Samstag, 20. Februar 2016

Deiner Kinder hoher Lobgesang



Predigt an Reminiscere (21.2.2016)

Römer 5, 1-5
Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.

Durch das Dunkel hindurch
Nicht zuschanden werden. Als sei es so einfach im Leben, als sei es so einfach im Leben, dass aus Bedrängnis Geduld, aus Geduld Bewährung, aus Bewährung Hoffnung wachse, komme, gelinge. Als ginge das so automatisch, fast wie eine Wort-Treppe, eine zu betretende, besteigende Lebens-Treppe hinaus:  Bedrängnis - Geduld – Bewährung – Hoffnung. Als ging es so leicht wieder aufwärts, wieder hinaus, hinaus aus Bedrängnis und Not.
Hoffnung wird aber zuschanden, enttäuscht, bleibt leer, bleibt aus. Oft genug. Manchmal führt im Leben kein Weg wirklich aufwärts, wirklich richtig heraus aus Bedrängnis, Fragen, Probleme und Not. Heraus irgendwie endlich wieder ans Licht, zumindest für Stunden. Manchmal wird Leben zuschanden, wird er zur Schande für das, was Leben eigentlich sein sollte: schön, glänzend, herrlich, wird Leben tragisch, selbstverschuldet, durch andere, langsam, plötzlich, auf Raten, unmerklich zum Gegenteil. Manchmal verdunkelt sich Leben, wird es schrecklich bedrängt, klein, verletzt, missachtet, wird es wirr, arm, beschädigt, wie kaputt gemacht, wie innerlich und äußerlich zerstört. Manchmal ist das Leben nicht zu rühmen, ist es eher zu bezweifeln, zu klagen und zu beweinen, das eigene und das von anderen.

Ein Licht in dir geborgen
Vielleicht dann nur ein Wort, eine Erinnerung, ein leiser, bestimmter Satz, ein tiefes Wissen, das von Außen kommt, etwas, was gesagt, zugesagt, zugesprochen wird hinein ins Dunkle, hinein in die Not, hinein in „zuschanden“, in kaputtes Leben, zu mir. Etwas, was mir gibt, was ich nicht habe, nicht mehr, was mich zu gründen und zu halten vermag, was sich still schenkt, was sich mir ausgießt, zu mir kommt und erfüllt, mich erfüllt, bei mir bleibt.
Eigentlich kleine Worte, in denen aber alles irgendwie liegt, kleine Worte, Zusagen, Erinnerungen, die im Leeren, im Dunkeln wieder verbinden, verbinden und halten, verbinden und sanft anfänglich bescheinen, verbinden und wunderhaft verwandeln, jene Not wenden, wenden können. Kleine Worte nur, Präpositionen, kleine Worte, die Gott uns, unserem Leben voranstellt: mit, zu, in. Friede mit, Zugang zu, Liebe in. Kleine Worte, die mich verbinden mit Gott und mich in seinen Frieden hineinnehmen, in ihm Ruhe und Stille finden lassen. Kleine Worte, die mich verbinden und mir Zugang zu Gott und seiner Gnade schenken, mich eingehen lassen dorthin, wo ich Leben wieder finde, wo alles heilt. Kleine Worte, die mich verbinden mit Gott und die mir erzählen, wie seine Liebe in mein Herz fließt, wie sie mir gilt, wie sie in meinem Leben kommt, gekommen ist, dort wohnt und mich beseelt.
Kleine Worte, die mich erinnern, mir zusagen, für mich festhalten durch das Dunkel hindurch: Gottes Glanz bescheint dich, seine Herrlichkeit ist in dir geboren, hält dich geborgen, Gott ist dein Leben, sein Leben ist dein Schatz und dein Reichtum von ihm für dich, immer und ewig, trotzig allem Dunklen und Schweren, ist er dir deine Hoffnung, dein Licht und deine Erfüllung, wunderbar, herrlich. Geliebt im Herzen. Heute und alle Zeit. In schwerer besonders.

Ich sing dir mein Lied
Dessen können sich Menschen rühmen. Auf diesen Reichtum Gottes können sie stolz sein und sich über ihn freuen. Menschen rühmen, rühmen sich selbst, zu Recht oder zu Unrecht, lauthals oder in der Stille, allein oder mit vielen anderen, Menschen loben sich und das, was sie tun, getan haben, was sie zum glänzen gebracht haben, sind vielleicht berechtigt stolz auf sich und preisen manche Sache, manch Ereignis und jeder strebt nach einem klitzekleinen bisschen Ruhm, und sei es nur ab und zu und nur vor sich selbst.
Ein anderes Rühmen, ein anderer Klang ist, wenn ein Genitiv, der Genitiv „Gottes“ zum Sich-Rühmen tritt, dazugestellt wird, von Gott und von Menschen und Menschen sich Gottes rühmen, seines Friedens, seiner Gnade, seiner Liebe, seines Sohnes, der uns alles schenkt, seines Glaubens, in dem wir leben dürfen, seines Heiligen Geistes, der uns all dies wach hält.
Dort wo Menschen sich selbst Gottes rühmen, ist dies ein anderes Rühmen, Loben, Preisen. Es klingt anders, es klingt unser Leben hindurch, hindurch in all seinen Tiefen und Höhen, in all seinem Elend und seiner Würde, in all seiner Not und Herrlichkeit, es klingt still und unüberhörbar als ein hoher Lobgesang der Kinder Gottes, in denen Gottes Leben lebendig ist, ein Rühmen, in dem der Schmerz vom Frieden umfangen wird, die Tränen von der Liebe, der Tod vom Auferstandenen, in dem die Bedrängnis sich in Hoffnung unsichtbar kehrt.
Es ist ein Rühmen, in dem sich Gottes Herrlichkeit und Glanz in unsere Welt hinein klingt, zeigt und spürbar ist, seine zukünftige Welt, in der Leid und Geschrei nicht mehr sind, auch kein Not und Bedrängnis. Seine Welt, die da gegenwärtig wird und ist, wo Menschen dieses Rühmen anstimmen, miteinander und füreinander anstimmen, erklingen lassen in sich und zusammen, wo Menschen und wir erklingen als von Gott glücklich gepriesene Menschen, Menschen seiner Liebe. Amen.

Montag, 15. Februar 2016

Komm zum Thron



Predigt am Sonntag Invokavit (14.2.2016)

Hebräer 4, 14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. 15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16 Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.

Im Dunkel unserer Ängste
Der Teufel sitzt uns im Nacken und die Versuchung ist auf unserer Seite. Hilfe, die haben wir nötig. Geboren, größer geworden, ins Leben entlassen, Erfahrungen gemacht. Wir Menschen auf dem Lebensweg, selten gerade, eher verschlungen, oft fraglich, selten so sehr sicher. Unser Lebensweg.
Am Wegesrand stehen da sozusagen noch viele kleine Hohenpriester, hier und dort und immer wieder. Kleine Mittelsmänner, die einem von Zeit zu Zeit und leider meist, wenn es Menschen zu gut oder zu schlecht geht, irgendeinen unmöglichen Floh ins Ohr, eine dumme Flause in den Kopf setzen, etwas auf den Weg und in die Seele legen. Etwas, was seine zerstörerische Konsequenz erst im Weitergehen zeigt, oft nur langsam, oft dann bitter tragisch und zu spät.
Kleine Hohenpriester, eigentlich Verbindungen zwischen Himmel und Erde, eigentlich Heilsmittler, aber im Grunde Gaukler des Glücks, Betrüger, Versuchung; die nicht bringen, die nicht halten, die nicht geben, was Menschen erwarten, was Menschen erhoffen, was Menschen wirklich zum Leben brauchen. Sie bringen nicht wirklich Heil, Gutes, sondern ganz wirklich Verderben, sind eher Verbindungen zwischen Erde und Hölle. Sie treiben ihr falsches, teuflisches Spiel mit Menschen – und Menschen spielen mit, mehr oder weniger, warum auch immer. Sie stehen erst am Wegesrand, dann mitten auf dem Weg, dann treiben sie Menschen auf dem Weg in die falsche Lebensrichtung.
Gott ringt mit ihnen, mit den falschen Hohenpriestern, mit dem Teuflischen an ihnen und durch sie. Gott ringt selbst mit dem Teufel. Gott ringt mit Teufel um Menschen, die sinnverkehrt, sinnverloren schwach, verführt sind, die taumeln, strauchelnd, geschwächte Menschen sind, die IHN drohen zu verlieren, die ihn drohen loszulassen, zu verlieren, für die der Himmel immer mehr sich verschließt, die sich verschiedenste Königskleider anziehen, aber immer mehr zu Bettler werden, die immer weit weg vom eigentlich Thron kommen, den Glanz des Lebens verlieren, in die Dunkelheit kommen.

Hölle und Himmel durchschritten
Der Teufel sitzt IHM im Nacken und die Versuchung war an SEINER Seite. Direkt, unmittelbar, auf Tuchfühlung. ER ist durch die Hölle gegangen, da war die Begegnung mit dem Teufel in der Wüste nur ein Teil davon. Die wirkliche Hölle begegnete IHM im Unverständnis, im Argwohn, im Mordplan, in der Gefangennahme, im Verhör, im Urteil über ihn, in jedem der Hammerschläge, die ihn am Kreuz fester und fester nagelten. Passionszeit.
Das war Hölle, die Menschen ihm bereiteten. Das war seine größte Versuchung, doch nicht der zu sein, der er war, der Weg der Liebe bis zur bitteren Neige, bis zum aller Äußersten. Er durchschritt die Hölle, er durch litt sie, die Kälte der Menschen, deren Abgründigkeit, deren Abkehr von Gott.
Er wurde schwach, aber blieb stark. Er strauchelt, fiel aber nicht. Er taumelte, ging aber weiter. Er hatte tiefste Angst und schrie zu Gott. Er wurde versucht und hielt an GOTT fest. Er war ganz klein gemacht der größte und der letzte Hohenpriester.
Er durchschritt die Hölle und jeder Schritt war ein Schritt durch den Himmel. Jeder Schritt zum Kreuz war ein Schritt auf den Thron im Himmel. In jedem Moment, in dem er Hölle erfuhr, rieß er den Himmel zu Gott noch weiter auf, bis alles sich zuspitze, sich erfüllte, klar wurde für uns – und Gott selbst nach drei Tagen Todesstille den Himmel für ewig aufhielt.

Dem Thron ganz nah
Der Teufel sitzt uns im Nacken. Die Versuchung ist auf unserer Seite. Wir gehen zum Thron. Unser Blick folgt Jesus. Er ging durch die Hölle. Wir gehen durch die Hölle, durch die menschlichen Höllen, welche auch immer, warum auch immer, von anderen, von uns selbst verschuldet. Er geht nicht einfach mit. Er kennt den Weg nur zu gut, es ist sein Weg. Er kennt allen Zweifel, alle Fragen, alle Auswege, Irrwege, alle Gefahren, alle Verführer, alle Anfechtungen, alle Bitterkeit.
Wir gehen zum Thron. Unser Blick folgt Jesus. Sein Blick folgt uns. Er schließt sich mit uns zusammen. Mitleid ist noch zu wenig gesagt, man könnte denken, da wäre noch Distanz von ihm zu sich. Da ist aber keine. Gar keine. Er geht den leidenden Weg mit, er leidet selber an all unseren Höllen, er leidet mit an dem, was uns widerfährt, wie an dem, was wir antun. Er erlebt es. Er erleidet es.
Wir gehen zum Thron. Unser Blick folgt Jesus. Er mag so geführt unbeirrbar sein wie der von Jesus. In der Hölle mögen wir Himmelschritte entdecken, in der Schwachheit noch Gottes Kraft spüren, im Ruf der Schuld noch lauter Gottes Kampf um unsere Gnade hören, in aller Aussichtslosigkeit grundlose Zuversicht schöpfen, in tiefster Hilfslosigkeit alles aus seinen Händen nehmen.
Wir gehen zum Thron. Der Thron steht am Ende und doch so oft schon mitten im Leben auf unserem so verzweigten Wegen. Schon lange und immer wieder, wie für uns durch die Hölle gegangen, steht da Jesus, wie er immer an unsere Seite stand. Er ist schon lange und immer wieder vorausgegangen, um vor uns für uns am Thron zu stehen. Keine Angst. Er ist da. Jetzt. Immer. Sicher. Ich höre ihn, wie er zu spricht: Komm ganz nah. Nimm Platz, auf dem Gnadenthron. Er dient uns mit seinem Leben. Amen.

Samstag, 6. Februar 2016

Bis an die Ewigkeit



Predigt am Sonntag Estomihi (7.2.16)

Unvorstellbar
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze. (1. Korinther 13, 1-3)
Und hätte die Liebe nicht. Was wäre dann? Wer wären wir dann, dann, wenn wir die Liebe nicht hätten, in uns, bei uns, um uns herum, sie nicht hätten, die Liebe. Wer wären wir dann? Andere? Würden unsere Worte anders klingen, rauer, einsamer, ungeduldiger, unsere Bewegungen andere sein, unsere Hände, anders sich anfühlen, anders berühren. Unser Gesicht wäre das ein anderes, würde manche Falten fehlen, würde den Glanz wir vermissen? Wie würde unser Leben aussehen, der Lauf der Welt überhaupt? Würden die Dinge anders laufen, manches nicht passieren und anderes doch? Wäre alles das gleiche, oder weniger oder nichts.
Und hätten die Liebe nicht. Was wäre, wenn das Entscheidende fehlen würde, nicht da wäre. Das, was den Ausschlag gibt, was wirklich, wenn es fehlt. Ohne das, alles nicht das ist, was es ist und sein soll. Das, was die Dinge, was geschieht und die Menschen vollendet, ganz auf eigene, auf ihre Art, nicht perfekt macht, aber allem erst seine Tiefe und seinen Grund gibt, seine Würde und seinen Glanz, seine Güte und seinen Wert, sein Reichtum und seine kleine Ewigkeit. Das, ohne das, die Welt, wir nicht die sind, die wir wären.
Und hätten die Liebe nicht. Gott sei Dank: ein Konjunktiv, ein Irrealis, ein irres: Was wäre wenn. Aber: Indikativ: Wir haben die Liebe, wir haben sie bekommen, wir bekommen sie, zugesagt, zugesprochen zugedacht, hinzugegeben. Immer liebt uns einer zuerst, tiefer, inniger, bereitwilliger, länger, schöner. Immer sind wir zuerst Geliebte, angeschaute, barmherzig gemeinte Menschen. Ist die Liebe uns unendlich voraus und da.

Da sein lassen
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. (1. Korinther 13, 4-7)
Die Liebe macht sich klein und ist so groß, so wunderbar gefüllt. Sie trägt alles in sich, das Leben selbst: Worte, die beistehen; Gedanken, die Sinn suchen; Freude, die umarmt; Schmerz, der um Verzerrung weiß; Hoffnung, die durch Zweifel geht; Wahrheit, die barmherzig ist. Die Liebe macht sich mit all dem klein und den, den sie liebt dadurch groß, wertvoll, vollendeter. Sie gibt ihm alles, was sie hat, teilt aus unerschöpflich, wird selbst beim anderen wahr und ganz sie selbst.
Die Liebe wartet auf den, den sie liebt, lässt ihm Raum und Zeit, wird nicht irr an Abständen und Distanzen, an offenen Fragen und stillen Minuten, an merkwürdig Entgegengebrachtem, am Widerständigem, am Dunklem. Sie stellt sich selbst nicht in den Mittelpunkt, sieht von sich weg, wendet sich zu, sie wird zum Mittelpunkt für den, den sie liebt, beide drehen sich um den anderen und finden sich, erkennen sich im anderen als die, die sie sind, für Sekunden, für sich, für andere, die Welt. Die Liebe macht sich klein und ist die größte, sie lässt dem anderen sein Dasein, will nur dies: sein Dasein, sie schenkt hm Dasein das jeden Moment, neu und immer wieder. Sie will, dass er da sein kann, dass er bleibt.

Bin bei dir
Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. (1. Korinther 13, 8-13)
Es bleibt nur übrig zu lieben. Das Leben selbst ist Stückwerk: Alles, was Menschen tun und lassen, reden und denken, ersinnen und planen, sehen und hören ist immer nur ein Stück, ein Stück neben anderen Stücken, ein Stück von vielen, ein Stück vom Ganzen, ein Ganzes, was wir nie ganz sehen, nie ganz wissen, nie haben. Alles setzt sich zusammen aus Einzelstücken und wird gleich einem Mosaik nach und nach zusammengesetzt und der letzte, ganze Sinn von allem, das ganze Bild wird erst am Ende sichtbar, nie jetzt schon in der Zeit. Da ist vieles Ausschnitt, Teilbereich, eine halbe Sache, bisschen wahr, da bleibt vieles offen, passt manches nicht recht zusammen, wirkt manchmal wie herausgebrochen, ja wie dunkel und noch merkwürdig verschlossen.
Es bleibt nur übrig zu lieben. Bis an die Ewigkeit heran, bis alles sein Ende hat und vollendet wird, bis alle Stücke gefunden, das Mosaik ein Bild, bis wir alle sehen, wer wir sind, wirklich geworden sind in all unseren Tagen und Stunden, in all unseren Taten und Versuchen, in all den Facetten und Möglichkeiten, Verlusten und Tränen, mit all den anderen. Bis alles klar ist und herrlich und wir ganz bei Gott und alle von Angesicht zu Angesicht da sind und Liebe es nicht mehr braucht.
Bis dahin und jetzt bleibt nichts anderes übrig als zu lieben. Das ist alles. Bis dahin brauchen wir die Liebe. Brauchen wir die Kraft, die wir nicht haben, besitzen oder gar sind, die da ist und wirkt, die da ist und uns trägt, die da ist und bleibt, die jedes Stückchen Leben so anschaut, so nimmt, so es umliebt als sei es schon das Ganze, als wäre es nicht Stück, als wäre es mein Leben ganz. Amen.