Freitag, 28. September 2012

Im Blut verbündet



Sich binden
Wann habe ich mich an dich gebunden, Gott? Wann war der erste Schritt, das erste Mal? Wann habe ich in dir gefunden, den ich suchte. Ist das nicht immer wieder? War es nicht für immer? Wo bist du mir sicherer Hafen, Ankerpunkt, letzter Zufluchtsorts, stiller Hörer, Glückmoment?
Wann hast du dich an mich gebunden, Gott? War es schon vor meiner Geburt? Bevor ich begann zu atmen, zu denken, zu sein? Hast du mich aus Millionen auserwählt, so wie du jeden meinst? Wann verbindest du dich mit mir, wenn ich dich brauche, suche, du bei mir bist?

Gebunden
Es ist ein Band geknüpft, unheimlich, wie von einer Seite, aber zwischen uns, es verbindet dich und mich, unsichtbar, aber es ist da. Es ist ein Band, das mich bei dir hält und dich bei mir, das nicht reißen mag, so sehr es daran zerrt, ich dich fern empfinde, ich mich von dir losreiße; ein Band, das manchmal zu einem kleinen Punkt verschwindet, wenn du und ich ganz nah uns spüren; du hast es mir versprochen: Dieses Band ist vollkommen, es ist dein Band der Liebe und des Friedens.
Ein Band, das uns merkwürdig verbinden, meine Wunden und Schmerzen, meine Sehnsucht nach Liebe, nach Geborgenheit, nach einem, der trotz allem und immer wieder, das eine Ja zu mir sagt, ein Band, das uns verbindet, als wären wir im Bund, Verbündete, bis in den Tod.
Ein Bund, der größer nicht gedacht, gefühlt, geglaubt werden kann: Ein Bund, den du mit dem Licht des ersten Schöpfungstages, vielleicht auch schon als Du ganz alleine warst dir gewünscht, überlegst und gegründest hast; mit allen Menschen, mit Noah, mit Abraham, mit Jakob, mit Jesus, mit seinen Jüngern, mit mir. Ein Bund, der bei jedem Bruch nur noch stärker und größer wird. Du bleibst ihm treu, du bist deiner Liebe sicher und du bleibst dabei, dass wir Verbündete sind Im Leben.

Frei
Du hast mir das Leben geschenkt, hast mich wie geboren, den Sinn, die Freude, das Lob, die Stille der Trauer auch; du hast mir die Bestimmung gegeben, der zu werden, der ich in deinen Augen bin, dieser zu sein, und so etwas von dir im Leben zu leben.
Du hast mich entbunden, aus dir heraus gesetzt, so sehr du mich als dein Geschöpf wolltest, hast du mir alle Freiheit geschenkt, es auch zu werden, der, der dir gegenüber ist dich anschaut. Du hast mich frei gemacht, in den weiten Raum von Zeit und Welt gestellt, dass ich mich finden kann und die anderen und immer wieder dich. Wie eine Rückkehr nach weitem Weg, der dann wieder beginnt.

In meinem Blut
Im Blut sind wir verbündet, ein bisschen wie die Kinder, die mit Blut ihre Blutsbrüderschaft besiegeln, wie bei der Geburt, beim Beginn von allem, von Freiheit und Vertrauen, Blut beigemischt ist. Wie bei jedem Abendmahl ich den Worten glauben mag, die du sagst: „Das ist der neue Bund in meinem Blut.“ Wir verbinden uns in deinem Blut, immer neu und immer wieder, du vergießt selbst dein Blut, erfährst den Schmerz, trägst schwer daran, spürst, wie das Band zu reißen droht, durchlebst, was wir nicht können. Wir verbinden uns in deinem Blut, immer neu und immer wieder, du gibt es für uns, bevor und statt wir es vergießen, an anderen und an uns. Wir verbünden uns in deinem Blut, immer neu und immer wieder; du verhinderst, dass wir da stehen, machst vergessen, was geschah, an Schuld, Schmerz, ungeschickten Worten, Alltagsblutvergießen, du lässt es nicht den Bund brechen, sondern hältst an ihm fest. 

Freitag, 14. September 2012

Anstößig kostbar




Predigt zur Vorstellung der neuen Konfirmanden am 15. Sonntag nach Trinitatis (16.9.12)

Das neue Gottesvolk
Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, daß der Herr freundlich ist.  Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. [Dieser ist für euch, die ihr glaubt, kostbar;] für die Ungläubigen aber ist »der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« (Psalm 118,22; Jesaja 8,14); … Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. (aus 1. Petrus 2)

Steine suchen
Ein Haus aus lebendigen Steinen. Erbaut, Stein auf Stein, Mörtel dazwischen, das Dach drauf, Türen, eine kleine Treppe, bunte Fenster, Bankreihen, ein Altar im Chorraum, das Kreuz an der Wand, die Orgel auf der Empore, die Kanzel mit dem Pfarrer. Ein Haus aus lebendigen Steinen und ihr gehör jetzt dazu, wie ihr da sitzt und euch nachher vorstellt, wie ihr in den Konfirmandenunterricht gehen und die Gottesdienste besuchen werdet.
Wo werdet Ihr euren Platz in diesem Haus der lebendigen Steine finden? Wo werdet ihr euch in diese lebendigen Steine einordnen, einwohnen, wie Teil dieses sichtbaren und unsichtbaren Hauses werden? Was wird überhaupt euch werden? Im Leben? In der Konfirmandenzeit? Was wird aus euch in Laufe dieser Zeit bis zur Konfirmation? Werdet ihr andere? Nur älter, oder auch: intelligenter, einfühlsamer, religiöser?
Gesucht: Lebendige Steine. So das Motto. Gesucht! Da ist jemand auf der Suche, auf der Suche nach etwas, nach jemanden. Wir sind auf der Suche. Gott ist auf der Suche. Und ihr - Was sucht ihr so? Nicht alltäglich, sondern im Leben? Ihr Eltern? Wir alle als Gemeinde? Gesucht: Lebendige Steine. Wer sucht so was? Lebendige Steine, was soll das sein? Leben, was ist das?
Sucht ihr das Leben? Wann seid ihr lebendig? Ist lebendig, wenn man atmet, wenn man sich bewegt, wenn das Blut zirkuliert, wenn man den Puls spürt? Ist lebendig nicht mehr, vielmehr? Wann und wo seid ihr lebendig, voller Leben? Was ist für euch das Leben? Habt ihr es? Sucht ihr es? Hier in der Kirche? Im Konfirmandenunterricht? Oder was ganz anderes?

Steingeschenk
Lebendige Steine. Das ist komisch, merkwürdig, widersprüchlich. Lebendige Steine. Die gibt´s doch eigentlich nicht. Steine sind fest, hart, selbst unbeweglich, tot. Wie könnten die lebendig sein, lebendig werden? Fest, hart, unbeweglich müssen Steine sein. Auf Steine geht man, baut man, baut man Gebäude, Brücken, Häuser. Dafür müssen sie fest sein, sonst funktioniert kein Hausbau, sonst kann man nicht Stein auf Stein bauen und am Ende drin wohnen.
Das Haus der lebendigen Steine soll wohl ein besonderes Haus sein aus besonderen Steinen. Das Haus auf Steinen soll fest, sicher, geründet sein, soll etwas ins sich bergen und wohnen lassen können, es soll aber auch lebendig sein, lebendig erbaut, mit Lebendigen gebaut. Das Haus der lebendigen Steine baut auf Lebendiges auf, auf Freude und Tränen, auf Hoffnung und Fragen, auf Geschichten und Liebe, auf Menschen, auf lebendige Menschen, wie ihr alle, auf Euch Konfirmanden.
Für euch gibt es heute einen Speckstein, faustgroß. Specksteine sind in der Erde zu finden. Sie sollen lebendig werden, ihr sollt sie mit eurer Lebendigkeit, ja vielleicht mit eurem Leben prägen, gestalten, ganz handfest, mit Sägen, Schleifen und Staub, anschaulich, nach und nach im Laufe eurer Konfirmandenzeit. Bis am Ende an der Konfirmation etwas daraus geworden ist, ein besonderer Stein, der eure Züge trägt: Euer lebendiger Stein.
Wo legen wir sie hin eure Steine, bis sie lebendig geworden ist, von heute bis zur Konfirmation? Legt Ihr sie daheim irgendwo hin, zwischen PC und Schulbüchern? Das passt nicht. Sie gehören wir ihr irgendwie hierher, in die Konfirmandenzeit, dort, wo sie lebendig ist. Legen wir sie in den Saal rüber, in dem wir den Unterricht haben. Nein, die Steine gehören nicht zum Unterricht und der Saal ist zu groß. Das verlieren sie sich. Hier in die Kirche, ins Haus der lebendigen Steine gehören sie. Nur wohin? Nicht irgendwohin. Machen wir daraus eine kleine Mauer, die anderen als Mörtel? Aber so weit sind wir doch noch gar nicht. Legen wir sie auf den Taufstein? Oder an den Altar? Ans Kreuz, dort zu anderen merkwürdigen Steinen, wie das Gedenken an die Gefallenen in den Kriegen? Oder einfach auf dem Boden als Weg? Oft würde man sich dann an euren Steinen stoßen.

Stein in Gottes Hand
Wohin legen? Ans Kreuz oder ins Herz. Wohin mit Jesus Christus? Sein Leben auf ihn bauen oder nicht. Ihn als Grund, als Grundstein des Lebens nehmen und es darauf bauen oder ihn nicht nehmen und wegwerfen. Worauf baue ich mein Leben? In seinem allertiefsten Grund?
Jesus Christus ist der Eckstein, der Mittelstein der Kathedrale des Lebens, des Hauses der lebendigen Steine, verworfen, anstößig und erwählt, kostbar. Er ist der lebendige Stein, bei ihm kann man das Leben finden, kann die Suche nach Leben ihr Ziel, ihre Quelle finden, können wir leben, in Verbindung mit ihm. Er ist der feste Grund, der Grundstein, auf den alles aufbaut, ganz fest gesetzt von Gott, Fixpunkt. Er ist anstößig kostbar, kostbar anstößig.
Wie wir, wenn wir wollen. Haus der lebendigen Steine, auf ihn, den lebendigen Stein, aufbauend, auf seine Liebe. Anstößig: Weil diese Liebe bis ans Kreuz, bin in den Tod, bis in die tiefste Widerwärtigkeit, Abgründigkeit und Gottfeindschaft ging, weil seine Liebe den ganz Kleinen, denen am Rand galt und gilt, denen, die verworfen werden, die stinken, die sonst ausgestoßen werden, und weil lebendige Steine sich daran stoßen, wo Leben unwürdig wird, und Missstände anprangern und dagegen etwas tun, die Welt zum Besseren versuchen anzustoßen.
Kostbar anstößig. Kostbar. Gottes großes Vor-Urteil für seine lebendigen Steine, vor allem Tun und Denken, Zweifeln und Hoffen, vor jedem Schlafen und Aufwachen, vor jedem Atemzug. Kostbar seid ihr, ihr lebendige Steine, die ihr da unten sitzt, alle. Kostbar gemacht vom ersten Augen-Blick, auserwählt in Liebe, gekrönt mit Geist und Würde, in Gottes guter Hand getragen, von ihm ins Leben gerufen, SEIN Licht zu leben.
Gesucht: lebendige Steine. Gefunden: von Gott. Amen.

Dienstag, 11. September 2012

Fortsetzung folgt




Das gilt nicht nur für die Fortsetzungsgeschichte über Haslach auf den letzten Seiten im Haslacher Boten, sondern wir gehen generell davon aus: Irgendwie folgt immer eine Fortsetzung: Tag auf Tag, Jahr auf Jahr, Atemzug auf Atemzug, Leben auf Leben. „Fortsetzung folgt“, diese zwei Wörter scheinen ein bisschen wie ein Relikt aus älteren Tagen. Ich meine, es früher öfter gelesen oder gehört zu haben. Heute geht „Fort­setzung folgt“ eher unter zwischen ewig laufenden Dauerserien, einma­lig tollen Blogbustern und dem Konsummechanismus, dass auf einen guten Film immer eine Fortsetzung folgen muss. „Fortsetzung folgt“ erinnert aber eigentlich daran, dass es so selbstverständlich nicht ist mit den Fortsetzungen im Leben.

Manchmal gibt es eben keine Fortsetzung und etwas endet vollkommen abrupt und schmerzvoll, oder manchmal wollen wir gar keine Fortsetzung, sondern es soll endlich aufhören und wir brauchen einen Neuanfang. Und oft leben wir wirklich von den Fortsetzungen, denen der Liebe, der Treue und des Schutzes. Erntedank Ende September erinnert uns an Gottes fortgesetztes Tun. Wir glauben nicht nur, dass er einmal das Leben erschaffen hat, sondern er gibt uns immer wieder das, was wir zum Leben brauchen. Dann im November mit der Friedensdekade und seinem Totensonntag werden wir daran erinnert, dass es immer wieder Unfrieden und gewaltsame Abbrüche im Leben gibt und dass wir einen Gott brauchen, der mit und für uns den Neuanfang macht.

Der Oktober liegt dazwischen mit seinem Tag der Deutschen Einheit am Anfang und dem Reformationstag am Ende und erinnert uns an etwas Wesentliches zwischen dem „Fortsetzen“: Wir dürfen uns durchaus von Zeit zu Zeit unterbrechen lassen, können anhalten und wartend den Augenblick feiern, gerade den, der uns vergewissert, wer wir geworden sind und wer wir sind. Dann wird der Augenblick zu dem, der uns mit vorher und nachher verbindet, der uns unser Leben fortsetzen lässt in allen Abbrüchen und Automatismen. Für Christen ist das dann ein Au­genblick Gottes, so wie es der biblische Monatsspruch für den „Goldenen Oktober“ auf seine Weise sagt:
„Der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.“ (Klagelieder 3, 25)