Predigt an Septuagesimae (17. Februar
2019)
Prediger 7, 15-18
15 Dies alles hab ich gesehen in den Tagen meines eitlen Lebens: Da ist
ein Gerechter, der geht zugrunde in seiner Gerechtigkeit, und da ist ein
Gottloser, der lebt lange in seiner Bosheit. 16 Sei nicht allzu gerecht und
nicht allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest. 17 Sei nicht allzu
gottlos und sei kein Tor, damit du nicht stirbst vor deiner Zeit. 18 Es ist
gut, wenn du dich an das eine hältst und auch jenes nicht aus der Hand lässt;
denn wer Gott fürchtet, der entgeht dem allen.
Pass bitte auf
Pass auf dich auf. Das sagen Liebende
zu einander. Wenn der eine aus der Tür geht, der andere bleibt. Pass auf dich
auf. Das sagen Menschen und denken sie. Sie wissen, dass immer etwas passieren
kann, nicht immer, aber sie haben erfahren, es kann etwas passieren. Sie
wissen: Menschen sind gefährdet, ihnen kann etwas passieren, sie können sich
verletzten, zu Schaden kommen, nicht mehr heim kommen. Pass auf dich auf, ist
eine Bitte, ein Wunsch, mit Worten gesagt, mit Gesten, in der Stille der Räume,
im Blick aus dem Fenster. Vermischt, manchmal bestimmt von Sorgen, von Angst,
von schlimmen Erfahrungen, eigenen, gehörten, anwesenden.
Wie kann ich das tun, auf mich
aufpassen? Auf andere aufpassen, das kann ich, kann ich vielleicht. Sie an die
Hand nehmen, wirklich und in Gedanken, für sie beten, ihnen sagen, worauf sie
aufpassen müssen, sie von was abhalten, vor etwas bewahren, sie mit Kräften und
Umsicht schützen. Dass ja nichts passiert. Aber wie kann ich auf mich selbst
aufpassen, dass mir nichts passiert, dass ich auch der mir gemeinten Bitte,
pass auf dich auf, folge? Ich kann versuchen, Gefahren zu kennen, einzuschätzen
und zu vermeiden, ich kann hinschauen, mich hüten, aufmerksam, bewusst, nie
Kopflos sein, selber darum bitten und beten.
Sich Fernhalten
Pass auf dein Leben auf. So als
ganzes. Insgesamt. Im Leben auf sein Leben aufpassen. Das versucht unser Bibeltext.
Auf seine Weise. Der Prediger schaut in Distanz, mit Abstand auf sein Leben,
vielleicht ist das der erste Versuch, sich selbst zu schützen. Sich nicht so
reinziehen zu lassen, mit nehmen zu lassen, versuchen sich etwas fernzuhalten,
auf Distanz. Der Prediger sieht und hat erfahren: Das Leben ist vergeblich,
vergänglich, eitel, brüchig, ein Windhauch. Er hat gesehen und erfahren: Es
gibt keine Sinn-Logik des Lebens, die Gerechten gehen zugrunde, die Gottlosen
leben gut. Der Prediger denkt sich: Man weiß nie, sieht Willkür, fragt sich,
wie er dann auf sein Leben aufpassen soll, aufpassen kann.
Er denkt sich: Suche den Mittelweg,
sei nicht „allzu“, nicht allzu das eine oder das andere, so erwischt es dich
vielleicht nicht. Oder sei beides, sowohl als auch, dann bleibst du vielleicht
auch verschont. Er denkt sich, wenn ich die Extreme vermeide, wenn ich von
allem ein bisschen bin, wenn ich nicht allzu das eine oder das andere bin,
sondern wenn ich mich maßvoll, kontrolliert, irgendwie dazwischen bewege, lebe,
in jener Distanz zum Leben mich ihm irgendwie fernhalte, dann kann ich auf mich
aufpassen, dann kann ich mich vor dem Windhauch, der Vergänglichkeit, vor der
Willkür des Augenblickes einigermaßen schützen.
Auf Gott achten
Und unser Bibeltext, unser Prediger
sagt uns: Passt auf Gott auf. Um auf dich und dein Leben aufzupassen. Sei gottesfürchtig.
Auf Gott aufpassen. Wie können wir das? Wir können es nicht. Dürfen es nicht. Und
wir können es doch. Wir sollen es. Wir können aufpassen, an ihn zu denken, mit
ihm zu rechnen. Wir können aufpassen, dass er uns nicht verschwindet im Leben,
dass wir gottnah sind und bleiben. Wir können darauf achten, dass wir am Morgen
Gott im Sinn haben, am Abend zu ihm beten, dass unser Tag von ihm gefüllt sein
will. Wir können ihn einbeziehen, uns versuchen rückzukoppeln an ihn, daran,
dass wir getauft sind, von ihm gesucht und gewollt werden, wir können uns an
ihn erinnern, erinnern lassen, wir können Gottesorte aufsuchen,
Verheißungspunkte. Wir können eine innere Haltung einnehmen, die Gott Respekt
zollt, Abstand wahrt, ihm das Seine reserviert, und uns Gehorsam abzwingen, wir
können zu ihm hochschauen, das ihm Wohlgefällige suchen, Demut zeigen, ihn
lieben, gottesfürchtig sein, auf ihn aufpassen.
Und in all dem spüren, hoffen, beten:
Gott passt auf uns auf. Ein kleiner Schritt weiter gehen als der Prediger, eine
Erfahrung entscheidend mehr: Gott passt auf uns auf. Das Leben ist nicht eitel,
nicht Windhauch, nicht nur vergänglich und vergeblich, ohne innere Sinnlogik.
Das alles auch und manchmal erdrückend und erschreckend. Das Leben ist aber
auch anders und Gott ist auch anders: Er ist nahe, leidenschaftlich, leidet
mit; er führt, begleitet, ringt, liebt. Er passt auf uns auf. Mit dem Prediger
vielleicht auch jenes Allzu meiden, aufpassen, nicht extrem leben, eher in der
Mitte, ja manchmal auch bescheiden mittelmäßig. Aber auch aufpassen, auf sich,
auf Gott und auf die anderen, auch nahe sein, sich dort hin bewegen, wo die
Extreme sind, wo es weh tut, wo es nicht bequem ist, wo Menschen allzu sehr,
allzu notwendig für das Leben anderer Menschen eintreten müssen, wo die
Ehrfurcht vorm göttlichen Leben in allen zum Einsatz dafür wird, wo alle aufeinander
aufpassen.
Nicht zugrundegehen
Und all das, damit nichts passiert,
auch wenn wir wissen, erfahren, erleiden, dass immer etwas passiert. Aber eben
nicht aufgeben. Nicht daran verzweifeln. Gott vertrauen, dass er auf uns aufpasst
und wir in Gottesfurcht aufeinander. Damit das nicht passiert, was der Prediger
befürchtet: dass Menschen zugrundegehen, in Bosheit anderen zuleid leben, dass
sie sterben vor ihrer Zeit, dass die Verbindung zwischen unserem gemeinsamen Leben
wie abreißt. Dem allen entgehen, im Leben verschont bleiben, auf das Leben,
sich und Gott aufpassen. Darum bitten: Gott, pass gut auf uns. Amen.