Predigt zur Eröffnung der Bibelwoche
2014 in St. Michael (26.1.14)
Und
Zwischen dem Geburtsdatum und dem
Sterbedatum ist ein Strich. Dieser kleine Strich zwischen den Anfangs- und den
Enddaten unseres Lebens ist unser Leben selbst. Es ist das, was zwischen Geburt
und Tod liegt, lebt, geschieht, ist. Es ist das, was beides, Anfang und Ende verbindet,
eigentlich auf stumme ja fast geheimnisvolle Weise. Es ist wie ein großes UND.
Geboren und gestorben. Es steht für die
vielen UNDS in unserem Leben, die sich wie aneinanderreihen, wie verbinden zu
einem, zu unserem Leben. Und manche UNDS sind eher ein ODER, weil sie etwas
verbinden, was kaum miteinander verbunden werden kann, was auseinanderstrebt
oder kaum auszuhalten ist. Und manches UND ist wunderschön, ich UND Du.
In der Bibelwoche, die morgen beginnt,
gehen wir eine Woche lang mit Josef aus dem „alten Testament“ sein Leben
entlang. An vier Abenden folgen wir ihm in sieben Textabschnitten aus seiner
biblischen Geschichte des ersten Mosebuchs. Und in jeder Überschrift zu diesen sieben
Textabschnitten ist von einem UND die Rede: Geliebt und gehasst, geschätzt und
bloßgestellt, gefragt und beauftragt, gefürchtet und mächtig, erkannt und
gnädig, versöhnt und versorgt. Die ersten drei UND-Paare sind gegensätzlich und
zerreißen Josef, stürzen ihn in Unglück: Statt geliebt, geschätzt, gefragt wird
er gehasst, bloßgestellt und vergessen; das vierte UND-Paar bedeutet die
Lebenswende: Josef wird befördert und beauftragt. Und dann erfährt sein Leben
eine zunehmende Vollendung, die UNDS werde immer verbindender bis endlich Josef
in seinem Leben die tragischen UND überwunden hat und alles gut wird:
gefürchtet und mächtig, erkannt und gnädig, versöhnt und versorgt.
So letztendlich geradlinig verläuft
das Leben von Josef, eine Erfolgsgeschichte auf Umwegen, mit glorreichen Ende
und Ziel. Der kleine Strich zwischen Anfang und Ende, zwischen Geburt und Tod
ist letztlich wie ein Strich mit Pfeil nach vorne. Wie schön.
Oder im Kreis
Verläuft so Leben zwischen Anfang und
Ende? Manchmal habe ich das Gefühl, alles ist drin, alles ist fast zu gleicher
Zeit drin. Wie als würden die 7 mal 2 Wörter, die sich bei Josef so geradlinig
auf eine Linie verteilen, als würden diese 14 Wörter wie in einem Kreis liegen,
sein, und dieser Kreis wäre unser Leben und all diese Wörter würde unser Leben
mal da und mal hier seine Gestalt geben, es prägen: mal gehasst, mal versorgt,
mal bloßgestellt, mal gefragt, mal erkannt, mal beauftragt, mal gefürchtet, mal
geliebt.
Und wo genau die UNDS zwischen den
Worten sind, wie sie verbunden sind, ist manchmal undurchsichtig oder lose,
oder es geht wirr hin und her, und irgendwie wird ein Faden durch diese Worte
gesponnen, ein Faden, der unser Leben heißt, der auch reißt und an Punkten quälend
ewig verweilt, bevor einer ihn weiterspinnt.
Von all den 14 Worten sind 12 passiv:
ich werde geliebt, ich werde gehasst, ich werde geschätzt, ich werde
bloßgestellt, ich werde gefragt, ich werde vergessen, ich werde befördert, ich
werde beauftragt, ich werde gefürchtet, ich werde erkannt, ich werde versöhnt,
ich werde versorgt; ich werde gelebt. Ich werde gelebt heißt das. Und es trifft
unsere eigene Erfahrung im Kreis dieser Worte, alle unserer Wort, im Kreis der
Fragen nach unserem Leben: Wie oft erleben wir unser Leben als eines, das
gelebt wird, gelebt wird von anderen, von Bedeutsameren, von der Hektik, von vorgemachten
Erfolgen, von Ansprüchen, von scheinbaren Notwendigkeiten, von guten Absichten und
von Idealen. Nur zwei kleine Worte im ganzen Kreis sind nicht passiv, sondern
ganz aktiv: mächtig und gnädig. Ich bin mächtig. Ich bin gnädig. Diese Beiden
heben sich deutlich heraus.
Kristallisieren
Josef hat sich als beides erfahren.
Er war mächtig und er war gnädig. Er war das eine für das andere. Für ihn ist
zwischen Macht und Gnade kein UND oder ein ODER. Für ihn dient die Macht der
Gnade, eigentlich kaum in Worte auszudrücken, bestenfalls durch einen Doppelpunkt.
MACHT: GNADE. Josef hat seine gewonnene Macht für die Gnade an seinen Brüdern,
letztlich an seinem Volk eingesetzt. Er konnte dank seiner Macht gnädig sein. Und
so machte er das Motto der Bibelwoche wahr: „ … damit wir leben und nicht
sterben.“
Josef hatte aber erlebt, dass seine
Macht und seine Gnade nicht von ihm selbst kommen, sondern ihm letztlich von
Gott gewährt, geschenkt wurden. Er erlebte und wusste: Macht und Gnade, beide
wurzeln in Gott. Gott ist allmächtig und Gott ist gnädig. Aber auch mit
Doppelpunkt dazwischen. Gott setzt seine Macht für seine Gnade ein. Er will und
kann gnädig sein. Und so macht Gott das Motto der Bibelwoche von sich aus immer
und für uns wahr: „… damit wir leben und nicht sterben“.
Mächtig und gnädig sind die im Meer
der 14 und noch mehr Worte im Lebenskreis die sich wie herauskristallisieren,
aktiv, aber im Grunde die aller passivsten: Nicht wir, Gott allein macht
Menschen mächtig und er macht Menschen gnädig. Er bevollmächtigt uns und er
begnadet uns. Wir empfangen. So sind wir mächtig und so sind wir gnädig, und
leben das Motto der Bibelwoche. Wir können von Gott aus zu anderen, zu uns
selbst mächtig und gnädig sein, nicht UND auch nicht ODER oder, sondern mit
Doppelpunkt: Das eine um das anderen willen, mächtig um gnädig zu sein, um der
Menschen willen, gegen Todesworte von Lebensworten sprechen und so für uns und
andere wahr machen „ .. damit wir leben und nicht sterben.“ Amen.