Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis
(8. Oktober 2017)
Markus 9, 17-29
17 Einer aber aus der Menge
antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen
sprachlosen Geist. 18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn zu Boden; und er hat
Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe
mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten's
nicht. 19 Er antwortete ihnen aber und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie
lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her
zu mir!
20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und
sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn hin und her. Und er fiel auf die
Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. 21 Und Jesus fragte seinen
Vater: Wie lange ist's, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. 22
Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte.
Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber
sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da
glaubt. 24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem
Unglauben!
25 Als nun Jesus sah, dass die Menge
zusammenlief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser
und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in
ihn hinein! 26 Da schrie er und riss ihn heftig hin und her und fuhr aus. Und
er lag da wie tot, sodass alle sagten: Er ist tot. 27 Jesus aber ergriff seine
Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.
28 Und als er ins Haus kam, fragten
ihn seine Jünger für sich allein: Warum konnten wir ihn nicht austreiben? 29
Und er sprach: Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.
geblendet
Gottes Wunderwelt gibt es. Gott hat
die Welt durch das Wunder seiner Liebe geschaffen. Und: Einen jeden von seinen
Menschen. Gott sendet sein wunderbares Wort Sonntag für Sonntag in die
Gemeinden. Gott hat wundersam in Jesus Christus ein Leben in die Welt geboren,
das allen verheißen und versprochen ist. Gottes Wunderwelt ist sein Reich, das
Reich Gottes, von Gott selbst ersehnt und in Gang gesetzt, in seinem Sohn uns
allen vor Augen gemalt, sein Reich, das angebrochen ist und vollkommen wird,
sein Reich der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit, die Vision eines menschlichen
Lebens von, für und auf Gott hin.
Menschen sind auf dem Weg hinein in
diese Wunderwelt Gottes. Ein jeder so wie er ist: Die Jünger Jesu, von denen
nur indirekt erzählt wird, dass sie das Wunder am Sohn nicht wirken konnten,
dass ihnen wohl die Kraft oder die Geduld zum Beten gefehlt hat. Der Sohn, krank,
besessen, von Kindesbeinen; von ihm selbst hört man nichts, kein Wort, kein
Satz; er ist nur Objekt von allem, vom Geist, der ihn quält, vom Vater, der
sich sorgt, vom Wunder, das ihm geschieht. Der Vater, der den Sohn
herbeibringt, mit ihm die Last, das Unerträgliche schon so lange, der
enttäuscht wird von dem Jüngern, der mit Jesus spricht, ihn um Erbarmen bittet,
dessen Glaube noch umhüllt ist von Unglauben.
Ein jeder auf dem Weg in Gottes
Wunderwelt hinein. Auch wir sind auf diesem Weg, auch wir mit unseren Gedanken,
wie es ist mit dieser Wunderwelt wohl ist, ob es sie gibt, die Wunder, warum und
warum nicht, gerade wenn wir sie bräuchten, wenn wir sie gerne täten, und warum
sie Jesus tun konnte.
lernen
Alle kommen in Gottes Wunderwelt. Ein
jeder auf seinem Weg, ein jeder, so wie er ist. Mit all seinen Zweifeln und
Nöten, mit seinem Fragen und Widerständen, mit seinen Schwierigkeiten und
Unglauben, mit seinen Sehnsüchten und Bedürftigkeit nach Wundern.
Es dauert vielleicht lange, so lange,
wie der Sohn schon krank ist, bis Menschen hineinkommen, hineingeraten und
gehen in Gottes Wunderwelt, bis Menschen langsam lernen zu glauben auch mit den
Schmerzen, die das Leben schlägt, lernen, Wunder zu sehen, Vertrauen zart zu
fassen, ins sehnsuchtsvolle Staunen zu geraten, kernen, geduldig zu bleiben,
bis Augen sich öffnen, Wunden sich schließen, die Angst in Hoffnung sich kehrt.
Die Jünger müssen lernen zu beten,
müssen wohl lernen, von der eigenen Macht abzusehen, vom eigenen Können, und erfahren,
sich und alles Gott anzuvertrauen, um seinen Willen und seine Möglichkeit zu
bitten, alles auf ihn setzen und das, was ihnen anvertraut ist, in Verbindung
mit Gott und seiner Macht zu bringen. Der Vater muss lernen und wachsen, über
sich hinaus, er muss eingestehen, dass sein Vertrauen zu klein ist, dass die
Last ihm zu groß ist, dass sein Erbarmen sich müde erschöpft in Gottes Wille birgt,
dass, wenn sein Weg endet, Gottes Weg mit dem Sohn beginnt. Und auch der Sohn
muss verstehen und plötzlich einüben, ein neues Leben zu führen, seine seit
Krankheitskindesbeinen festgelegten Beziehungen neu und anders zu füllen, ohne
Krankheit der zu sein, der er mit der Krankheit auch war. Und selbst der
unreine Geist muss lernen, bitterst, dass es noch eine andere Macht gibt, die
größer ist als er, die sich seiner bemächtigt und ihn vertreibt.
Und wir? Was müssen wir lernen auf
unserem Weg in Gottes Wunderwelt hinein? Vielleicht dies:
staunen
Es gibt diese Wunderwelt Gottes. Wir
können darauf vertrauen. Wir dürfen ein Teil davon sein. Jesus traut es uns zu.
Gottes Wunderwelt ist das Leben, das
Leben in seiner Fülle und in seinem Reichtum, ein Leben in Bezogenheit auf das,
was lebt, und auf das, was die Quelle des Lebens ist, auf den lebendigen Gott.
Ein Leben, das ganz aus dieser geschenkten und bereiten Fülle lebt, aus den
Möglichkeiten Gottes, die er für das Leben hat, ein Leben, das auch inmitten
aller ungeheilten Momente, allen Schmerzes, allen Leidens, aller Botschaften
des Todes, dennoch in Beziehung bleibt, in Beziehung zu Gott gehalten wird, ein
getröstetes, geliebtes Leben, zu dem Gott niemals die Beziehung aufgibt, an dem
er in unendlicher Liebe immer festhält.
So vertreibt Gott böse Geister
inmitten des Lebens, er vertreibt und vernichtet das, was Leben ungut bestimmt,
was hart hin- und herreißt, des Nachts, wenn der Schlaf nicht kommt, und des Tags,
wenn das schwere Leben sorgt. Gottes Liebe trennt dann von dem, was Leben nicht
ist, benennt es und bemächtigt sich der quälenden Geistern aus Ohnmacht, aus
Schuld und erlittener Erfahrung und er macht Menschen zart zu seinem Besitz und
befreit zu seinen Kindern.
Dafür schenke euch Gott großes
Vertrauen, ein Vertrauen, das im Grunde zart weiß: Gott selbst nimmt uns in
seine Wunderwelt hinein und Jesus Frage: „Wie lange soll ich bei euch sein“,
die wird beantwortet, Jesus wird wie entbehrlich: Wir gehören dorthin, wo die
sind, die ihm erst noch begegnen mussten: Mit Jüngern, Sohn, Vater in Gottes
Wunderwelt. Amen.