Samstag, 16. April 2016

Gottes Geburt



Predigt an Jubilate (17.4.16)
"Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren; und jeder, der den liebt, der geboren hat, liebt den, der aus ihm geboren ist. Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote befolgen. Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer. Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube." (1.Jh. 5'1-4)

Gott gebiert sich
Gott setzt sich selbst in die Welt. Gebiert sich sie hinein. Er bleibt nicht bei sich, in sich. Er geht aus sich heraus und setzt sich in Beziehung zur Welt. Aus ganz freien Entschluss. Aus tiefster, in ihm wohnen der und lebendiger Liebe. Er gebiert sich in seinem Sohn in die Welt, entäußert sich und schenkt sich in seine Welt hinein. Gott entbindet sich allem bekannten Göttlichen und entbindet sich in die Welt hinein, gibt sein Göttliches, seinen eingeborenen und geliebten Sohn in die Welt hinein, sichtbar, spürbar, hörbar, annehmbar.
Gott macht sich selbst einen Ursprung, den Ursprung seiner Liebe, er setzt aus sich heraus frei in die Welt und setzt sich der Welt aus bis zum bitteren Ende am Kreuz. Gott macht einen unwiderruflich Anfang mit sich selbst, den Anfang einer bedingungslosen, unbedingten Liebe, die alles und jeden in der Welt, in allen Ecken und Enden, in allen Winkeln und Verkehrtenheiten sucht. Er überspringt, überwindet den sonst unüberwindbaren Graben zwischen Gott und Mensch, zwischen Ihm und Menschen und gebiert sich in Fleisch und Blut, in Zeit und Raum, in Elend und Würde hinein in diese Welt. Bis heute.
Gott gebiert sich: Seinen zuliebst eingeborenen Sohn und mit ihm sich, sein eigenes, sein einziges göttliches Leben, das Leben selbst. Das setzt Gott unter ungeheuerliche Geburtsqualen und Geburtsfreuden in die Welt, in sie und ihr aus. Mit dieser Geburt kommt die Fülle zur Welt und in sie,  die Fülle und ihre Verheißung, das Versprechen und ihre Sehnsucht, Gottes Nähe und Liebe wird uns geboren und geschenkt. In Jesus Christus. Gottesgeburt. Daran wäre zu glauben. Darauf wäre zu vertrauen.

Wir gottgeboren
Gott ist unser Ursprung. Er begründet uns. Er macht mit uns einen Anfang. Mitten, neben und verschränkt mit unserer Geburt, jener durch unsere Mütter und auch Väter an einem ganz bestimmten Zeitpunkt, seitdem wir atmen. Gott schenkt uns aber das Leben, gibt uns Grund zum Leben, fängt uns an. Er macht uns aus sich heraus, ihm gegenüber, von ihm beseelt, gewollt, geliebt und entlassen, entbunden in unserer eigenen Welt.
Gott setzt uns in die Welt, er setzt uns in Beziehung und in Beziehungen, zu uns, unserer Geschichte, zu anderen, zu ihm. Er setzt uns auf Wege, viele und einen, er sieht uns und gibt uns einen Auftrag, eine Bestimmung, einen Sinn, zu suchen, Antwort und Worte zu finden, zu sein, zu leben auf ihn und seinen Lebensgeschenk.
Wir werden nicht aus dem Nichts angefangen, nicht aus einer Laune, nicht aus Zufall oder Fügung. Wir haben ein Woher und Wozu,  ein bestimmtes,  ein ganzes bestimmtes: Gott. Wir haben von Anfang an und zeitlebens ein Jemand, der uns bestimmt hervorgebracht hat, der bleibend uns gegenüber da ist und vor dem wir leben.
Gott gebiert uns in die Welt hinein, von ihm her und auf ihn stets bezogen. Er setzt uns ins Offene hinein, hinaus, ins Werden. In Freiheit. In unsere zu lebende, zu ertragende, zu liebende Geschichte. Hinein gebiert er uns in unsere Wunden und Kämpfe, in Verliebtheit und Verzweiflung, in Schuld und Verstrickung,  in Glanz und Herrlichkeit. Einzigartig. Eingeboren. Wunderbar. Gerufen. Gesandt. Geboren. Wir verdanken uns einer Gottgeburt. Wir verdanken uns Gott. Wir staunen und jubeln leise im Chor der Gottes Kinder.



Entbunden lieben
Menschen so sehen, sich selbst so sehen: von Gottes Liebe geborene, entbundene und zum Leben gerufene. Das müssten wir lieben, diese Sicht, dieses Leben. Lieben uns, die wir von Gott unser Leben haben und gestalten. Lieben die anderen, die ebenso das Leben von Gott haben und gestalten. Lieben ihn, Gott, der uns das Leben schenkt und gestaltet.
Gottes Kinder. Von Gott her und nicht von der Welt. In sie gesetzt, aber nicht von ihr geboren. In sie entbunden, hier zu leben, zu denken, zu planen, zu atmen, zu lieben und zu arbeiten. Entbunden in die Welt,aber gezeugt von Gott von der Welt frei, von ihr entbunden. Von Gott zeitlebens geboren und der Weltentboren. In ihr, aber nicht von ihr, in Gottes Bereich der Liebe, nicht im Machtbereich der Welt, die Welt von  Anfang an entmachtet, machtlos, wirkungslos, aus Gottes Händen immer in seinen Händen.
Frei zu lieben und frei der Liebe zu gehorchen, dem Machtbereich der Welt und dem, was das Leben schädigt, entbunden und zeitlebens hineingeboren in Gottes Liebe und ihr gehorchen, ihr folgen, ihre Gebote tun. Nicht mehr schwer, eher ein leichtes: von Gottes Geburt,  seiner Nähe, seiner Fülle, seiner Sehnsucht nach Leben und uns, von Christus selbst seit Geburt immer getragen. Amen.


Freitag, 1. April 2016

Wunderbare Empfängnis



Predigt an Ostersonntag (27.3.16)

1. Korinther 15, 1-11
Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.
Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.
Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Nicht zu früh geboren
Paulus sieht sich als eine unzeitige Geburt, als eine Fehlgeburt, als jemand, dessen Geburt fehl gelaufen ist, der gar nicht hätte geboren werden wollen, dürfen, ja können. Paulus wird erst geboren durch die Begegnung mit Jesus Christus. Alles vorher, alles andere ist für ihn Fehl, Mangel, ungenügend, ist unzeitig, ist gering, nichts wert. Denn er war alles andere als empfänglich für Jesus Christus. Im Gegenteil: Er verfolgte ihn blind, er suchte den Glauben an ihn zu töten. Und dennoch erscheint ihm Jesus Christus und er sieht ihn.
Wir sind Geborene, von unseren Müttern und auch von unseren Vätern. Wir sind keine Fehlgeburt, noch ist unsere Geburt unzeitig. Genauso wie Paulus und all die anderen können wir Jesus Christus sehen, ihn erscheinen sehen, für uns und in unserem Leben. Für Christus gibt es nicht erste und letzte, Menschen zur Unzeit und zur Zeit, Menschen, die es mehr oder weniger wert wären, die zu gering oder zu hoch wären. Seine Gnade gilt allen, seine Gnade, ihn sehen zu dürfen, im Leben als lebendig zu spüren.
Christus wendet sich Paulus zu. Er erbarmt sich seiner und hebt ihn auf von seiner eigenen Niedrigkeit. Das macht Christus bei allen so. Er ist der, der sich schenkt, der begnadigt, hilft und rettet. Er ist der, der Menschen wie Paulus und uns verbindet, verbindet die Wunden und verbindet mit seiner eigenen Geschichte. Er ist der, der Menschen in seiner Geschichte hineinnimmt, ihnen Anteil gibt an dem, was an und mit ihm geschieht, in seiner Auferstehung zum neuen Leben, in seinem Begraben werden in den Tod, in seinem Sterben für uns. Indem Paulus diesem Christus begegnete, sah er sein Leben in ganz auch schmerzlich,, sein Lebens-Mosaik setzte sich anders zusammen, wurde anders zusammengesetzt: Er sah sich als Sünder, dessen sich Christus erbarmt, dessen Sünden Christus selbst in den Tod nimmt und sterben lässt, so dass ein Neubeginn, eine Neugeburt erst möglich wird.

Empfänglich werden
Jede Geburt ist zu empfangen. Paulus empfängt Jesus Christus. Das ist mehr als sehen, es ist sehen und gesehen werden. Es ist, dass das, was wir empfangen, uns verändert, uns andere werden lässt. Menschen empfangen Geschenke, Nachrichten, Gäste, Gegenstände und Lebendiges; manchmal bleibt das Leben wie vor dem Empfangen, manchmal auch nicht, durch ein Gast kann man Fremdes entdecken, durch eine Nachricht, aufgerüttelt werden. Je mehr das, was wir empfangen, Leben hat, Leben in sich und aus sich trägt, umso mehr wird das Empfangen uns verändern, uns selbst Leben sein.
Jesus Christus wird empfangen, nicht als Toter, nicht als Begrabener, nicht als Gegenstand, sondern als Auferstandener und Lebendiger, als Leben. Das verändert die, die ihn empfangen, die ihn geschenkt bekommen. Das erschließt ihnen Leben selbst, so wie für Paulus. Er empfing Christus, und das blieb ihm nicht äußerlich, sondern gab seinem Leben eine neue Richtung, eine Auferstehung selbst, eine neue Geburt, er wurde geöffnet für Christus, für sein Leben, seine Geschichte, sein Tod, sein Begraben, sein Auferstehen. Paulus nahm das auf, ließ sich davon wie erobern, übernahm es als sein neues Leben.
Wir können das auch. Wir können Christus, den Auferstandenen und Lebendigen, empfangen. Das ist Ostern. Heute und jeden Tag.

Lebendiger Herr
Christus wird von Paulus, und vor ihm schon und nach ihm von Menschen: gesehen, empfangen, verkündigt, gepredigt, weitergegeben, angenommen, geglaubt. Alle menschliche Zeit wird umfasst von dieser Reihe, von dieser Kette von Worten, von Jenen und Diesen, von Akten, von Empfängnissen, von Wunderbarkeiten: Menschen leben davon, dass all dies vorgängig ist, verheißen und erfüllt, gesagt und geglaubt, geschehen und geschenkt. Menschen leben davon, dass als dies sie in eine Zukunft hinausweist, weit hinausweist: dass sie selig werden, Ewigkeit schmecken, in Herrlichkeit leben, Christus wiederkommt. Und Menschen leben davon, dass all dies Gegenwart wird und ist, dass Christus sich jeden Moment und jetzt schenkt, für mich stirbt, für mich begraben wird, für mich aufersteht, für mich lebt, dass er in jeden Augenblick sich schenkt, empfänglich macht und empfangen werden kann als lebendig.
Auf diesem ganzen Weg seiner Gegenwart, durch Vergangenheit und Zukunft hindurch, bringt er sich, seine Worte, seine Sätze, seine Suche, seine Fragen und Antworten, bringt er all das, was an ihm geschieht, was er selbst tat, die Nähe und Gemeinschaft mit ihm und seinem Gott. Auf diesem ganzen Weg der wahrhaft guten Botschaft, des Evangeliums der rettenden Liebe Gottes erscheint er als Person, gewinnt er Gestalt, zeichnet er sich ab und wird sichtbar, können Menschen ihn lebendig sehen und empfangen und weitergeben.
So wie Paulus. So wie wir. Nie unzeitig geboren, sondern zur rechten Zeit, gerade rechtzeitig: Christus schenkt sich, einem jeden von euch, auferstanden und lebendig. Amen.