Freitag, 17. November 2017

Haushalter der Geheimnisse der Liebe



Predigt am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr (19.11.2017)

Lukas 16, 1-8
Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.

Nicht recht loben
In das Lob des Herrn, des reichen Mannes ist nur schwer einzustimmen. Sein Lob bleibt uns im Hören irgendwie im Hals, im Kopf stecken. Ist der Verwalter nicht verschwenderisch, nicht untreu seinem Herrn gegenüber, hintergeht er den Herrn nicht einfach, indem er die Schuld der Schuldner eigenmächtig herabsetzt und so versucht, seine Haut schlau selbst zu retten? Diese Art von Klugheit soll beachtenswert sein, soll lobenswert sein, sollen wir zu hören, ihr etwas abgewinnen und nachstreben?
Jesus erzählt diese Geschichte und er kommentiert in den Folgesätzen diese Geschichte, dieses Gleichnis und es wird noch merkwürdiger. Jesus sagt nach der Geschichte: Wir sollen uns Freunde machen mit dem ungerechten Mammon, damit wir in Ihre Häuser aufgenommen werden. Wir sollen dem ungerechten Mammon treu sein, sonst könnten wir im Großen nicht treu sein. Und wir denken dagegen: Wenn wir schon klug sein sollen, dann wollen wir doch dabei auch treu und gerecht sein, dann doch nicht in der Art klug sein wie die anderen, wie die Welt, sondern eher klug in Bezug auf Gott, auf den Glauben.
Und wir fragen: War Jesus klug? War klug, wie er handelte, was er sprach, wie er in der Welt sich bewegte, war sein Weg ans Kreuz klug, ist Auferstehung klug? Ist Gott klug? So klug, wie der Verwalter? So klug, dass er seinen Sohn in die Finsternis sandte, damit gerade die Unmündigen, die vor der Welt Unklugen Gottes Nähe spürten, und die Mächtigen mit ihrer Klugheit vom Thron gestürzt werden. Ist nicht die Predigt vom Kreuz eine Torheit, eine Dummheit der Welt. Und dennoch erzählt Jesus dieses Gleichnis, als würde er ausblenden, dass es auch um gerecht und treu sein geht; als würde er sich für uns auf diese Klugheit fixieren, als ob er sagen will: Sei auch klug; sei auch klug, so wie der Verwalter es ist.

Entdecke die Möglichkeit
Seine Existenz ist bedroht. Das, was er ist, soll beendet werden. Alles, was ihn bis jetzt ausmachte, wird von ihm genommen werden Mitten im Leben, mitten in seinem Alltag, in seiner Selbstverständlichkeit, trifft ihn die Frage, lebensnotwendige Frage: Was soll ich jetzt tun? Wie geht es weiter? Was nun? Er mag vielleicht gelähmt sein, erschrocken, vielleicht hat er es geahnt, aber nun ist entscheidend, was er aus dieser Frage nach ihm, nach seinem Leben macht, ob er darauf reagieren kann, ob er sie überhaupt vernimmt, hört, den Ernst der Lage erkennt, merkt, was gerade mit ihm passiert. Er merkt es. Er weiß um das schier Unmögliche, was sich ihm ereignet. Und er denkt bei sich, spricht zu sich, ist bei sich und sucht nach Möglichkeiten, nach Auswegen, nach dem, was seine Not wenden könnte.
Er weiß, was er braucht, was jetzt sein Ziel, seine Aufgabe, das Allernotwendigste ist, sein könnte: Überleben, irgendwie nach dem Rauswurf noch wo unterkommen, ein Dach überm Kopf haben, nicht Untergehen. Er ahnt im Unmöglichen sachte Möglichkeiten. Und er weiß genau, was für ihn keine Möglichkeiten sind, was ihm unmöglich ist, körperlich und seelisch: Er weiß, er kann nicht graben, er kann nicht betteln. Was er aber tun könnte, tun kann, das tut er aber. Er geht auf die Möglichkeit zu, die er hat, die er entdeckt, in der der Sinn für ihn nun liegt.
Er weiß, wie der dahin kommt, dass er nicht untergeht, sondern bei anderen eine Bleibe bekommt. Er weiß, wie er das anstellen könnte, wie er die findet, die ihm Unterschlupf bieten können, wie er diese dazu bringt, ihm bei sich zu beherbergen, wenn er es braucht. Und er ergreift diese eine Möglichkeit, reduziert die Schuld der Schuldner und er wird bei ihnen unterkommen, sein Leben retten. Vielleicht seine einzige Möglichkeit.

Im Dienst der Liebe
Jesus blickt auf den Verwalter, sieht seine Untreue, seine Ungerechtigkeit und sein Herz schlägt für seine Klugheit, dafür, dass der Verwalter seine Möglichkeit entdeckt, die ihn leben lässt. Jesus weiß: Gott hat Menschen geschaffen und er hat sie mit Klugheit begabt, mit der Fähigkeit, im Aussichtlosen Perspektiven zu entdecken, sich einzuordnen in das, was widerfährt, was nicht geht und was geht, den Sinn im Unsinn zu suchen, auch unter Druck irgendwie noch schöpferisch auszuloten, wohin der nächste Schritt gehen könnte.
Solche Schöpfungsgaben können missbraucht werden und gebraucht werden, sie können im Sinne des Schöpfers gelebt werden oder nicht, sie können lebensdienlich sein oder weniger. Klug an sich, das ist für das Leben gedacht, klug muss dann der Mensch auch sein für das Leben. Der Verwalter zieht seinen Kopf aus der Schlinge. Die Schuldner müssen weniger Schuld tragen und selbst der Herr stimmt ein in Lob. Die Klugheit in dieser Geschichte, sie dient dem Leben, auch wenn die Prinzipien von Treue und Gerechtigkeit hintenanstehen.
So kann die Klugheit der Liebe dienen. Und vielleicht verstört uns Jesus ein bisschen mit dieser gleichzeitig untreuen, ungerechten und klugen Geschichte gerade deswegen, weil er uns in dringlicher Liebe an uns geschenkte Klugheit erinnern möchte, daran, dass wir es um der Liebe willen sein müsste: Klug. Klug um die Möglichkeiten zu wissen, die es immer auch gibt, immer auch noch gibt. Und so kann Klugheit der Liebe und dem Leben Raum verschaffen. Wer klug an weltliche Möglichkeiten glaubt, sie lebensschöpferisch zu entdecken sucht, der ist im wahrsten Sinne des Wortes geistesgegenwärtig, der ist geöffnet für Gottes Möglichkeit der Liebe, die Undenkbares denkbar macht. Amen.