Predigt an Estomihi (2.3.2014)
2.
Thessalonicher 3, 1-5
Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass
das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch und dass wir erlöst
werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht
jedermanns Ding. Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor
dem Bösen. Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und
tun werdet, was wir gebieten. Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die
Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.
Des Wortes Lebenslauf
Worte laufen nicht. Sie wachsen irgendwie
in uns, sie kommen in uns auf, sind da. Wir denken, fühlen, bilden sie und
sprechen sie. Sie kommen aus unserem Mund, laut, leise, eines, viele, schnell,
langsam, fremd, genau in unserem Ton, heraus ein kleines Stück von uns.
Worte laufen nicht. Sie schweben
vielleicht, schweben durch die Luft, getragen von Schallwellen bis ans Ohr des
anderen, der anderen. Worte laufen nicht, sonst hätten sie kleine Beine und
Füße, eher haben sie Flügel. Tausende, Millionen müssen es sein, die tagtäglich
aus Mündern in die Welt gesetzt, gesprochen, geboren werden, sie fliegen
aneinander vorbei, zusammen ein Stück, haben manch gleiches Ziel, haben
Vielsprecher und Schweiger als Quelle, sind umgeben von Bildern, von
geschriebenen Worten, von digitalen Welten, von SMS und Emails, umgeben von
einem Meer der Worte und all ihrer kleinen Welten.
Und: Darin, darunter, dabei, gekleidet in
Alltagsworten und in manchen fremden Gewand, gesprochen auf Kanzeln und im
Gespräch zwischen Not und Hilfe, gesungen als Wortnoten, geflüstert zu Kindern,
gelegt auf Sterbende, geheiligt im Sakrament, getan in der Tat, damals und
heute, immer wieder, überall: Worte des Herrn im Meer all der anderen Worte,
ins Rennen gesandt, ein Stück vom Herrn zu sagen, Leben zu spenden, zu
bewahren, zu sein.
Und wie all die anderen Worte verhallen
auch Worte des Herrn, vielleicht diese noch mehr. Denn: Worte des Herrn tragen
alles in sich, wollen es aber schenken, wollen nicht überreden, verzaubern,
sondern zum Herzen dringen; sind wie die Liebe selbst demütig, zart und frei,
brauchen Raum und Laufzeit und Menschen, die sie empfangen. So finden Worte des
Herren auch manchmal nicht ihr Ziel, ihre Erfüllung. Sie verhallen ungehört und
bleiben ungetan, stoßen auf Fragezeichen, auf Achselzucken, auf Kopfschütteln,
widersteht man ihnen, stößt man sie ab, prallen sie ab, laufen ins Leere,
werden leer und sind unerfüllt.
Wir wohnen Wort an Wort
Was tun Menschen alles, damit Worte ihr
Ziel erreichen, recht laufen. Sie schreien sie laut, sprechen sie mit
Nachdruck, sagen sie schnell noch und noch einmal, wiederholen, sagen sie im
Chor, beschwören zusammen ihren Lauf. Sie suchen Worte, die möglichst genau
meinen, was sie sagen, die exakt definieren, die wirklich treffen, die wohl
geformt, wohl überlegt gut und am besten
ankommen.
Und: Menschen beten. Menschen fühlen,
tragen Worte in sich, die andere Worte sind, die von woanders kommen und
woanders hingehen, die nicht genau wissen, ob sie ihr Ziel auch erreichen, die
loben und vergessen, die klagen und weinen, die fragen und hoffen, die gar
nicht so sehr ihre eigene Worte sind, sondern eher geborgte, geliehene Worte,
Worte mit Quelle und Erfüllung woanders.
Menschen beten. In Ihnen läuft das Wort des
Herren, es lebt, ist Wort in ihren Wörtern. Es sind Worte vom Herrn, vom Herrn
dem Beter irgendwie gegeben. Es sind gestärkte Worte, Worte, die durch den
Herrn geschützt, bewahrt sind vor dem Einfall des Bösen, vor trügerischen Gedanken
und vor falschen Absichten. Worte, die tun, was sie sind, die sind, was sie
tun. Es sind treue, vertraute Worte, gezeugt im Vertrauen und gedacht im
Vertrauen und ausgesprochen, gebetet im Vertrauen. Es sind Worte ausgerichtet
in ihrem Kern, in ihrem Herzen, ausgerichtet von Gott und auf seine Liebe, von
Jesus Christus und auf seine Geduld, geduldige, liebende, starke Worte.
Worte, die im Meer der Worte sich zu den
anderen gesprochenen Worten wie gesellen, als würden sie einander kennen, als
würden sie sich anziehen, als hätten sie den gleichen einen Herrn. Worte, die
zu den anderen frei schwebenden Worten des Herrn kommen, zu, an und mit ihnen.
Worte, die beginnen Wort an Wort zu wohnen, und die anderen gesprochenen Worte
am Laufen, am Atmen, am Sagen, am Leben halten, damit sie nun gebetet und
gesprochen ihr Ziel erreichen.
Das Wort schenkt
Worte laufen, gehen Umwege, verhallen - und
erreichen ihr Ziel. Dann ist das ein besonderer Augenblick. Worte treffen,
meinen genau, was sie sagen, was ist, wer ich bin. Wie schmerzlich ist es, wenn
Worte verfehlen, mich verfehlen, wie merkwürdig verfehlt, ungefüllt, leer ist
dann der Augenblick und ich auch. Worte erreichen ihr Ziel und es wird wahr,
was sie in sich tragen. Worte der Liebe erreichen ihr Ziel, ihr „Ich liebe
dich“ erreicht das Herz und dann ist da Liebe und ein Mensch hat das liebste
gehört, was es zu sagen gibt.
Des Herrn Worte laufen, sie vollenden ihren
Lauf, erreichen ihre Ziele, ihr eines Ziel und dann ist dort der Moment, der
Augenblick zu loben und zu preisen. Das Wort des Herrn, aus einem Mund gesagt,
an so vielen Orten, vom Gebet zu Wort an Wort gemacht, schenkt, was es in sich
hat, schenkt, was andere für es erbeten haben und erbeten und sprechen ins Meer
der Worte hinein:
Es schenkt ein Herz, das sich ausrichtet
auf Gottes Liebe und die Geduld Christi, das sich immer neu öffnet dem, was das
Wort verspricht. Es schenkt Treue und Vertrauen, in andere, in sich und in sein
Wort, es hilft zu tun, was das Wort sagt, zu sagen, was zu tun ist. Es schenkt
einen Raum, einen Schutzraum, der gegen Böses, gegen Falsches bewahrt. Es
schenkt, dass wir im Wort die anderen als Brüder und Schwestern sehen, die Wort
an Wort sprechen und betend leben. Es schenkt, dass es in mir und dir lebt,
läuft und nicht enden mag, dass es beflügelt, sein Wort unten Worten ist und
mir das liebste. Amen.