Predigt an Pfingstsonntag (8. Juni
2014)
Römer
8, 1+2 und 11
So gibt
es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz
des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von
dem Gesetz der Sünde und des Todes. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der
Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der
Gerechtigkeit willen. Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten
auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten
auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen
Geist, der in euch wohnt.
Wort an Wort
Lebendig bin ich, wenn andere von mir
Geschichten erzählt, vielleicht welche vom Anfang, oder als ich krank war oder
auch nur so kleine beiläufige. Lebendig bin ich, solange ich einen Namen trage
und jemand ihn nennt, manchmal zart, beim Kommen und Gehen. Lebendig bin ich,
wenn ich Wort an Wort mit anderen wohne, wenn es Worte mit mir drin gibt, wenn
Worte mich treffen, wenn in Worte anderen so nahe komme, wenn ich Antworten
finde und selbst Antwort bin.
Lebendig bin ich, wenn ich nicht
sterben will, wenn Schmerz mich quält, wenn ich lache, bevor ich denke, wenn
ich weine, wenn ich liebe. Lebendig bin ich im Blick des anderen, in der Sorge
um mich, wenn ich berühre und berührt werde und in mir sich etwas regt.
Lebendig bin ich, wenn ich durchatme, meine Gedanken kreisen, wenn ich für Momente
spüre, woher ich komme, worauf ich hingehe, wozu ich eigentlich lebe.
Lebendig bin ich, wenn ich das Leben
und die Liebe in mir spüre, wenn ich mich spüre und das dies alles seinen Sinn
hat, wenn ich Leben teile und bekomme, wenn andere mir kleine Geheimnisse
erzählen, mich auf Reisen mitnehmen in ihre Gefühlswelten, wenn eine Begegnung
mir mehr zu geben vermag, als ich besitze, je besitzen werde.
Mein Atem geht in mir, hebt meinen
Brustkorb und senkt ihn wieder, mein Herz schlägt in meinem Takt und lässt mein
Blut in mir fließen, zirkulieren. Meinen Puls kann man spüren. Mein Gehirn hat
Neuronen, mein Körper Zellen, ich bin Fleisch, Knochen, Gewebe, Haut, Haare.
Solange am Monitor nicht eine waagerechte Linie erscheint und ein monotoner Ton
meinen Tod signalisiert, lebe ich, bin ich lebendig, noch nicht tot.
Gegenrede
„Tot“ in mir ist aber immer auch etwas,
manches. Vielleicht vieles ist gestorben in mir, gestorben tief in mir drin,
irgendwann, unbemerkt, schmerzlich, plötzlich, nach und nach, und dieses Tote
liegt in mir, auf Seelengrund, schwärzt mich, dunkelt mich ab. Etwas gestorben in
mir, wenn eine letzte Hoffnung starb, ein langer Wunsch doch unerfüllt blieb,
wenn ich an meiner Seele verletzt wurde, gekränkt und beschädigt, wenn Sätze,
die ich sagte, denen ich mich ganz anvertraute, ungehört blieben, enttäuscht
wurden, wenn Begegnungen und Worte weh taten, wenn Furcht sich in allem
einschlich, wenn Blicke nicht mehr sahen, wenn die Liebe endete. Tausend
kleine, große Totesmomente, totes Leben in uns. Verdammt.
Verdammt: Und es spricht auch etwas gegen
mich. Manches. Vieles vielleicht: Viele kleine Dinge und manche große. Gegen
mich kann etwas erkannt, wahrgenommen, gesehen, gesagt werden. Und all das
verurteilt mich, legt sich wie ein Urteil, eine Strafe auf mich und verwirft,
verwirft etwas vom eigentlichen Plan vom Leben, von der Lebendigkeit. Etwas,
manches, vielleicht vieles spricht gegen mich. Vielleicht all das, was ich dem
Leben und seiner Lebendigkeit angetan habe, wo ich Leben beschädigt, verletzt
habe, in Wort und Tat. Und all das steht gegen mich, kann benannt und gesagt
werden, in Worte gefasst werden gegen mich, nicht wenige Worte wären das, gegen
jeden, jeden von uns wären sie zu finden. Verdammt.
Mein Liebstes
Gegen Jesus sprachen alle, laut. Viele:
Die Herrschenden, Pontius Pilatus, das Volk, selbst seine Jünger verleugneten
ihn. Am Kreuz verstummte er selbst und starb. Wie ein verdammter, verworfener
Mensch. Und Gott schwieg und schwieg und schwieg. Unendliche Stunden lang. Und
Gott fand wieder all die Worte, die Jesus sprach, mit denen er Menschen heilte,
den Himmel auf Erden predigte, Sünder annahm, Gemeinschaft stiftete, mit denen
er Gott in Seele von Menschen zart bestimmt legte. Und Gott selbst fand Worte
und sprach zu Jesus: Steh auf, steh auf von den Toten und Jesus lebte wieder
und lebt seitdem in jedem Wort, das von ihm spricht, heilt und befreit.
Fürsprache
Für uns spricht, findet Worte der
Geist Gottes, bei allem, was gegen uns spricht, bei allem, was in uns
totverhangen ist. Wie er zu Jesus „Steh auf“ sprach, spricht er zu Menschen:
Steh auf, und Menschen stehen auf und spüren neues Leben in sich.
Gottes Geist sucht und findet tausend
und mehr Wort für uns, alle Worte findet er, die für uns sprechen, und er macht
sie stark und kräftig für uns, sagt sie solange und immer wieder, bis sie
wieder wahr werden und ihre Kraft uns selbst aufweckt, uns aufrichtet, uns von
Totem in uns befreit, uns beseelt, uns bewohnen, uns lebendig machen.
Er sucht und findet Worte für uns,
die uns verbinden mit dem Ursprung aller Worte: mit Gott. Die uns mit dem verbinden,
der Lebenswort selbst ist: Christus. Die uns mit allen verbinden, für die
Gottes Worte sprechen: uns untereinander. Gottes Geist sucht und findet Worte,
die „Wort an Wort“ in uns zu leben beginnen, mit denen Gottes Liebe in uns
gegenwärtig spürbar wird, mit denen wir Gott gefallen, mit denen Seelenfrieden
wird; Worte, mit denen Christus in uns und wir in ihm wohnen, mit denen wir gewiss
und geistvoll spüren:
Ich bin nicht tot. Ich bin lebendig.
Amen.