Predigt am 11. Sonntag nach
Trinitatis (27.8.17)
Matthäus 21, 28-32
28 Was meint ihr aber? Es hatte ein Mann zwei Söhne und ging zu dem
ersten und sprach: Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg. 29 Er
antwortete aber und sprach: Ich will nicht. Danach aber reute es ihn, und er
ging hin. 30 Und der Vater ging zum andern Sohn und sagte dasselbe. Der aber
antwortete und sprach: Ja, Herr!, und ging nicht hin.
31 Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan? Sie sprachen: Der
erste. Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren
kommen eher ins Reich Gottes als ihr. 32 Denn Johannes kam zu euch und wies
euch den Weg der Gerechtigkeit, und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner
und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr's saht, reute es euch nicht, sodass ihr
ihm danach geglaubt hättet.
Weitersehen
Jesus sieht auf die zwei Söhne, auf
den Vater in der biblischen Geschichte. Jesus sieht auf die Zöllner und Huren
auf den Straßen in Jerusalem. Jesus sieht auf die Pharisäer und
Schriftgelehrten, dien ihn und Gott fragen. Jesus sieht auf uns, die wir hier sitzen.
Alles Menschen.
Jesus sieht wie Menschen den Willen
Gottes tun. Nichts sehnlicher wünscht er sich. Er sieht sie gehen, aufbrechen,
im Heute Gottes leben und an seiner Wirklichkeit arbeiten. Jesus sieht Menschen
den Weg der Gerechtigkeit gehen, in Frieden zum Frieden, Menschen wie sie im
Gottes Herrlichkeit wandeln, sein Glanz auf ihnen ruht. Jesus sieht Menschen
ins Reich Gottes kommen, nicht nur am Ende ihrer Zeit, sondern schon zu ihren
Lebensaugenblicken sieht er sie auf Gott ihr Leben setzen, seiner Liebe folgen,
alles Wesentliche von ihm bekommen, erfüllt leben. Nichts sehnlicher wünscht
sich Jesus. Er sieht Gottes Weinberg, die uralte und immer neue Erzählung von
Menschen, für die Gott arbeitet, die für Gott arbeiten, die wachsen, Früchte
tragen, die das Leben schmecken und selbst Leben für anderen sind. Nichts
sehnlicher wünscht sich Jesus. Nichts anderes will er sehen.
Tiefer wissen
Jesus weiß: Menschen, wir, sind
gerufen, gerufen von Gott, mit dem Tag ihrer Geburt, jeden Tag neu, immer
wieder, beharrlich. An Menschen ist Gottes Ruf gerichtet, sie sind Gottes Sinn,
Gottes Gegenüber, deren Liebe er sich wünscht, die er liebt. Jesus weiß, Gott
spricht Menschen an, mitten in ihrem Alltag, leise, unüberhörbar. Gottes Wort
gilt ihnen, jenes Wort, das die Welt schuf und schafft, das alles wenden kann,
das tröstet, richtet, Kraft ist. Jesus weiß, wir sind von Gott gemeint,
aufgefordert, gefragt nach unserem Leben, wie wir es leben möchte, zu leben
gedenken, wie wir glauben, dass es auf Gottes Frage eine Antwort sein könnte, wie
wir auf seine Lebensfrage Lebensantwort sind.
Jesus weiß: Menschen fällt ihre
Antwort schwer, sie wissen nicht immer genau, wie auf Gott zu antworten ist,
sie haben viele, zu viele Antwortmöglichkeiten, zu viele Gedanken schwirren
ihnen im Kopf, zu viele Seelen schlagen manchmal in ihrer Brust. Manchmal sind
sie auch viel zu unentschlossen, zu lau, zu wenig geübt im Antworten auf Gott,
zu kleingläubig auch. Manchmal sind sie auch blind, taub für Gott, taub
geworden über all die Jahre, durch zu viel Stimmengewirr der Anderen, durch
sich selbst.
Jesus weiß: Menschen übersehen Gottes
Wegweiser Richtung Leben, sie stolpern furchtbar auf dem Weg der Gerechtigkeit,
sie nehmen seine Verheißungen als Befehle, seine Gebote als Zumutungen, sein
Wille als Möglichkeit, sie verschieben Gottes Heute auf Morgen, scheuen die
Arbeit im Weinberg, verfehlen das Reich Gottes, ohne es zu wissen und
absichtlich, versagen jene ein Antwort auf Gottes Frage nach Leben, nach uns,
bleiben ohne Gottesresonanz. Sie sagen Nein statt Ja.
Zutrauen
Jesus bleibt ihnen aber treu. Er
bleibt bei Ja. Jesus sieht die Menschen und er glaubt an deren Reue, an ihre
wunderbare Kraft. Er weiß um die Reue und er wünscht sie Mensch, uns, dass wir
sie erfahren, erleben, empfinden, daraus leben.
Jesus glaubt an die Reue, an deren
unheimliche Kraft zur Veränderung, zur Umkehr, zum Sinneswandel, er vertraut
darauf, dass die Reue die eigenen Wege anders sehen lässt. Jesus weiß um den
Schmerz, den bitteren Schmerz, der in der Reue wohnt, er weiß, wie Reue sieht,
wie sie zurückblickt und Trauer, Schmerz, Kopfschütteln empfindet über das, was
getan. Jesus glaubt daran, dass in diesem Lebensschmerz, der nicht mehr
rückgängig machen kann, was war, gerade eine Kraft innewohnt, die wieder neu
leben lässt, eine Kraft, die sich selbst vergibt, die um Vergebung bittet, um
Festhalten fleht, um das trotzdem-ich-liebe-dich ringt, auf Neuanfangen hofft.
Jesus weiß, es braucht jenes „Danach“
aus dem die Reue des ersten Sohnes, aus dem die Reue der Menschen wie
herauskommt, wie geboren wird. Jesus weiß, wie lange, wie schwer, wie
unergründlich dieses „Danach“ ist, sein kann. Er weiß, wie wenig Reue gemacht
werden kann, wie sehr im Dunkeln der Schuld sie wohnt, wie sehr sie Gabe, Geschenk
ist, als wende sich einem Tod in Leben. Jesus traut sie uns
zu. Jesus weiß um einen Gott, der selbst der Reue willens und fähig ist, wie
kein anderer, ein Gott, der immer wieder zuschaut, wie Menschen seine Frage
ohne Antwort lassen, ein Gott, in dem Wut und Zorn darüber entsteht, der
vielleicht Böses sinnt, der aber immer wieder Reue über uns empfindet, den wir
reuen und der gnädig, barmherzig, geduldig bleibt und immer wieder wird, ein
Gott, der sich immer wieder für seine Liebe zu uns entscheidet und unbedingt
will, dass am Ende unserer Gedanken, am Ende unserer Tage, am Ende des Leben
wir nicht bereuen, auf seine Lebensfrage mit unserem Leben nicht geantwortet zu
haben. Sondern es taten: Dem Ruf Gottes folgten. Nichts sehnlicher wünscht sich
Jesus. Amen.