Hiobsbotschaft 2 (16. März 2014)
Hiob 2, 11-13
Als
aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war,
kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und
Zofar von Naama. Denn sie waren eins geworden hinzugehen, um ihn zu beklagen
und zu trösten. Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn
nicht und erhoben ihre Stimme und
weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid und sie warfen Staub gen Himmel auf
ihr Haupt und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und
redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.
verloren
Hiob, kein Wort von dir, kein eines.
Als könnte all die bekannten Worte nicht das fassen, sagen, was dir geschehen
ist, was du jetzt bist. Hiob, du sitzt, in Sack und Asche, verlassen, verloren,
geschlagen. Dein Schmerz ist so groß, dein Unglück so massiv, so brutal. So
unverständlich brachial ist es über die hereingebrochen; klein, kleingemacht
sitzt du da, alles ist weg und was vorher war, ist nicht mehr da, ist nicht.
Auch kein Wort von deinem Gott, keines,
nicht von ihm, nicht über ihm, nicht zu ihm. Im ganzen Text, in all den 104
deutschen Worten ist kein Wort von Gott. Als wäre Gott verstummt, still; als hätte
Gott sich verkrochen, aus dem Staub gemacht, als wäre Gott weg, abwesend.
Unsagbar
15.369 Worte folgen auf diese stummen
Worte. 40 Kapitel prall gefüllt, voller Worte und Reden, Fragen und Antworten.
Nur hier nicht. Kein Wort, das einer zu anderem spricht. Kein Wort, das einfällt,
um gesagt zu werden. Kein Wort, das in sich trägt, um zu geben, zu schenken: Trost,
Hilfe, Rat. Unsagbar still, keiner der drei redet mit Hiob. Was gäbe es auch zu
sagen. Leer.
Die Schritte, die sie zusammenführten,
sind verhallt; die Stimmen, die sie schrien, klagten, sind verstummt; die
wütend-verzweifelten Herzen schlagen vor sich hin; die Tränen sind ausgeweint
getrocknet. Es sprechen nur Kleider, Staub, Erde. Es sprechen nur Kleider,
zerrissen; Staub, in die Luft geworfen, Erde, auf der die drei mit Hiob sitzen.
Hiob, wir haben keine Sprache mehr,
kein Wort mehr. Stumm gehen wir mit dir, Hiob die Zeiten hindurch, an Menschen
vorbei mit großen Schmerzwie du, Menschen, die das Unglück traf wie dich, mit
uns, mit unseren Schmerz, mit unseren Unglücksmomenten. Wir gehen diese Zeit
entlang, schauen den Gekreuzigten an.
Staub auf der Haut
Der Blick in den Himmel, Staub in der
Hand, hochgeworfen händevoll in die Luft, der Himmel vergraut, der Blick wird verdunkelt,
der Staub fällt wie schwarzer Regen aus all den Nächten der Vergänglichkeit,
den Nächten des Schmerzes, der Schuld auf das Haupt und die Haare, auf die Haut
und die Augen, auf die Ohren und auf die Stimme, in jede noch so kleine Pore des
Lebens.
Staub auf Augen, Sinn und Ohren.
Staub und Asche, Vergehendes und Vorganges, Weggewischtes und Verbrauchtes,
Totes und Sterbendes legt sich auf alles, auf Seele und Gemüt, Sagen und Sehen,
bedeckt, umhüllt, deckt ab, verschleiert.
Von Ferne von Hiob gehört, von Ferne
Hiob gesehen, den Altbekannten, so wie er immer war, so wie er ist, Hiob, dich.
Fast. Von der Ferne in die Nähe und dich nicht mehr erkannt: Wer bist du?
Geworden? Dein Schmerz, dein Unglück, dein Leiden verdeckt unsere Sinne, unser
Sehen und Hören, uns: Wir können doch nicht so tun, als sähen wir noch klar, als
verstünden wir, als nähmen wir Welt, so
wie sie ist. Wir werden an dir, an ihr blind, taub, erschrocken gefühlsarm,
merkwürdig betäubt.
Hiob, du und die anderen, den, der am
Kreuz hängt, soll es so nicht geben. Wollen wir so nicht sehen, hören, spüren.
So soll es nicht sein, nicht Staub zu Staub, Asche zu Asche, Erde zu Erde.
Nicht so.
In der Erde
Aus drei Orten mit drei Namen kommen
sie. Sie sammeln sich, sie einigen sich, ohne dass wir die Worte wüssten. Sie folgen
dem, das sie jetzt eint, wir wissen, wer es ist. Aus ihren Orten mit ihren
Namen treffen sie sich an einem Ort und eigentlich mit keinen Namen mehr. Sie
lassen jetzt sich selbst hinter sich. Selbst-los teilen sie mit Hiob Ort und
Stunden, Raum und Zeit.
Sie sitzen auf der Erde. Wie viel
andere, bessere Orte mag es geben, wie viele Orte finden sich an diesem Ort, an
dem der Staub vom Himmel fiel, Krankenzimmer, Totenbetten, Schützengräben,
einsame Minuten, verlorene Seelen, kreuzunglückliche Menschen, Leidgeprüfte,
Schuldige. „Auf der Erde“ als gäbe es keinen anderen Ort, als wäre dies eigentlich
gar kein Ort an sich, als wäre es der Ort, der an Geburtsort erinnert, an
Sterbeort, an „der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen“, an Erde, an ein
Stück von Golgatha. Zeitlos.
Sieben Tage und sieben Nächte auf der
Erde sitzen, der Körper vergisst sich selbst, Menschen werden eins mit dem, wo
sie sind, werden eins mit der Zeit, werden zeitlos, vergessen Stunden und Minuten,
den Blick auf die Uhr, sitzen da in der Zeit als gäbe es kein Vorher und
Nachher, kein Woraufhin und Woraufzu es lohnt zu leben. Nackt ohne Ort und ohne
Zeit.
verlassen
Man hätte Hiob nicht weiterschreiben
sollen. Hier, genau hier hätte es enden müssen, können. Hiob und seine Freunde erhoben
aber ihre Stimme und Gott auch. Viele Worte folgen. Das Kreuz kennt nur sieben
letzte Worte, einen persönlich-losmischen Aufschrei und dann Stille, Stille und
Nacht, mehr erstmal nicht.
Mehr nicht als verloren und
verlassen. Hiob, mehr nicht haben die Freunde, haben wir. Unsagbar still ohne
Worte, nackt alles, bar jedes noch so guten Trostwortes, staubig, erdig,
verzweifelt an dem, was wir sehen, hören, lesen, denken, predigen von dir, Hiob.
Wir verlieren Zeit und Ort, uns selbst, wenn wir dir begegnen, uns mit dir auf
die Erde setzen, sitzen wie jetzt gesammelt aus unseren Lebensorten und aus unsere
Lebenszeit, sicherheitshalber nur für eine Stunde Zeit und an diesem gemeinsamen
Ort, auf der Erde sitzen um dein Wort, auf dem Weg mit Hiob zum Kreuz.
Gott fang es heimlich an. Mit uns.
Amen.