Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis
(30. Juli 2017)
Johannes 6, 30-36
Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und
dir glauben? Was wirkst du? Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie
geschrieben steht (Psalm 78,24): »Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.« Da
sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch
das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom
Himmel. Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt
das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. Jesus
aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird
nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Brot in der Hand
Im Bauch unten ein Stück Brot,
helles, dunkles, zerkaut, klein gemacht. Mehr davon, mehr Stücke füllen den
Bauch mit sich, mit Brot. Brot – geschnitten: fein säuberlich in Scheiben, mit
der Maschine, mit dem Messer in der eigenen Hand. Auf den Teller gelegt: Mit
großen Hunger, aus Gewohnheit, weil es halbsieben am Morgen ist oder sechs Uhr
am Abend; mit anderen am Tisch oder ganz allein, dann mit der Vergangenheit am
Tisch die anderen, die ihr Brot mit uns schmierten, aßen, schluckten. Brot – belegt:
schnell, flüchtig, routiniert, mit Bedacht, ausgesucht, mit anderen Stücken
Lebensmittel, so zurechtgemacht, wie wir es mögen, vielleicht lieben. Menschen
beißen in Brot, schmecken, schlucken.
Für Brot anstehen, eine lange
Schlange, vielleicht früher, früher als Brot wenig war, als Menschen in
Krisenzeiten Hunger hatten nach ihren Bissen Brot. Heute nur manchmal anstehen,
samstags vielleicht, länger Zeit zu schauen, ungeduldig zu warten. Aus
unzähligen Sorten aussuchen, überlegen, welches Brot soll es heute sein. Das
Brot in eine Tüte geschoben wird dann getauscht gegen ein paar Münzen Geld, ein
Stück Leben gegen das, was wir in Geldbeuteln, auf Konten sammeln.
Mit Brot im Gepäck, im Einkaufskorb,
in der Tasche wieder nachhause, wieder zurück, kurze, längere Wege;
wahrscheinlich millionenmal so gegangen, ohne weiteres zu denken. Daheim: Das
Brot ausgepackt, vielleicht unter all den anderen Dingen, vielleicht beiseite
gelegt bis zum nächsten Tag, das tägliche Brot, herausgeholt aus dem, wo wir es
aufbewahren, den Staub leicht als Wolkennebel auf der Küchenarbeitsplatte, das
Korn verstreut daneben, das Brot in der Hand, in meiner, deiner Hand. Was will
es sein? Was kann es sein?
Wach geküsst
Kann es Erinnerung sein? Erinnerung
an mehr? Ruft es etwas wach, was in ihm liegt, was in ihm irgendwie zu hören,
zu sehen ist? Vielleicht:
Eine Sehnsucht nach Leben,
unbestimmt, vage, ein Schmerz vielleicht auch. Eine Sehnsucht nach Leben, nach
Bekommen, nach Leben dürfen, nach dem Notwenigen und Wichtigen, was nährt, was
erhält, was bewahrt. Erinnert an Hunger, an Hunger nach Leben, nach Liebe, nach
Gemeinschaft, nach Zuwendung, nach Ankommen und Daheimsein. Erinnert an die
Momente, wo wir satt werden an unseren Seele, wo wir spüren und leben, warum
wir leben, wozu und für wen; Momente, wo wir satt werden im Herzen, übervoll
von Liebe, die uns jemand gibt, die wir jemanden geben; satt, still, selig.
Erinnert an den Schmerz, dass der Hunger wiederkommt, die Liebe nicht bleibt,
das Herz hasst, die Seele verletzt wird, das Leben sich weiterlebt, sich
manchmal wie verlebt, vergilbt, Schatten wirft.
Erinnert Brot in der Hand an das, was
wirklich nährt, uns nährt am Leben, und die eine Frage nährt, wie wir satt
werden, wer uns diese Sehnsucht stillt, wer uns Brot in den Lebenshunger gibt.
Herr, gib. Ich komme. Ich nehme. Ich, Mensch, bin Sehnsucht. Du, Herr, bist
Antwort. Es kann mehr sein als Brot, so sehr es nur Brot ist. Es kann mehr
werden als Brot, es kann uns Hinweis, Zeichen, Erinnerung, stiller Ruf sein. Es
kann Brot werden auf unserer Wüstenwanderung durch die dürren Seelentäler, das,
was uns am Leben hält; es kann Himmelsbrot werden für unser Leben auf Erden,
etwas, was uns den Himmel in uns wach hält, unsere Seele bewahrt, uns der Liebe
des himmlischen Vaters versichert, auch in dunkelster Zeit. Finsternis ist dann
Licht.
Es kann uns Jesus Christus begegnen:
Anders zurück
Mehr sein als Brot, Brot in der Hand,
den Kopf, das Herz und die Seele woanders, erinnert, wach, präsent für seine
Verheißung, für die Zusage seiner Gegenwart mitten in unsere alltäglichen Welt.
Im ganz täglichen Brot wird uns der Blick, der Sinn geöffnet für ihn. Für sein
unendlich nahes „Ich bin“, dafür, dass ER die Seelennahrung für uns sein will,
das Leben im Leben, die Lebensmitte in allem Kommen und Gehen, Werden und
Vergehen, Verzweifeln und Glücklichsein.
Sein „Ich bin“, das alle Zeit
überdauert. Das nie „Ich war“ meint, das nie ein „Ich werde nicht mehr sein“
sein kann. Ein „Ich bin“, das Menschen erfahren, erleben dürfen, das ihnen
begegnet und allen Hunger nach Leben stillt, die Angst nimmt, Geborgenheit
schenkt, gibt, von dem sie täglich leben können. Ein „Ich bin“, das Antwort
wird auf die wichtigsten, nicht gestellten Fragen, Antwort auf eigene Schuld
und erlittenes Leid von Menschenkindern, eine Antwort auf der Menschen „Wer bin
ich?“. Dein bin ich.
Antwort auf unser „Ich bin“, das wir
seit wir denken und dann sprechen können, sagen, immer mit der Stimme, die wir
im Lauf der Zeiten haben, mit der Seele, die in uns liegt, mit dem Sinn, der
uns gegeben, genommen wird, unser „ich bin …“ dem so viele Worte, Sätze,
Bedeutungen, Zeiten, Räume folgen, die uns bezeichnen, ausmachen, in denen wir
sind, wer wir sind. ER: Antwort, Brot, auf uns, auf unser kleines, großes,
geliebtes „ich bin“, mit seinen Bissen Brot im Menschenbauch. Amen.