Predigt am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr (19.11.2017)
Lukas 16, 1-8
Er sprach
aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der
wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. Und er ließ ihn
rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine
Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Da sprach der
Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben
kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit
sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. Und er
rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu
dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Der sprach: Hundert Fass
Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib
flugs fünfzig. Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du
schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen
Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter,
weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter
ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.
Nicht recht loben
In das Lob
des Herrn, des reichen Mannes ist nur schwer einzustimmen. Sein Lob bleibt uns
im Hören irgendwie im Hals, im Kopf stecken. Ist der Verwalter nicht
verschwenderisch, nicht untreu seinem Herrn gegenüber, hintergeht er den Herrn
nicht einfach, indem er die Schuld der Schuldner eigenmächtig herabsetzt und so
versucht, seine Haut schlau selbst zu retten? Diese Art von Klugheit soll
beachtenswert sein, soll lobenswert sein, sollen wir zu hören, ihr etwas abgewinnen
und nachstreben?
Jesus erzählt
diese Geschichte und er kommentiert in den Folgesätzen diese Geschichte, dieses
Gleichnis und es wird noch merkwürdiger. Jesus sagt nach der Geschichte: Wir
sollen uns Freunde machen mit dem ungerechten Mammon, damit wir in Ihre Häuser
aufgenommen werden. Wir sollen dem ungerechten Mammon treu sein, sonst könnten
wir im Großen nicht treu sein. Und wir denken dagegen: Wenn wir schon klug sein
sollen, dann wollen wir doch dabei auch treu und gerecht sein, dann doch nicht in
der Art klug sein wie die anderen, wie die Welt, sondern eher klug in Bezug auf
Gott, auf den Glauben.
Und wir
fragen: War Jesus klug? War klug, wie er handelte, was er sprach, wie er in der
Welt sich bewegte, war sein Weg ans Kreuz klug, ist Auferstehung klug? Ist Gott
klug? So klug, wie der Verwalter? So klug, dass er seinen Sohn in die Finsternis
sandte, damit gerade die Unmündigen, die vor der Welt Unklugen Gottes Nähe spürten,
und die Mächtigen mit ihrer Klugheit vom Thron gestürzt werden. Ist nicht die
Predigt vom Kreuz eine Torheit, eine Dummheit der Welt. Und dennoch erzählt
Jesus dieses Gleichnis, als würde er ausblenden, dass es auch um gerecht und
treu sein geht; als würde er sich für uns auf diese Klugheit fixieren, als ob er
sagen will: Sei auch klug; sei auch klug, so wie der Verwalter es ist.
Entdecke die Möglichkeit
Seine
Existenz ist bedroht. Das, was er ist, soll beendet werden. Alles, was ihn bis
jetzt ausmachte, wird von ihm genommen werden Mitten im Leben, mitten in seinem
Alltag, in seiner Selbstverständlichkeit, trifft ihn die Frage,
lebensnotwendige Frage: Was soll ich jetzt tun? Wie geht es weiter? Was nun? Er
mag vielleicht gelähmt sein, erschrocken, vielleicht hat er es geahnt, aber nun
ist entscheidend, was er aus dieser Frage nach ihm, nach seinem Leben macht, ob
er darauf reagieren kann, ob er sie überhaupt vernimmt, hört, den Ernst der
Lage erkennt, merkt, was gerade mit ihm passiert. Er merkt es. Er weiß um das
schier Unmögliche, was sich ihm ereignet. Und er denkt bei sich, spricht zu
sich, ist bei sich und sucht nach Möglichkeiten, nach Auswegen, nach dem, was
seine Not wenden könnte.
Er weiß, was
er braucht, was jetzt sein Ziel, seine Aufgabe, das Allernotwendigste ist, sein
könnte: Überleben, irgendwie nach dem Rauswurf noch wo unterkommen, ein Dach
überm Kopf haben, nicht Untergehen. Er ahnt im Unmöglichen sachte Möglichkeiten.
Und er weiß genau, was für ihn keine Möglichkeiten sind, was ihm unmöglich ist,
körperlich und seelisch: Er weiß, er kann nicht graben, er kann nicht betteln.
Was er aber tun könnte, tun kann, das tut er aber. Er geht auf die Möglichkeit
zu, die er hat, die er entdeckt, in der der Sinn für ihn nun liegt.
Er weiß,
wie der dahin kommt, dass er nicht untergeht, sondern bei anderen eine Bleibe
bekommt. Er weiß, wie er das anstellen könnte, wie er die findet, die ihm
Unterschlupf bieten können, wie er diese dazu bringt, ihm bei sich zu
beherbergen, wenn er es braucht. Und er ergreift diese eine Möglichkeit, reduziert
die Schuld der Schuldner und er wird bei ihnen unterkommen, sein Leben retten.
Vielleicht seine einzige Möglichkeit.
Im Dienst der Liebe
Jesus blickt
auf den Verwalter, sieht seine Untreue, seine Ungerechtigkeit und sein Herz
schlägt für seine Klugheit, dafür, dass der Verwalter seine Möglichkeit
entdeckt, die ihn leben lässt. Jesus weiß: Gott hat Menschen geschaffen und er
hat sie mit Klugheit begabt, mit der Fähigkeit, im Aussichtlosen Perspektiven
zu entdecken, sich einzuordnen in das, was widerfährt, was nicht geht und was
geht, den Sinn im Unsinn zu suchen, auch unter Druck irgendwie noch schöpferisch
auszuloten, wohin der nächste Schritt gehen könnte.
Solche
Schöpfungsgaben können missbraucht werden und gebraucht werden, sie können im
Sinne des Schöpfers gelebt werden oder nicht, sie können lebensdienlich sein
oder weniger. Klug an sich, das ist für das Leben gedacht, klug muss dann der
Mensch auch sein für das Leben. Der Verwalter zieht seinen Kopf aus der
Schlinge. Die Schuldner müssen weniger Schuld tragen und selbst der Herr stimmt
ein in Lob. Die Klugheit in dieser Geschichte, sie dient dem Leben, auch wenn
die Prinzipien von Treue und Gerechtigkeit hintenanstehen.
So kann die
Klugheit der Liebe dienen. Und vielleicht verstört uns Jesus ein bisschen mit dieser
gleichzeitig untreuen, ungerechten und klugen Geschichte gerade deswegen, weil
er uns in dringlicher Liebe an uns geschenkte Klugheit erinnern möchte, daran,
dass wir es um der Liebe willen sein müsste: Klug. Klug um die Möglichkeiten zu
wissen, die es immer auch gibt, immer auch noch gibt. Und so kann Klugheit der
Liebe und dem Leben Raum verschaffen. Wer klug an weltliche Möglichkeiten
glaubt, sie lebensschöpferisch zu entdecken sucht, der ist im wahrsten Sinne
des Wortes geistesgegenwärtig, der ist geöffnet für Gottes Möglichkeit der Liebe,
die Undenkbares denkbar macht. Amen.