Predigt am
1. Advent (2.12.2018)
Matthäus 21, 1-11
1 Als sie
nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus
zwei Jünger voraus 2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch
liegt. Und sogleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei
ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! 3 Und wenn euch jemand etwas sagen
wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen.
4 Das geschah aber, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten,
der da spricht (Sacharja 9,9): 5 »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König
kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem
Jungen eines Lasttiers.« 6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus
befohlen hatte, 7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre
Kleider darauf, und er setzte sich darauf. 8 Aber eine sehr große Menge
breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und
streuten sie auf den Weg. 9 Das Volk aber, das ihm voranging und nachfolgte,
schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem
Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! 10 Und als er in Jerusalem einzog,
erregte sich die ganze Stadt und sprach: Wer ist der? 11 Das Volk aber sprach:
Das ist der Prophet Jesus aus Nazareth in Galiläa.
Feinfühlig tasten
Der Einzug
Jesu beginnt in seinem Kopf. Vielleicht viele Kilometer, Stunden, Tage schon zuvor.
Einziehen tun Menschen in Wohnungen, meistens gut geplant, mit Hilfe und für
längere Zeit. Der Einzug macht für Menschen einen bestimmten Ort zu ihrem
Zuhause. Sonst ziehen Menschen kaum noch ein, vielleicht Herrscher, Würdenträger,
besondere Menschen in besonderen Situationen. In vielen Fällen betreten Menschen
anders einen Raum, eine Stadt, einen Zeitpunkt, eine Situation.
Jesu Einzug
beginnt in seinem Kopf, mit einem Bild, mit einer Vision. Er beginnt mit Nähe,
damit, dass Jesus nahe an den Ort gekommen ist, wo sich alles entscheidet. Er
beginnt mit Sätzen zu seinen Jüngern, mit dem Holen des Esels und seines
Füllens, mit dem Aufsteigen und dort sitzen. Jesu Einzug in das Herz von
Menschen beginnt in Jesu Kopf, in seinem Denken, Wollen, Planen. Der Einzug in
unsere Herzen beginnt mit Nähe, mit Nähe zu unseren Herzen, zum für uns
entscheidenden Ort und er beginnt tastend, vorsichtig, feinfühlig; denn es ist
großes, in Menschenherzen einzuziehen. Jesus weiß das.
Er will
nicht brachial, plötzlich, unüberlegt, schnell einziehen. Er bereitet das vor,
gliedert sich ein in Vorgängiges, in Sätze und Visionen alter Propheten, in
Gottes schon lange bestehende Sehnsucht nach menschlichen Herzen. Jesu Einzig
beginnt damit, dass er etwas vorausschickt, wie einen kleinen Fühler in
Richtung Herz, dass etwas von dort er sich holt, ihm überlassen wird, was ihn
dann ins Herz zu tragen vermag, etwas, dessen er bedarf zum Einziehen, was ihm
wie ein kleiner Herzensöffner ist, ein Ankerpunkt, damit er, wirklich er,
einziehen kann bei uns, wirklich bei uns.
herein
Die Jünger
legen ihre Kleider auf den Esel, ihnen folgen viele Kleider, die die Menge auf
den Boden vor die Füße des Esels legen, dazu Zweige von Bäumen, dazu für die
Ohren laute Jubelrufe. Das Hosianna erschallt. Die Menschen erkennen in Jesus
den wieder, auf den sie gehofft haben, es erfüllt sich vor ihren Augen ihr
Traum. Mag das passieren, wenn Jesus in Menschenherzen einzieht. Mögen Menschen
ihn erkennen, wiedererkennen, in ihm Verheißung, Anbruch eines erfüllten
Lebens. Jesus lässt sich als solcher sehen, hören, im Herzen identifizieren.
Und doch wird ihn der Weg hinein in die Stadt, hinein nach Jerusalem in kurzer
Zeit ans Kreuz und in den Tod führen, aller Jubel wird verhallen und die Frage
wird sein, ob Menschen Jesus wirklich verstanden haben, seinen Einzug in ihre
Herzen richtig verstehen, nicht missverstehen, sein Einzug gar nicht sein Einzug
ist, sondern nur der ewig gleich Einzug der eigenen Gedanken, Wünsche und
Phantasien.
Wie kommen
denn die Dinge, die Sätze, die Worte, die Pläne, die Wünsche in mich hinein, zu
mir? Wie zieht das alles in mich ein? Was nehme ich auf und was nicht? Wie
durchlässig bin ich, wie abgehärtet, dass nichts an mich und in mich dringt?
Wie vorsichtig muss ich sein, wie offen? Was kann, was darf, was wird in mich
einziehen, durch meine Sinne hindurch in mein Herz? Was ist da eingezogen und
wohnt dort? Wer?
Die Stadt
Jerusalem ist durch den Einzug Jesu maximal in Erregung versetzt. Es klingt
durch die Gassen und Köpfe: Wer ist der? Und eigentlich ist es die Frage: Wer
sind wir? Wer bin ich? Wenn Gott in mein Leben einzieht, dann doch als Gott: mich
bestimmend, prägend, verwandelnd, mächtig.
ins Herz
Jesu Einzug
beginnt damit, dass die Jünger tun, was er sagt, ihm der Esel überlassen wird,
es klar ist, wessen Jesus bedarf und dass er es bekommen muss. Jesus ist Herrscher,
weil sich in seinem Tun der Sinn erschließt, in ihm erfüllt sich Leben, wird
das Versprochene wahr, sehen, spüren, hören Menschen, dass sie bekommen, was
sie wirklich bedürfen: das Leben. Dies zu geben, dies zu haben, dies in Liebe
zu tragen und zu teilen, ist Jesu Macht.
Jesu zieht deswegen
ein in Menschenherzen. Damit sie das Leben bekommen, was sie brauchen. Er zieht
vorbereitet ein, mit einem Ankerpunkt im Herzen, feinfühlig tastend, uns
Freiheit lassend, ihn hineinzulassen, schon im Einziehen des Schöpfers Liebe zu
entdecken, am Werk zu sehen, ein kraftvolle, leidenschaftliche,
ohnmächtig-mächtige Liebe.
Sanftmütig
zieht er ein in Menschenherzen. Herzen sind selbst zart und gebrechlich. Es
braucht Geschick, Geduld und Demut von Jesus. Es braucht den Weg des Herzen vom
Einzug, vom ersten überschwänglichen Jubel, vom Irritierenden der Macht, von
der Hingabe am Tisch, von der Ernüchterung im Garten Gethsemane, vom Kreuz und
Auferstehung, von Advent und Krippe.
Der Einzug
Jesu beginnt in seinem Kopf. Im Eintauchen in Gottes Vision vom Friedenskönig
der Herzen, er folgt dieser Vision, die in seinem Herzen von Anfang eingezogen
ist, und er bringt sie in unsere Herzen, lässt den demütigen Friedenskönig in
unsere Herzen einziehen und dort wohnen. Hosianna dem Sohn Davis! Gelobt sei,
der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Es ist Advent. Amen.