Samstag, 7. Oktober 2017

Wunderwelt



Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis (8. Oktober 2017)

Markus 9, 17-29
17 Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. 18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn zu Boden; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten's nicht. 19 Er antwortete ihnen aber und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir!
20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn hin und her. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. 21 Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist's, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. 22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!
25 Als nun Jesus sah, dass die Menge zusammenlief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! 26 Da schrie er und riss ihn heftig hin und her und fuhr aus. Und er lag da wie tot, sodass alle sagten: Er ist tot. 27 Jesus aber ergriff seine Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.
28 Und als er ins Haus kam, fragten ihn seine Jünger für sich allein: Warum konnten wir ihn nicht austreiben? 29 Und er sprach: Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.


geblendet
Gottes Wunderwelt gibt es. Gott hat die Welt durch das Wunder seiner Liebe geschaffen. Und: Einen jeden von seinen Menschen. Gott sendet sein wunderbares Wort Sonntag für Sonntag in die Gemeinden. Gott hat wundersam in Jesus Christus ein Leben in die Welt geboren, das allen verheißen und versprochen ist. Gottes Wunderwelt ist sein Reich, das Reich Gottes, von Gott selbst ersehnt und in Gang gesetzt, in seinem Sohn uns allen vor Augen gemalt, sein Reich, das angebrochen ist und vollkommen wird, sein Reich der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit, die Vision eines menschlichen Lebens von, für und auf Gott hin.
Menschen sind auf dem Weg hinein in diese Wunderwelt Gottes. Ein jeder so wie er ist: Die Jünger Jesu, von denen nur indirekt erzählt wird, dass sie das Wunder am Sohn nicht wirken konnten, dass ihnen wohl die Kraft oder die Geduld zum Beten gefehlt hat. Der Sohn, krank, besessen, von Kindesbeinen; von ihm selbst hört man nichts, kein Wort, kein Satz; er ist nur Objekt von allem, vom Geist, der ihn quält, vom Vater, der sich sorgt, vom Wunder, das ihm geschieht. Der Vater, der den Sohn herbeibringt, mit ihm die Last, das Unerträgliche schon so lange, der enttäuscht wird von dem Jüngern, der mit Jesus spricht, ihn um Erbarmen bittet, dessen Glaube noch umhüllt ist von Unglauben.
Ein jeder auf dem Weg in Gottes Wunderwelt hinein. Auch wir sind auf diesem Weg, auch wir mit unseren Gedanken, wie es ist mit dieser Wunderwelt wohl ist, ob es sie gibt, die Wunder, warum und warum nicht, gerade wenn wir sie bräuchten, wenn wir sie gerne täten, und warum sie Jesus tun konnte.


lernen
Alle kommen in Gottes Wunderwelt. Ein jeder auf seinem Weg, ein jeder, so wie er ist. Mit all seinen Zweifeln und Nöten, mit seinem Fragen und Widerständen, mit seinen Schwierigkeiten und Unglauben, mit seinen Sehnsüchten und Bedürftigkeit nach Wundern.
Es dauert vielleicht lange, so lange, wie der Sohn schon krank ist, bis Menschen hineinkommen, hineingeraten und gehen in Gottes Wunderwelt, bis Menschen langsam lernen zu glauben auch mit den Schmerzen, die das Leben schlägt, lernen, Wunder zu sehen, Vertrauen zart zu fassen, ins sehnsuchtsvolle Staunen zu geraten, kernen, geduldig zu bleiben, bis Augen sich öffnen, Wunden sich schließen, die Angst in Hoffnung sich kehrt.
Die Jünger müssen lernen zu beten, müssen wohl lernen, von der eigenen Macht abzusehen, vom eigenen Können, und erfahren, sich und alles Gott anzuvertrauen, um seinen Willen und seine Möglichkeit zu bitten, alles auf ihn setzen und das, was ihnen anvertraut ist, in Verbindung mit Gott und seiner Macht zu bringen. Der Vater muss lernen und wachsen, über sich hinaus, er muss eingestehen, dass sein Vertrauen zu klein ist, dass die Last ihm zu groß ist, dass sein Erbarmen sich müde erschöpft in Gottes Wille birgt, dass, wenn sein Weg endet, Gottes Weg mit dem Sohn beginnt. Und auch der Sohn muss verstehen und plötzlich einüben, ein neues Leben zu führen, seine seit Krankheitskindesbeinen festgelegten Beziehungen neu und anders zu füllen, ohne Krankheit der zu sein, der er mit der Krankheit auch war. Und selbst der unreine Geist muss lernen, bitterst, dass es noch eine andere Macht gibt, die größer ist als er, die sich seiner bemächtigt und ihn vertreibt.
Und wir? Was müssen wir lernen auf unserem Weg in Gottes Wunderwelt hinein? Vielleicht dies:

staunen
Es gibt diese Wunderwelt Gottes. Wir können darauf vertrauen. Wir dürfen ein Teil davon sein. Jesus traut es uns zu.
Gottes Wunderwelt ist das Leben, das Leben in seiner Fülle und in seinem Reichtum, ein Leben in Bezogenheit auf das, was lebt, und auf das, was die Quelle des Lebens ist, auf den lebendigen Gott. Ein Leben, das ganz aus dieser geschenkten und bereiten Fülle lebt, aus den Möglichkeiten Gottes, die er für das Leben hat, ein Leben, das auch inmitten aller ungeheilten Momente, allen Schmerzes, allen Leidens, aller Botschaften des Todes, dennoch in Beziehung bleibt, in Beziehung zu Gott gehalten wird, ein getröstetes, geliebtes Leben, zu dem Gott niemals die Beziehung aufgibt, an dem er in unendlicher Liebe immer festhält.
So vertreibt Gott böse Geister inmitten des Lebens, er vertreibt und vernichtet das, was Leben ungut bestimmt, was hart hin- und herreißt, des Nachts, wenn der Schlaf nicht kommt, und des Tags, wenn das schwere Leben sorgt. Gottes Liebe trennt dann von dem, was Leben nicht ist, benennt es und bemächtigt sich der quälenden Geistern aus Ohnmacht, aus Schuld und erlittener Erfahrung und er macht Menschen zart zu seinem Besitz und befreit zu seinen Kindern.
Dafür schenke euch Gott großes Vertrauen, ein Vertrauen, das im Grunde zart weiß: Gott selbst nimmt uns in seine Wunderwelt hinein und Jesus Frage: „Wie lange soll ich bei euch sein“, die wird beantwortet, Jesus wird wie entbehrlich: Wir gehören dorthin, wo die sind, die ihm erst noch begegnen mussten: Mit Jüngern, Sohn, Vater in Gottes Wunderwelt. Amen.