Donnerstag, 23. Juni 2016

Verrücktes Wort vom Kreuz



„Wort vom Kreuz“
Predigt am 5. Sonntag nach Trinitatis (26. Juni 2016)

1. Kor 1, 18-25
Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): »Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.« Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben. Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind.

Heruntergekommen
Das Wort vom Kreuz: Vom Kreuz heruntergekommen, gesagt, gepredigt. Kein Wort über das Kreuz. Es überdenkend, über es redend, sprechen, sinnieren. Wort vom Kreuz. Von dem kommend, ihn in sich tragend, ihn an sich tragend, der da am Kreuz ist. Wort vom Kreuz, das so aussieht, sich anfühlt, gesprochen und gehört wird, wie der, der da hängt am Kreuz. Wort vom Kreuz: gekreuzigtes Wort. Dürres Wort, ausgemergeltes Wort, verspottet, verhöhnt, geschlagen, gefesseltes, nacktes, mit Nägeln durchlöchertes Wort, heruntergekommen.

Verrücktes Wort
Diesem Wort vom Kreuz vertrauen? Sich ihm anvertrauen, sich ihm anbefehlen, mit Leib und Seele, gar sein Leben auf es setzen? In diesem heruntergekommenen, dürren, toten Wort vom Kreuz etwas finden, etwas suchen, von sich, von der Welt und von Gott? Von ihm etwas erwarten, in ihm mehr sehen? Dieses geschlagene, verspottete, nacktes Wort für viel halten, für klug, weise, sinnvoll, zukunftsträchtig, erfolgsversprechend halten?
Kein Wunder: Anderen Worten vertrauen wir mehr, erwarten mehr von ihnen. Sehen mehr in ihnen, lesen Sinn und Wegweisendes an ihnen ab. Anderen Worten vertrauen wir mehr, den Worten, die viel enthalten, die sinnvoll sind, die lebendiger, stärker, klüger, gelehrter, erprobter, bewährter, viel gesprochener, viel versprechender sind. Den anderen Worten vertrauen wir mehr und was und die hinter und in diesen Worten sind. Die sie sprechen und hören.

Verkehrte Welt
Aber nicht diese anderen Worte werden gepredigt, werden weitergesagt, weitergegeben, sondern das heruntergekommene Wort vom Kreuz wird gepredigt, genau dieses dürre, dumme, nackte, ausgelieferte Wort. Und: Es kann gar nicht schön sein. Es kann gar nicht klug daherkommen. Es kann gar nicht glatt und eingängig sein.
Es trägt einen Gott mit und in sich der selbst heruntergekommen ist, vom Himmel in die tiefsten Niederungen menschlichen Lebens, ein Gott, der sich in die Ecken und Winkel des Lebens traut, dorthin kommt, wo es wehtut, ein Gott, der das Verachtete schätzt, das Beschmutzte liebt, das Verlorene sucht, der sich selbst erniedrigt, um bei den Erniedrigten zu sein, an den Rändern, bei den Verstoßenes, bei unseren übelsten Taten und Fragen, in unserem Seelenmorast.
Ein irgendwie verkehrter Gott, der nichts hält von den gewohnten Wegen eines Gottes, der nichts hält und meint von den normalen gewohnten Wegen, wie Menschen sich ihm nähern, zu ihm versuchen zu kommen. Ein Gott, der die gewohnten Welt der Allzu-Mächtigen nicht mag und nicht anerkennt, eine Welt von denen, die meinen, alles von sich aus, mit eigener Kraft zu können und zu ihm zu kommen. Die Gedanken, das Wollen, die Worte von diesen verwirft Gott macht er zunichte. Er kommt selbst herunter, zu diesen und sicher ganz besonders zu denen, die selbst ganz unten sind.
Ein irgendwie verrückter, verkehrter, heruntergekommener Gott mit seinem Wort vom Kreuz. Eines, das notwendig in sich querliegt zu gewöhnlichen Wegen und Denkweisen, ein göttliches Wort, so nackt, dürr, totenbleich es ist, verwirrt, das anstößt, ärgert, pervertiert, verrückt, schwer zu verstehen ist. Eines, das Gott selbst gefällt und nicht gefällt, ein Wort, das Gott nicht, niemals gefällt, weil es gekreuzigt wurde, ein Wort, das Gott gefällt, sein Weg konsequent zu den Menschen zu sein.


Hinaufkommen
Wort vom Kreuz. In dir wohnt die Gotteskraft, die machst selig, schenkst glauben und rufst in deine Gemeinschaft. Du bist töricht und um so viel weiser als alle anderen Worte. Du bist nackt und geschlagen und so viel stärker als alle anderen Worte.
Wort vom Kreuz. Wo sind all die Klugen der Welt, die Schnellerdenken und Alles-Macher, die schlauen Wortanführer und Besser-Durchkommer, die Gewieften und selbsternannte Glückspilze ? Du weißt es. Wo sind wir? Das weißt du auch. Wir, die wir immer auch etwas von diesen anderen in uns tragen, die wir auch selber machen wollen und uns stoßen am Kreuz und es nie ganz verstehen.
Wort vom Kreuz. Du Gotteskraft denen, die selbst am Kreuz sind, die heraufgekommen sind ans Kreuz, an ihr Kreuz, das mitten im Leben steht, heraufgekommen durch eigene Not, selbst dürr, nackt, verlassen und geschlagen, irgendwie lebendig gekreuzigt, heruntergekommen, erniedrigt, ohne Worte mehr, selbst ein stummes Wort vom Kreuz. Auch dort sind wir - manchmal in bestimmten Augenblicken, vielleicht nicht so auffällig, eher tragisch und dramatisch - Welche vom Kreuz. Dort wird das dürre Wort vom Kreuz zur Gotteskraft, zum weisen, still klugen Wort, das von Gottes liebender Gegenwart erzählt, davon, dass Gott bei denen ist, die am Kreuz sind, dass er mitleidet, mitgeht, im selbst sich neigend hinaufsteigt an deren Kreuz und im todschwärzesten Augenblick Wort „Gott“ am Kreuz ist.  Amen.

Samstag, 11. Juni 2016

Kommt gut an



Predigt zum Beginn der Woche der Diakonie (12. 6. 2016)

Gut Ankommen
„Kommt gut an!“ Das wünscht ein Mensch dem anderen, wenn er auf Reisen geht, wenn die Sachen gepackt sind, die letzten Vorbereitungen getroffen sind, dann: Gute Reise, gute Fahrt. Komm gut an. Im Wunsch die Sorge: Wege können gefährlich sein, lange und kurze Wege, es kann immer was passieren. Deswegen: Komm, bitte, gut an, melde dich kurz, dass ich es weiß. Im Wunsch die Bitte, es möge gut enden und gut beginnen, der Weg und das Dortsein.
Gut ankommen. Der Blick ist auf das Ziel gerichtet, auf das, wohin der Weg führen soll, die Reise, die Schritte, die Bahnkilometer. Nach guter Reise ein gutes Ankommen, ein paar erste gute Stunden, sich einfinden, wohl fühlen, mit der Seele mitkommen. Ankommen: kleiner und größerer Moment zwischen „Ich bin gekommen“ und „Ich bleibe dort“. Im Ankommen ist der Weg noch irgendwie gegenwärtig, ist das dort, wo man ankommt, noch zu entdecken, noch zum eigenen zu machen. Im Ankommen halten wir wie inne und bringen uns mit, so wie wir sind.
Angekommen: Wie oft sind wir das irgendwann und irgendwo im Leben. Angekommen in einer neuen Wohnung, angekommen nach kurzer Straßenbahnfahrt, angekommen nach einer Durststrecke im Leben. Angekommen im Leben, in meinem eigenen Leben. Sind wir das? In Momenten, ganz? Schwer zu sagen. Merkwürdig. Angekommen im Leben. Wissen wie es ist: das Leben; was es auf sich hat, wie es tickt? Angekommen bei einem Menschen, dort ganz da sein zu können und zu dürfen, wie ich bin. „Komm gut an.“ Lebenswunsch.

gekommen
Zum Leben gehört Kommen. Es mag ein Wort sein, dass wir im Lauf eines Lebens millionenmal sagen, hören, lesen. Kommen ist anders als die anderen Fortbewegungsarten, Kommen ist nicht gehen, laufen, rennen, fahren. Beim Kommen geht es weniger um das Wie, wie Menschen sich bewegen. Es geht beim Kommen und das Woher und Wohin, um Ursprung und Ziel und um Orte, die unser Leben beschreiben, bestimmen. Und es erinnert grundlegend und bleibend daran, dass wir Kommenden sind als Menschen, zur Welt Kommende und Gekommene. Einmal für immer. Und im Wort „Kommen“ spricht sich so vieles im Leben aus: umkommen, verkommen, überkommen, niederkommen, abkommen, auskommen, übereinkommen, vorkommen, willkommen, Einkommen, vollkommen.
Und Gott kommt auch. Er geht nicht, er läuft nicht, er rennt nicht. Er kommt. Gott ist in sich in Bewegung, in Liebesbewegung und diese innere Liebesbewegung macht Gott zu einem kommenden Gott. Gott bleibt nicht in sich, nicht bei sich. Gott kommt. Sein Sein hat ein Beweggrund, ein Ziel, eine Quelle, eine Absicht, ein Auftrag, eine Bestimmung, ein Sinn: Menschen sind es. Gott kommt zu Menschen, zu uns. Sein ganzes Sein ist Advent, Ankunft, Ankommen bei uns, sein Weg ist Jesus Christus. In ihm kommt das Himmelreich unglaublich nahe. Durch ihn will Gott bei uns ankommen.
Noch mehr: Gott ist angekommen. In unserem Wochenspruch: „Der Menschensohn ist gekommen…“ Mit einem Wozu, mit einem Grund, mit einem Ziel. „Der Menschensohn ist angekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Das ist die göttliche Suchbewegung, wie sie in Jesus Christus uns glaubhaft vor Augen gemalt wird: Gottes Kommen ist ein Suchen, ein bestimmtes, beharrliches Suchen, ja Finden, ja, wo gefunden ein Seligmachen. Wo Gott ankommt, da ist Suche zu Ende, da wird gefunden, ist gefunden, da wird Seligkeit.

Verloren gehen
„Kommt gut an!“ Motto der Woche der Diakonie. Diakonie denkt an Menschen, die in Not sind und Hilfe brauchen. Menschen in Not, bedürftige Menschen, der Zuwendung, der Hilfe, der Unterstützung, der Teilhabe bedürfte Menschen.
Menschen, die irgendwie auch angekommen sind, aber angekommen sind in Notlagen, in der Not: selbstverschuldet, fremdverschuldet, tragisch, nur kurz, ganz lange, an Leib, an Seele. Angekommen in der Not und gar nicht gut angekommen. Angekommen auf der Straße, angekommen in einsamen Wohnungen, angekommen in Heimen, angekommen in Krankenhäuser, angekommen in eigener Not, in Einschränkungen, in Schmerzen, in Hilfslosigkeit, in offenen Fragen.
Angekommen, irgendwie zwischen einfinden, abfinden, sich arrangieren, zwischen geholfen bekommen, sich integrieren sollen, getröstet werden, geheilt werden. „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Angekommen, um gesucht zu werden, damit zu ihnen etwas kommt, bei ihnen etwas, jemand ankommt. Menschen, denen ein Stück vom Leben und mehr, manchmal viel mehr verloren geht, die vom Leben und seinen Möglichkeiten ausgeschlossen werden. Zu denen kommen, dort ankommen, vorsichtig, behutsam, sie teilhaben lassen am Leben, am eigenen Leben, am Leben überhaupt, an seinen Möglichkeiten, an seiner Fülle, selbst zu deren Lebensmöglichkeiten werden. Das Verlorene suchen und wie Jesus Christus Leben bringen.

Gott ankommen
„Kommt gut an.“ Kann auch heißen: „Es kommt gut an.“ Etwas findet Anklang, findet Resonanz, kommt so, dass es das Wort „gut“ nahelegt. Gut ankommen wollen auch Menschen, bei anderen, bei sich, so allgemein. Die wenigsten wollen schlecht ankommen, die meisten gut. Menschen wollen gefallen, wollen geschätzt, geachtet, mit dem, was sie sind, wahrgenommen werden, gut ankommen.
Gott will auch gut ankommen. Mit dem, was er gut nennt. Gott ist gekommen und will ankommen bei uns. Er will, dass wir zu ihm kommen. Wo Gott und wir aufeinandertreffen, ist Gott angekommen bei uns. Ob das immer gut ist? Wo Gott ankommt, kann er aufrütteln, in Frage stellen, irritieren, auf neue Wege setzen. Will es dem Guten für die Menschen, für uns dienen. Gott will gut ankommen, und die Hoffnung ist: Wo dies passiert, sind wir im Leben angekommen.
„Kommt gut an!“ Motto der Woche der Diakonie auch in diesem Sinne: „Es kommt gut an“. „Es“ ist Gott, ist die Fülle, ist dass Menschen einander teilgeben und teilhaben an dem, was Leben ist. Da, wo dies passiert. Da, wo dies geschieht. Da, wo andere Menschen in der Not von Menschen ankommen, dort sind und bleiben, wo sie Gottes Liebes- und Suchbewegung zum Verlorenen hin, zur Welt nachahmen, dort kommt Gott selbst an, kommt er gut, ja sehr gut, ja seligmachend an, dort erfüllt sich der Wunsch, die Bitte auf der einen Lebensreise: „Kommt gut an.“Amen