei es zuerst erfasst von ihm. Wir wollen Gott gar nicht besitzen und verfügbar machen, ihn ganz und gar erfassen, wir wollen ihn aber dennoch irgendwie ins Leben ziehen, seine Worte verstehen, seine Zeichen vernehmen, in seine Geschichte eintauchen, sein Heil erhalten, seine Hand fassen, an der er uns fasst.

Jener
Ein Mensch, der vom Himmel kommt. Den gibt es nicht. Menschen leben auf der Erde. Menschen sind Menschen, und kein Mensch kommt vom Himmel. Jener Menschen kommt aber vom Himmel. In jenem Mensch ist aber Gott. An Weihnachten bestimmt sich Gott. Auf unfassbare Weise. Er, der unfassbare, gibt sich ein „Jener“. Jener ist ein Demonstrativpronomen. Als zeigte Gott, der unfassbare, auf sich selbst und macht sich damit ganz demonstrativ sichtbar, erkennbar, fassbar, auf abenteuerliche Weise wird er zu einem fassbaren Gott, in Jenem, in jenem, Menschen, der von Himmel kam.
In diesem Jenem, in diesem bestimmten Jemand, ist Gott, existiert Gott, lebt Gott, ist er ganz und gar. Jener ist sein Ort, sein Dasein, seine Gegenwart und Erscheinung. Mit Jenem wird Gott selbst einer unter anderen, er wird fassbar, anschaulich, verortbar, zu einem, zu jenem, den man unter anderen antreffen, sagen, weitersprechen, versprechen, predigen, schenken kann. Er wird in Jenem Mensch, unglaublicher Mensch vom Himmel.

Neugeboren
Keinen anderen Gott fassen wir als diesen, als jenen. Wir können keinen anderen fassen. Kein anderer lässt sich fassen als dieser. Vorher war für uns Gott nicht, wir konnten keinen fassen, jetzt ist Gott und wir können ihn fassen. Und kein andere ist dann Gott für uns als in jenem Mensch, der vom Himmel kam.
Wo fangen wir an, mit einem Knoten im Kopf. WO fängt Gott an? In jenem Mensch, in jener Geburt des Menschen vom Himmel her. Gott fängt im aller wahrsten Sinne mit sich selbst an. Er fängt mich sich an und gebiert sich selbst hinein in unsere Welt, in die damalige und immer neu in unsere. Hier will er geboren werden, gebiert er sich selbst.
Gott wird nicht geboren. Er gebiert sich selbst. Er macht einen Anfang mit sich und mit uns. Einen radikalen und ganz und gar göttlichen, sich selbst in die Welt gebenden Anfang. Er gebiert sich, alles Göttliche in und an ihm: Gott ist auf der Welt. Er setzt sich frei in die Welt, entbindet sich und die Welt wird zu seinem Geburtsort, zu seinem Lebensort, mit allem, was mit jeder Geburt getan wird: Voller neuen Leben in die Freiheit hinein, ins Risiko des Lebens, ins Ungewisse, in die Verantwortung, in die Verletzlichkeit bis ans Kreuz.
Gott fängt mit uns bei der Krippe an. Ganz demonstrativ. Hier können wir ihn fassen und hier werden wir von ihm erfasst. Hier sehen wir seine Geburt und unsere. Hier fangen wir an. Mit uns. Mit ihm. Amen.

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Dich schauen im ewigen Advent



Predigt zum „Morgenstern“ am 3. Advent (11.12.16)


Bitte, komm!!
Bitte, komm. Komm, bitte her, her zu mir, ganz nah zu mir.
Menschen sagen das zu Menschen. Menschen wünschen sich das von Menschen. Sie sagen es manchmal laut. Sie sagen es leise und zärtlich. Sie sagen es flehend, sehnsüchtig, voller tiefer Erwartung und Wünschen. Sie sagen es und sie erhoffen sich, sie versprechen sich viel dann, wenn sich der Wunsch erfüllt.
Komm, bitte, Du! Komm zu mir. Sie erwarten eine Nähe, die sie erhellt, erhebt, hilft, stärkt, tröstet.
Menschen treten mit dieser Bitte langsam und tastend heraus aus ihrer Dunkelheit, aus ihrer Nacht, aus ihrem Leid, aus ihrem Leben. Sie treten heraus und schauen, schauen aus nach dem Kommen dessen, den sie erhoffen, zu dem sie sprechen, Komm, bitte.
Sie treten heraus in das Bild, in unseren Händen. Da stehen sie. Da sehen wir.
Ich dämmere
Es dämmert. 39 Minuten lang. So lange dauert genau die durchschnittliche Dämmerungszeit. Die Zeit, in der der Tag zu Nacht und Abend, in der Abend und Nacht zum Tag werden. Minuten des fließenden Übergangs, des Sonnenunter- oder Sonnenaufgang.
Auf unserem Bild: Morgendämmerung mit dem Morgenstern am Himmel, mit Sonne am Horizont, die langsam aufgeht.
Es dämmert ist eine Stimmung. Es ist noch blau, lila, dunkel, schemenhaft, ein sich abzeichnendes Hell, rot, orange, das Werden, das Aufkommen des Morgens, wie kleine Ewigkeiten, still, als würde sich etwas von Gottes erstem Schöpfungstag ansagen. Noch Nacht, aber gleich Tag. Noch Dunkel, aber gleich hell.
Es dämmert jeden Tag automatisch, ganz natürlich, immer verschieden, mal wolkenverhangen, mal glänzend, mal unbemerkt. Es dämmert aber immer, immer wieder, immer garantiert kommt nach der Nacht der Tag, nach dem Dunkel das Helle.
Eine garantierte Dämmerung gibt es aber im Leben von Menschen nicht. Die persönliche Lebensdämmerung kommt nicht automatisch und sicher. Manchmal dauert unser Übergang vom Dunkeln ins Helle, von Leidensnacht in getröstete Tage Ewigkeiten. Wir dämmern im Dunkeln vor uns hin, sind gefangen im Dunkeln, sehen vielleicht den Schimmer eines Dämmerns, sehen aber nicht wirklich den Aufgang, den Ausweg, das Licht, Hoffnung, werden manchmal eher wieder zurück ins Dunkle getrieben. Kein rettend Du in Sicht.

Christusleuchten
Es ist der Morgenstern, der trotzdem am Himmel steht. Er leuchtet und er leuchtet am hellsten, am stärksten, für unsere Augen am sichtbarsten, dann wenn es dämmert; dann gehört er zum Dämmern, dann kündet er vom Dämmern. Je mehr es dämmert, je stärker der Tag kommt und es heller wird, je mehr verschwindet er dann wieder. Es wird Licht. Der Morgenstern verschwindet nicht, er wird Teil des Lichtes, er ist es schon.
Christus ist der Morgenstern unserer Dämmerung. Wir dämmern sozusagen, wir sind im Übergang vom Dunkel ins Licht, im nicht garantierten Übergang, im nicht selbst gemachten Übergang. Wir dämmern und ein anderer, der Andere fürs uns, lässt Tag werden, lässt das Licht erscheinen.
Das Bild, das Lied sagen: Christus, der Morgenstern macht aus unserer Lebensdämmerung eine Christusdämmerung, ein Christusleuchten.
So sicher der Tag auf die Nacht folgt, so quälend, so quälend ungewiss lang, ja trostlos und aussichtslos unsere Dämmerung manchmal ist, so sicher ist ER es, der dämmert, der aufgeht, der als Morgenstern am Himmel von der Dämmerung kündet und selbst im Übergang das Licht wird.
Christus, der Morgenstern versichert uns: Es dämmert hin zum Heil. Deine Nacht und dein Leid ist im Schwinden. Du wirst frei werden von Schuld, von Sünde, von Tyrannei, von Knechtschaft, von aller Seelendunkelheit, die dein Leben quält und verschattet. Gott kommt sogar ins Dunkel, er will im Dunkel wohnen, er bricht die Macht der Lebensfinsternis, er überwindet Tod, er vertreibt das Dunkle und führt den Tag hervor. Er kommt. Licht vom Licht. Freudensonne. Osterlamm. Herrlichkeit. Friedensbringer.

Morgengesang
Wir haben geschaut aus der Dunkelheit, gebeten, dass ER komme. Wir stehen schon mit einem Fuß auf freiem Feld, noch umfangen von der Nacht in der Dämmerung sehen wir den Morgenstern, der das Licht ist. Wir stehen und sehen und singen.
Noch leise und verhalten, alles schläft noch, aber gleich, gleich wacht die Welt auf, Gottes Welt!! Deine Welt!! Mein Du zu meinen Ich kommt. Das könnte uns ein frohes Halleluja, ein Lob, einen Satz voller tiefer Freude und gerechtfertigter Hoffnung entlocken.
Gott kommt wirklich. Wir stehen in seinem ewigen Advent. Wir erinnern uns nicht nur daran, dass Gott in einem Kind auf die Welt gekommen ist. Sondern wir hoffen darauf: Gott kommt in unser Leben. Er kommt als mein ewig gesuchtes DU, um das ich gebeten habe und das mich findet. Er kommt. Das „göttliche Kind“, der Gott auf Erden kommt immer und immer wieder für uns und wendet alles zum Guten. Der Morgenstern Christus geht auf in unserem Leben. Er geht auf in unseren Herzen und wir werden Licht.
Es ist die Dämmerung unseres Herzens, die sich in dem Bild als ein Moment wie wiederspiegelt. Ein Adventsherz, in das Gott kommt, Christus als Morgenstern aufgeht und das Licht in heilsamer Pracht uns erleuchtet. Freut euch, freut euch, der Herr ist nah. Freut euch und singt Halleluja.

Samstag, 3. Dezember 2016

Meiner Welt Verlangen



Predigt am 2. Advent (4.12.16)

Matthäus 24, 1-14
Und Jesus ging aus dem Tempel fort und seine Jünger traten zu ihm und zeigten ihm die Gebäude des Tempels.  Er aber sprach zu ihnen: Seht ihr nicht das alles? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.
Und als er auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger zu ihm und sprachen, als sie allein waren: Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt?
Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht zu, dass euch nicht jemand verführe. Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen. Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn das muss so geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da. Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort.  Das alles aber ist der Anfang der Wehen. Dann werden sie euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. Dann werden viele abfallen und werden sich untereinander verraten und werden ich untereinander hassen. Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.
Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden. Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.

Sag: Wann?
Mit dem Blick auf den Tempel, mit dem, was Jesus zu ihm sagt, mit dem, wie Jesus auf den Tempel schaut, wächst, keimt auf in den Jünger ein tiefes, großes Verlangen, eine Sehnsucht, ausgelöst vom Blick auf den Tempel, der da steht, dessen Steine aber abgebrochen werden, durcheinander geraten, nicht einer auf dem anderen bleibt. Die Jünger hören in Jesu Worten, spüren in ihnen, sehen etwas Umstürzendes, Umwälzendes, etwas, was alles ändern wird. Sie sehen das Ende des Tempels und etwas Neues aufbrechen, das Reich Gottes auf Erden; sie sehen den Neubeginn von Gottes Welt, sie sehen eine Verwandlung im Gang, im Werden, im Kommen, jene Verwandlung der Wirklichkeit, wie sie in jedem Wort Jesu hörbar wird, in jeder seiner Taten sichtbar wird, in seinen Gleichnissen wirklich wird, in ihm ihnen betörend heilsam begegnet.
In Ihnen wächst, wird, ist ein unglaubliches Verlangen nach dieser Verwandlung, die Jesu Blick hervorruft, sie sind voller Sehnsucht und Erwartung, voller Hoffnung und Zusehen, mit vielleicht glänzenden Augen, mit vielleicht glühendem Herz, das sich unter den Worten über den Tempel selbst wandelt, in dessen Raum Gott und sein Reich Raum greift. Ihn, sein Werden haben sie vor Augen und aus ihren Mündern kommt jenes Wann, jenes Wann, was voller Sehnsucht ist: Wann endlich kommt dein Reich ganz, wann wird dein Gott ganz und gar wirklich, wann endlich erfüllt sich das? Sag wann und sag wie.
Jesus blickt vom Tempel zu denen, die ihm ihn zeigten, er blickt auf seine Jünger, in ihre Augen, auf ihre Sehnsucht. Er blickt auf uns, auf unsere Augen, auf unsere Sehnsüchte nach dem Wann und Wann endlich und Jesus sieht kommen, was kommt, er sieht, was passieren wird, er sieht, was geschieht, in seinem ungeheuerlich liebenden Blick sieht er auf die Sehnsucht der Jünger und er sieht, was auf sie zukommt, mit ihnen geschehen wird. Und er denkt: Passt auf euch auf. Pass auf euch auf, ihr Menschen, auf eure Sehnsucht, auf euer herzliches Verlangen.

Seht: Liebe erkaltet
Jesus sieht Verführung kommen, er sieht Hass, Entzweiung, Verrat kommen, und wie schwer es werden wird, wie schwer es ist, bei Jesus zu bleiben, nicht in andere Richtungen geführt zu werden, unbemerkt tragisch von ihm abzuweichen, abzufallen; wie schwer es wird, beieinander zu bleiben, nicht in eine Gegeneinander zu geraten, in Ungerechtigkeiten. Jesus sieht Kampf und Krieg kommen, Hunger und Erdbeben, Zerstörung und Angst, Furcht und Bedrohung. Jesus sieht, wie sehr die Jünger, wie sehr wir Gefahren ausgesetzt werden, sind, jede Generationen der Jünger bis heute und wie mächtig, übermächtig, allmächtig die Gefahren sind, die das Verlangen, die Sehnsucht nach Gott und seiner Wirklichkeit ersticken, verdrängen, irr machen, unsere Herzen erkalten lassen, unsere Liebe zu Gott entmutigen, verwirren, verführen, absterben lassen.
Jesus sieht das und er ängstigt sich mit. Er sieht, was kommen kann, was kommen wird und sehnt sich selbst danach, wie die Jünger sich sehnten nach ihm, als er ihnen den Tempel und die neue Welt zeigte, als sie in den dunklen Strom erkalteter Liebe gerieten. Jesus sehnt sich danach, dass sie bei ihrer Sehnsucht bleiben, bei ihm bleiben, beharren. Jesus sieht furchtbar realistisch was kommt und er sehnt sich danach, dass wir durchhalten, beharren, bleiben bei unserer Liebe zu ihm, bei seiner Liebe, unsere Sehnsucht und ihn nicht verlieren. Er sehnt sich so sehr, dass unsere Sehnsucht so sehr sie enttäuscht wird, auch von uns selbst, trotzdem nicht aufhöre Sehnsucht zu bleiben nach ihm und seinem Reich.
Er sieht, was kommt. Er sieht seine Jünger, die er kennt, die Kinder seines Geistes sind, er sieht uns, die er kennt und liebt, die wir Kinder seines Geistes sind, er sieht uns beharren, ausharren, der Liebe Kälte trotzen, nicht heldenhaft, aber im Innersten von Gott getragen, beseelt, sehnsüchtig, bei ihm bleiben, am Ende selig werden, am Ende unserer Kräfte, am Ende der Hoffnung, am Ende von uns selbst, selig werden, selig gemacht durch den, der all die seligpreist, die sich selbst verlassen und auf ihn gründen.

Endlich!
Jesus sieht den Tempel, wie kein Stein auf dem anderen bliebt, er sieht das Reich Gottes anbrechen, wirken, er sieht seine Jünger an, wie sie im Umbruch selbst schwanken und zittern werden, wie er sie hält, führt. Jesus sieht, wie seine Worte selbst, seine Taten, seine wunderbaren Gleichnisse, seine einzigartige Art der Begegnung, der Berührung mit Gott, wie all das von ihm, er bleibt, einmal gesandt, immer bleibt und sich selbst fortsetzt, ausbreitet, Menschen sucht und findet, sich verbirgt, umso herrlicher glänzt, hinausgeht und sich sagt, laut, zart, mutig, an die Ränder drängt, Gott selbst in die Welt der Menschen hinein gebärt, unter Ach und Wehen, unter Fragen und Zweifel Gott selbst hinein gebärt in das Leben von Menschen, ausgehend vom Kind im Stall bis das Evangelium von ihm seinen Lauf genommen hat, alle Zeit und allen Raum erreicht, bis es die Herzen erfüllt, Seelen heilt, alle Gott gehört, gespürt haben, alle von Gott und seiner Liebe umfangen sind und davon leben, selig werden, selig sind.
Dann kommt das Ende, dann kann das Ende kommen. Endlich! Dann ist alles vollendet: Die Sehnsucht der Jünger, die am Tempel stehen, unsere Sehnsucht, die wir im Advent unsere Wege gehen. Amen.