Dienstag, 30. Dezember 2014

Wo Gottes Herrlichkeit aufleuchtet



Predigt an Neujahr 2015 (1.1.2015) zur Jahreslosung 2015

„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“
 (Römer 15, 7)

Da geschieht Lob Gottes
Die Welt, die Menschen drauf, ist voller Lob, voller Lob Gottes. Nur wir hören, sehen es manchmal nicht. Nicht richtig. Es geht ein wenig unter in all den anderen Tönen, Klängen, Sichtweisen, Fragen, Dunkelheiten. Gott hat alles zusammen geschaffen mit dem Sinn für sich und zu seinem Lob. Seit dem ersten Schöpfungstag liegt auf der Welt und ihrer Menschen Gottes Prädikat, Gottes Sicht auf sie, eine Sicht, die seine Ehre und unser Wohl umfasst, jenes Prädikat vor allem: Es ist sehr gut. Du, Welt bist es. Du, Mensch bist es.
Und Gott sieht immer wieder und immer wieder seine Welt und uns Menschen genau so an, und dort, wo dieser Blick von der Welt und von seinen Menschen erwidert wird, wo seine Liebe unsere Sprache, unsere Tat findet. Dort, wo jenes „Es ist sehr gut“ erfüllt wird, wo es gesehen, gesagt, gelebt wird; dort, wo Menschen ihrer eigenen von Gott zugedachten, göttlichen Bestimmung ansichtig werden, sie in Momenten leben, wo Gottes Herrlichkeit, sein liebevoller Schöpfungswille aufleuchtet, dort ist Lob Gottes.
Dort loben Welt und Menschen Gott, allein durch ihr ihm entsprechendes Dasein, allein dadurch, dass sie wunderbare Antwort auf Gottes Anfrage sind, und dort bricht sich dieses Lob, diese zarte Verherrlichung Gottes in Menschen Leben Bahn, wird still ein Dankgebet gesprochen, singen Menschen zusammen alte Loblieder, reicht ein gewisses Lächeln in den Himmel, taucht ein Moment auf, in dem klar ist, wozu und wohin wir unterwegs sind. In stillen Stunden können wir jenen vollen Lobgesang der Kinder Gottes hören, sehen, ein Teil davon sein.

Ins Licht gestellt
Jesus Christus selbst war uns ist Gottes Lob. Er ist Gottes Antwort auf all seine und unsere Fragen. In seinem Leben, von Anfang bis Ende, liegen Bestimmung und Sinn, Herrlichkeit und Liebe Gottes für seine Menschenkinder. Er ist Gottes wiederholtes und endgültiges Prädikat für alle, jenes „Sehr gut“. Jesus sah und sieht Menschen in diesem Ersten und Letzen Prädikat sein und leben.
Jesus sah und sieht Menschen immer in Gottes Licht, schon immer in seiner Herrlichkeit, in seinem Lob. Jesus kann gar nicht anders. Er weiß um all das Dunkle, Zweifelhafte, um all das Zerrissene, um all das unsere Seelen Durchfurchende, um all die Abgründe, Gemeinheiten, um die Abwege und Irrwege; er hat sie alle am eigenen Leben und Leib erfahren, durchlitten.
Und dennoch sieht er Menschen als solche an, die vom Licht Gottes beschienen sind, in denen sich seine Bestimmung erfüllt, die in sich jenes von Gott gegebene Fünklein voller Liebe tragen. Das will er annehmen, vorab und vorweg. Er sieht immer mehr und für seine Ohren und Augen, für seine Gott erfüllten Sinne schwingt die ganze Welt bis heute in allen Dissonanzen als ein großer Ton des Lobes Gottes.
Es wäre: als nähme er uns an, an sich heran; als nähme er uns, immer wieder da, wo wir sind, leben, tun, lassen sündigen, versuchen, lieben, wie in seine Hände und würde uns - so sehr Gott im Sinn  - in, in dessen Horizont stellen, uns hineinnehmen in Gottes Liebe und ihr Licht, so dass es gar nicht anders geht: An uns leuchten auf etwas von Gottes wunderbarer Herrlichkeit, wir sind Lob Gottes.

Sich herrlich ansehen
Sich selbst und die anderen in diesem Lichte Gottes sehen, verstehen, hören, denken, in ihnen zuerst und immer ein Stück der göttlichen Herrlichkeit annehmen, vermuten wollen, entdecken, suchen. in uns und ihnen sehen, wie Jesus Christus schaut und wie Jesus Christus geschaut wird, seinem Blick folgen und ihn sehen … Das ist alles andere als leicht.
Es ist Aufgabe, Herausforderung, Zumutung.
So vieles mag uns den Blick verstellen, trüben, ablenken, auf uns und andere; so wenig mag sichtbar sein von jener Herrlichkeit, so verzerrt, verdunkelt, so fern, so ungewohnt, so total anders, so unterschieden, mag das sein, was wir sehen, dass wir darin kaum noch etwas, nein gar nichts von Gott, seinem Schöpfungswillen, seiner Bestimmung, dem Licht, der Herrlichkeit, von Lobenswertem sehen, erkennen können.
Und trotzdem dann annehmen, sehen: Wir stehen im Licht Gottes, von Gott dorthin gestellt. Immer wir beide sind von Gott angenommene Geschöpfe. Und trotzdem dann annehmen für den anderen und für mich: Wir sind immer, immer noch und unverrückbar Kinder Gottes. Und trotzdem dann annehmen und einander im Lichte Gottes wahrnehmen, in mir und im anderen Gottes herrliche Liebe lebendig sehen, Christus schemenhaft erblicken, jeder ein kleines wunderbares Stück vom Reich Gottes.

Amen
Und in Stille zu sich, in Worten und Gesten zum anderen Amen sprechen, ja: So sei es. So sind wir, du und ich, bevor wir beide überhaupt wo sind und wann werden; Amen, so ist es: wir von Gottes Liebe beschienene Menschen. Das anerkennen, darin einwilligen: Das ist die einzig legitime Existenzform von uns beiden, jenes „Sehr gut“, jenes, was uns, bevor wir tun und lassen, handeln, annehmen, zögern, zweifeln, mutig sind, schon immer zum Lob füreinander macht. Amen.

Am Tisch



Predigt zum Altjahresabend 2014 (31.12.2014)

Lukas 12, 35-40
Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie. Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Der Tisch des Jahres
Am Tisch sitzen wir. Um zu essen, etwas zu lesen, zu schreiben, zu arbeiten, andere zu treffen, die auch dort sitzen, saßen. Tische haben meistens vier Beine, sind aus Holz, Glas, Chrom. Sie sind vollgestellt, aufgeräumt, haben nach dem Essen immer die gleiche Dekoration; sie wechseln sich ab im Laufe unseres Lebens, früher saßen wir am Tisch der Eltern, dann kauften wir die ersten eigenen und jetzt nehmen vielleicht die Enkel Platz daran, oder nur wir selber.
Tisch ist immer Ort unseres Lebens, einer von vielen. Er ist Ort für Gespräche, Begegnung, Streit, für ein Glas Rotwein, eine Tasse Kaffee, Tischsets und Adventskranz; an ihm spielen manche Szenen unsres Lebens, wir verbinden sie mit denen, die auch am Tisch saßen, mit uns, mit dem, was gesagt, gesprochen wurde, was geschah, was ausblieb, was da war, ist. Irgendwie ist Tisch auch alltägliches Spiegelbild unseres Lebens.
Wie sah unser Tisch im vergehenden Jahr aus? Ist es immer noch der gleiche, hat er sich verändert? Ist er neu, an einem neuen Ort, ist er alt, Kontinuität? Saßen und sitzen die gleichen Menschen am Tisch, oder sind welche dazu gekommen oder gegangen. Als wer saß ich am Tisch in diesem Jahr? Mit welchen Gedanken, Worten, Vorhaben, Plänen, Hoffnungen, Schmerzen saß ich, saßen wir da?
Was hat das Jahr 2014 mir auf den Lebens-Tisch gestellt, gelegt? Was hat dieses vergehende Jahr mir vielleicht vom Tisch genommen, weggenommen, und vielleicht neu hingestellt? Irgendwie sammelt sich alles auf diesem Lebens-Tisch, das, was da ist, was weg ist, nur noch da als Fehlendes, als Verlorenes, was war, geschah, ausblieb, erwünscht wurde, eintrat, all die Menschen, irgendwie unsichtbar, all die Tage, Nächte, Stunden, an meinem Lebens-Tisch.

Auf das Wesentliche warten
Das Wesentliche im Leben haben wir vielleicht gerade nicht in der Hand. Wir können es nur schwer, eigentlich kaum bestimmen. Es kommt, oder bleibt aus, es tritt ein, ereignet sich, begegnet. Oder nicht. Es entzieht sich uns. Das Wesentliche, das, was unserem Leben seinen Glanz, seine Tiefe, sein Reichtum, sein Recht gibt, ist größer als wir; nicht wir es, sondern es erfüllt, verstört, verändert, bestimmt uns.
Auf das Wesentliche warten wir, anders können wir nicht. Wir warten, dass es kommen mag. Wir warten viel, immer wieder, und auf das meiste, was wir warten, warten wir bestimmt, wir wissen, es kommt, es kommt zu diesem oder jenem Zeitpunkt, an jenen oder diesen Ort, wir warten genau bis es da ist, manchmal kommt es später, und wir vertreiben uns die Zeit; mal früher und wir sind ein bisschen überrascht. Aber im Grund wissen wir wann es kommt.
Es ist, wie in guter Routine, einen Tisch decken, wissen, bestimmen, wo was hinzustellen ist, wer da sitzen wird, was da sein wird am Tisch.
Das Wesentliche aber erhoffen wir, wir vertrauen darauf, dass es zu uns kommt, verzweifeln, wenn es ausbleibt, lieben es herbei, sind erfüllt, wenn es da ist. Auf das Wesentliche warten wir sehnsüchtig, wir harren auf sein Kommen, auf den Moment, wo es uns das zu geben vermag, was wir wesentlich im Leben zum Leben brauchen. Wie die Angst vor dem Furchtbaren, ist das Sehnen nach dem Wunderbaren ein Harren, ein Harren auf das, was kommt, ein Harren, das uns bestimmt, ein Ausstrecken, ein zartes Öffnen, ein eigenes Da-Sein, Bereit-sein. Wie der Tod kann das Leben jederzeit sich ereignen, uns begegnen, und da wo wir darum wissen, dass das so ist, sind wir schon bereit beide zu empfangen.

Von Gott gedeckt
Plötzlich, unerwartet erwartet, wird unser Lebens-Tisch zu Gottes Lebens-Tisch, wird unser Tisch 2014 zu seinem. Gott hat sich selbst darauf vorbereitet, er hat es vorgehabt; er hat dieses Jahr als seines gesehen. Gott selbst kommt zu unserem Tisch, er hat, als wir auftaten, angeklopft. Er tritt in unser Leben, wird ihm gegenwärtig, als sei es unseres und sei es seines, er kommt in Liebe in sein Eigentum, um uns mit sich zu erfüllen.
Unser Lebens-Tisch, unser Tisch 2014 wird zu seinem Ort, zum Ort des Lebens-Notwendigen, des Wesentlichen zum Leben. Wo wir wartetet, da waren wir schon längst von ihm eingeladen und gerufen Wo wir uns mühten, unser Leben, unser Jahr so gut wie es nur irgendwie ging gut zu machen, war er schon längst unser Gastgeber und wir seine Gäste. Wo wir über unseren Lebens-Tisch den Kopf zerbrechen, Fragen haben, das Jahr wenden und drehen und ihm etwas am Ende abringen, wo wir uns über Gutes freuen, über Schuld beschämt sind, über Zugefügtes weinen, dient er uns schon, dient er uns und verwandelt unseren Tisch in seinen Tisch, an dem er sitzt, Platz genommen hat, an dem er schon immer mit uns saß als unsichtbarer Tischgenosse.
Es ist unerwartet sein Lebens-Tisch, sein Jahr 2014. Das, was wir schon immer erwarteten, was es immer schon war. Und er deckt ihn neu. Wir werden wieder an Tischen sitzen, an eigenen, an fremden, verändert, alt, an leeren, an vollen, an welchem mit Schuld und Glaube mit geliebten und gleichgültigen Menschen, mit Wundern, die wir erwarten, und Liebe, die uns begegnet. Gott wird genau diesen Lebens-Tisch 2015, so Hoffnung an der Wende der Jahre, neu decken, mit dem, was wesentlich ist:
Mit Nahrhaften für die Seele, dem Vorgeschmack auf sein Reich und mit einem Bissen täglich Brot, dass wir leben. Amen.

Dienstag, 23. Dezember 2014

Ausgetragen



Predigt am 1. Christtag 2014 (25.12.2014)

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Getragen
Maria trägt Jesus. Ihr Gesicht ganz versunken, ihr Blick auf das, was sie trägt, wohin sie es trägt. Ihr Gesicht zart, rein, leicht vom Mondlicht beschienen. Ihr Blick trägt etwas Trauriges, etwas dunkel Wissendes, ist voller Worte ihres Gottes, der sie aus der Niedrigkeit aufgehoben hat. Ihre Hände, leicht rot, blutig vom Weg durch die Dornen, hat sie an ihrem Körper gelegt, schwer wankend ihr Schritt. Ihre Hände halten Kostbares fest, ihre eine Hand liegt auf ihrem Herzen, die andere umschließt ihren Bauch. Sie umhüllt, schützt, berührt, trägt Jesus.
Ob Maria schwanger das noch Ungeborene im Bauch und unter dem Herzen trägt. Oder ob Maria den frisch geborenen, ganz kleinen Jesus auf den Armen unter dem Mantel trägt, ist nicht zu sehen, zu entscheiden: geht Maria vor oder nach der Geburt Jesu mit ihm durch den Dornwald? Das Bild lässt es offen. Es lässt offen, wo wir, die es anschauen und in Händen tragen, uns hineinversetzen wollen, wo wir gerade stehen; es versetzt uns fast zeitlos zwischen die Zeiten: vor der Geburt, nach der Geburt Jesu, in die Zeit seiner Dornen an Karfreitag.
Wo stehen wir gerade mit Jesus? Wir feierten Heiligen Abend. Wir tragen Jesus irgendwie mit uns. Unter dem Herzen? Unter einem Mantel? Wir tragen ihn irgendwie mit uns; vielleicht ähnlich der Maria: wollen ihn eigentümlich gebrochen wie ganz Kostbares berühren, nah an uns, es schützen, uns bewahren. Unsere Gesichter und unsere Hände sind andere, und doch könnten sie wie Maria Jesus in uns tragen. Wohin?

Dornen
Maria geht durch einen Dornwald. In der Nacht, nur leicht scheint ihr das Mondlicht. Das Blau ihres schützenden Mantels verschwimmt mit dem etwas dunkleren Blau der Nacht, beide verschmelzen. Dunkel. Fast unheimlich. Maria geht durch das Gestrüpp, das Dickicht. Es ist für sie ein unwegsamer Weg, ein unwirtlicher Ort. Sie verfängt sich mit ihrem Mantel, sie sticht sich an den Dornen, tut sich wehr, verletzt sich. Sieben Jahre hat der Dornwald kein Laub getragen, singen wir nachher im Lied. Sieben Jahre ohne Laub, ohne Blätter, ohne Frucht, sieben Jahre ohne Leben, lange Zeit leblos, tot.
Dornwaldwege sind auch unsere, im Dickicht des Lebens verfangen, sich verletzen, furchtbare unwegsame Wege gehen, zur Nacht, unsicher, irgendwie mitten im Leben leblose Wege, ein unwirtliches Leben. In der einen Heiligen Nacht wohnen auch all unsere Nächte, die Lebens-Nächte, mit ihrer Seelendunkelheit.
Für Maria ist klar: Sie wird es nicht schaffen. Sie wird ihren Jesus nicht durch den Dornwald, an den Dornen unverletzt, unbeschädigt vorbei bringen. Ihr Kind im Arm wird größer werden, wird sich an dem Arm der Mächtigen stoßen, wird gefangen genommen, verhört, ihm werden Dornen den Kopf blutig stechen. Ihr Kind im Arm wird als Erwachsener gekreuzigt und wird sterben. Daran kann Maria nichts ändern, gar nichts, so sehr sie auch im Dornwald sich müht. Vielleicht trägt deswegen ihr Gesicht, ihr Blick den Schatten der Trauer.

Rosen
Da haben die Dornen Rosen getragen. Singen wir nachher und sehen wir auf dem Bild. Schon immer. Blühen die Rosen auf durch die Berührung Marias, in jenem Augenblick, in dem sie vorübergeht? Die Dornen blühen nicht. Sie tragen die Rosen. Sie bleiben Dornen, aber sie tragen wie ein zweites Wesen Rosen, Rosen, die aufgeblüht sind. So nah sind Schmerz und Herrlichkeit.
Die Rosen im Vordergrund sind größer gemalt, die im Hintergrund kleiner gemalt, in Wirklichkeit sind sie alle gleich groß, sie bahnen Maria den Weg durch das Dickicht, sie bahnen ihr den Weg, machen ihren unwegsamen Pfad zu einem gangbaren Weg. Das ist das Wunder. Eigentlich war das Lied, das wir gleich singen, ein Wallfahrtslied. Maria und Jesus gehen ihren Weg durch den Dornwald, unbeschadet. Das Mondlicht bescheint beide und zeigt sanft den Weg an. Maria sieht ihn froh-traurig. Wie ein kleines schützendes Dach neigen sich die Dornenrosen leicht ineinander und bergen Maria wie in einem angedeuteten Bogen.
Was auf dem Weg wirklich erblüht, ist das Leben Jesu. So wie es das Lied „Maria durch ein Dornwald ging“ besingt: Wie wird sein Name sein? Christus. Wer wird ihn taufen? Johannes. Was ist sein Patengeschenk? der Himmel und die ganze Welt. Wer erlöst die Welt allein? das Christkindlein. Das ist das eigentliche wirkliche Wunder. Es ist ein Weihnachtsbild, das Karfreitag und Ostern predigt und uns die Erlösung sagt.

Wunderbarer Tausch
Christus bahnt den Weg durch den Dornwald. Als Christkindlein erlöst er die Welt. Aus einem leblosen, toten Lebens-Dickicht, aus einem dunklen Nachtweg erblüht das Leben, kommen Menschen, wir durch unsere Lebens-Dornwälder, werden von Bösen erlöst und uns blüht das Leben. Das Rosa zusammen mit den Hellblauen künden davon. Sie zeugen von anbrechender, aufbrechender Lebendigkeit, von der tiefen Sehnsucht nach einem neugeborenen Leben. Die des Kindes und die von uns.
Das, was Maria im Herzen, als noch Ungeborenes unter dem Herzen, als Lebendiges geborgen unter dem Mantel ganz nah bei sich durch Dornen und Gestrüpp trägt, das trägt sie. Das Christkindlein, Christus, der sich unserer erbarmt und uns zum Leben befreit, trägt sie, trägt sie durch eigenes Dickicht. Ein wunderbarer Tausch.
Das, was wir nach dem Heiligen Abend wie auch immer von Jesus in uns tragen, in uns bewahren wollen, das trägt uns. Ein wahrlich weihnachtlich wunderbarer Tausch. Christus trägt uns mit unserem noch nicht geborenen, aber schon lebendigen Leben durch alle schlimmen Widerfahrnisse, Dunkelstunden hindurch und schenkt uns in Liebe sein, unser Leben: Kyrieleison. Jesus und wir. Amen.

Über-Lichtet



Predigt zur Christmette 2014 (24.12.2014)

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Morgendämmerung
Auf den ersten Blick, deutlich: Ein Wald und ein See. Dunkel, fast schwarz, nur in Umrissen sichtbar, aber klar erkennbar, ein Stück Natur, ein Stück Natur in der Morgendämmerung. Noch liegt dieser Welt-Abschnitt im Dunkeln, in der Nacht, im Schatten, aber die Sonne, das Licht kündigen sich an, geht auf, langsam. Stille. Das Licht kommt. Die Nacht weicht
Die Nacht aller Nächte. Vielleicht. Heiligabend jetzt. Deutlich Nacht. Bald Halbelf. Und doch Morgendämmerung, nicht außen, innen, in uns. Götterdämmerung. Wir kommen zur Nacht hierher und wir erwarten, erhoffen, wünschen uns ein Stück vom Licht, Licht, dass unsere Nächte, Lebens-Nächte weichen, das Dunkle, die Schatten in unserem Leben.
Unsere Lebens-Nächte sind in jener einen Nacht, in jener heiligen Nacht; unsere Lebensnächte, wundgeweint, verletzt, schuldbeladen, zerbrochen, unsicher, bedürftig, arm, lichthungrig. Unsere Lebensnächte sind in jener heiligen Nacht und damit gehen sie dem Licht entgegen, dass es uns scheine, aufgehe, sich kündet als stille unsere Lebens-Rettung.

Überblendet
Schaut man genau hin, konzentriert, dann wird sichtbar: Das eigentliche, das eine Bild ist überblendet, überzeichnet mit einem zweiten Bild. Beide Bilder sind ineinander verschoben, miteinander verwoben, merkwürdig verschmolzen, sind füreinander transparent, durchsichtig, als gehören sie irgendwie zusammen, das künstliche und das natürliche, Natur und Menschenwesen.
Heiligabend: Gott überblendet die Welt zart mit sich, er zeichnet sich und seine Liebe ein in diese Welt, Welt wird durchsichtig und transparent auf ihn hin, er auf uns; beides gerät ineinander, verschmilzt: Himmel und Erde, Gott und Mensch; Gott wird menschlich und Mensch wird göttlich.
Das zweite Bild oben links zeigt eine andere Welt, vielleicht fremder, abgehoben. Kleine Wesen und eine Erwachsene, Maria und Jesus mit Engeln. Die Engel singen, schauen, Maria und Jesus blicken, zart, hinunter, ihr Blick geht herab auf die Welt. Der Himmel wird dabei heiliger, wie eine kleine heilige Fatamorgana im Himmel, die aber zur Quelle auf Erden werden kann. Das Bild der Engel, von Maria und Jesus, das kleine Weihnachten, wird beschienen von der aufgehenden Sonne, vom Licht, bekommt die ersten Strahlen ab, und wird selbst zum Licht, ist dem Licht ganz nah und es scheint, als bräche mit ihnen, mit Jesus, Maria und den kleinen singenden Engeln das Licht für die an, herein, die in Lebens-Nächten sind.

Sich spiegeln
Auf dem Bild: Das anbrechende Licht, der lila-schwarze Himmel spiegeln sich im See. Ganz normal. So wie wir uns Millionen Mal spiegeln, im Spiegel morgens und abends, zufällig in einer großen Pfütze, vielleicht andächtig still am Rand eines stillen Wassers. Im Spiegeln sehen wir uns, so wie wir sind, oder wie wir erscheinen, uns erscheinen. Eine nette kleine Antwort auf die große Frage: Wer bin ich? Im Spiegel beziehen wir uns für kleine Zeiten auf uns, berühren uns wie indirekt.
Jeder Heilige Abend ist wie ein großer Spiegel, in dem wir uns spiegeln können, ein Stück von uns erkennen können, jedes Jahr, all unsere Jahre, im Laufe eines Lebens, jedes Jahr neu, anders. Was entdecken wir von uns im Heiligen Abend? Im heiligen Kind, in Maria und Josef, den Hirten, der Krippe, den Worten und Geschichten?
Maria, die Engel und der kleine Jesus, aus unserem Bild links oben, die müssten sich eigentlich im Wasser des Sees auch spiegeln. Sie tun es aber nicht. Merkwürdig, widersprüchlich, wunderbar. Wenn das uns passieren würde, morgens im Spiegel. Wir schauen näher hin: Statt sich zu spiegeln, sehen wir von Maria und Jesus einfach deren Verlängerung, deren natürliche Fortsetzung. Wir sehen, wie Maria das Bein, den Fuß von Jesus ganz leicht, ganz zart mit ihrer Hand berührt, und dann geht unser Blick nach oben und wir entdecken neu oder stärker, wie Jesus innig seine Arme um den Hals von Maria legt und Maria Gottes Sohn zart in Armen hält. Beide ineinander werden zum einen Zeichen der zarten Berührung Gottes; wie Gott in jener Heiligen Nacht seine Welt und Menschen zart berührt.

in Liebe verlängert
Wir spiegeln uns immer wieder. In Spiegeln aus Glas, in anderen Menschen, in Gott. Manchmal erkennen wir uns und lächeln zart, manchmal sind wir uns furchtbar fremd und dunkel, fast wie in einer ganz eigenen Nacht. Als heilige Momente der eigenen Morgendämmerung, als zarte Augenblicke, in denen Gottes Licht und seine Liebe behutsam in unser Leben anbricht, mögen wir, wenn wir uns spiegeln, manchmal auch mehr sehen:
Wir mögen heiligabendgleich sehen, wie wir uns nicht spiegeln, wie wir einfach über uns selbst hinaus verlängert werden. Unsere Verlängerung ist wie im Bild eine zarte Berührung, eine zarte Berührung Gottes: Wie ER uns ganz zart in Liebe berührt, verlängert.
In unserer eigenen Verlängerung zart berührt und geliebt werden wir auf wunderbare Weise ganz, vollständig, mehr, werden wir eingereiht in Himmel und Engelhaftes, verschmelzen unsere Welt mit Gottes, unser Leben mit seinem, werden beide aufeinander durchsichtig, rückt er uns ans Licht, wird alles Dunkle, Nachtähnliche in uns von IHM über-lichtet, werden wir zart geliebtes Teil seines Geheimnisses der Welt. Amen.