Samstag, 15. Oktober 2016

Am helllichen Tag



Predigt am 21. So. nach Trinitatis (16. Oktober 2016)

Epheser 6, 10-17
Zuletzt: Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels.  Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.
Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt.  So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit  und an den Beinen gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.

Wenn der böse Tag kommt
Wenn der böse Tag kommt. Tage kommen. Tage beginnen. Enden. Vergehen. Tage sind aber nicht böse, Tage sind 24 Stunden, sind ein Zeitraum, den Menschen, Ereignisse, Begegnungen füllen, füllen mit sich. Tage sind nicht böse. Böses widerfährt, tun Menschen sich an, geschieht, unbegreiflich, tragisch, schlimm. Böses begegnet einem, mitten im Alltäglichen; ein anderer Mensch tut es, absichtlich, unabsichtlich; wir tun es, gewollt, ungewollt. Böse geschieht. Böses kommt.
Böses überwältigt, hat seine ganz eigene Macht, um uns, zwischen uns, ins uns. Böses ist mächtig, überfällt, überkommt, bedroht, verführt, überlistet, hält gefangen, gaukelt vor, ist Trugbild, lügt, gebiert sich herrlich, zerstört, macht kaputt, ist gewalttätig, drängend, bedrängend, dominant, herrschend, ungeheuerlich präsent.
Böses ist Fleisch und Blut. Menschen sind es. Teuflisch sind sie. Planen, überlegen sich, wollen, machen Böses. Böse Worte. Böse Taten. Böses Zulassen. Menschen schädigen Leben, beschädigen es, beschädigen Seelen, Leiber, andere Menschen, deren Leben. Böses ist nicht nur Fleisch und Blut. Es ist irgendwie zwischen Menschen, in Menschen, ist Herr, dem sie irgendwie dienen, dem sie erliegen, ist eine Gewalt, die sie ausüben und tun, ist eine über Menschen hinausgehende Macht, die Menschen ergreift. Wenn der böse Tag kommt.

Zieh an
Sie liegt da. Sie liegt bereit. Seit Jahrhunderten. Alt, überkomm, weitergegeben, von vielen, so vielen schon getragen. Sie liegt bereit, da, neu, bereitet für dich. Zieh es an. Zieh sie an. Schau sie dir an, nimm sie und ergreife sie ganz, ganz und gar. Gewinn sie lieb, streif sie dir über, Stück für Stück, Teil für Teil, erst das eine und dann das andere; bis du ganz umkleidet bist.
Zieh es an über dich, über deinen Körper, deine Seele, dazu und über all die anderen Kleidungen und Verkleidungen, dazu und über all das, was dich noch so hautnah umgibt, an Sorgen und Ängste, an faden Hoffnungen und unerfüllter Sehnsucht, auch an Liebkosungen, Streicheleinheiten, Küssen. Zieh es über all das, ganz, lass dich davon umfassen, umgeben, habe es an dich, ganz dich und nah, fühle es an dir: Wahrheit und Gerechtigkeit, Glaube und Heil, Friede und Wort Gottes.
Sie umgeben dich, du hast sie genommen, angezogen, übergezogen. Es sind nicht deine, es bleiben die eines anderen, es sind nicht deine, es bleiben die von Jesus, seine Wahrheit und Gerechtigkeit, sein Glaube und Heil, sein Friede und Wort. Sie liege da. Sie liegen bereit. Du ziehst sie an, sie werden zu deinen, Stück für Stück, überall an deinem Körper, an deiner Seele, an dir. Du wirst stark, unglaublich stark.

Du bist gewappnet
Jetzt bist du gewappnet, geschützt, von Kopf bis Fuß, an allen deinen Seelenwelten. Jetzt bist du umgürtet, gestiefelt, behelmt, bereitet, angetan, zum Kampf bereitet, zum Kampf geschützt. Es umgeben dich Jesu Gaben: seine Wahrheit, seine Gerechtigkeit, sein Glaube, sein Heil, sein Friede, sein Wort – und schützen dich. Sie schützen dich vor dem, wenn der böse Tag kommt. Sie schützen dich nach außen, vor dem Bösen, sie schützen dich nach innen, sie stärken dich, machen dich sicher, umgeben dich. Du bist nicht schutzlos, ausgesetzt, wehrlos allen Angriffen böser Gedanken und Worte. Du bist geschützt. Er schützt dich.
Er wehrt ab, lässt dich erwehren. Du kannst bestehen auf dem Feld, auf dem Feld, wo deine bösen Tage kommen und dich überfallen. Du kannst feststehen, verankert. Du kannst widerstehen und überwinden. Du kannst eintreten für den, der dich schützt und für dich eintritt. Für Jesus Christus, sein im Dunkeln leuchtendes Evangelium.
Wenn der böse Tag kommt, dann hast du eine Rüstung an, unsichtbar spürbar, verliehen tauglich, dich umgebend alles wehrend. Du hast eine Schutzkleidung an, übergezogen, wehrhaft. Wahrheit, Gerechtigkeit, Glaube, Heil, Frieden und Wort Jesu Christi verteidigen dich gegen alles Böse. Sie verhindern: Du wirst nicht verletzt, so sehr Böses dich trifft, deine Seele nimmt keinen Schaden, so oft sie angegriffen wird, du kommst nicht um, so vieles dir nach dem Leben trachtet.

Lichtschutzmittel
Er ist da, er umgibt dich: Christus und seine Wahrheit, die dich schützt, wo Lüge, wo Trug und falsches, wo Gedankenverwirrung, wo Dunkelheit dich droht zu erfassen, zu überwältigen. Er ist da, er umgibt dich: Christus und seine Gerechtigkeit, die dich davor bewahrt, ungerecht zu werden, Gottes Sinn und Wege zu verlassen, selbst an der Ungerechtigkeit anderer irr zu werden. Er ist da, er umgibt dich: Christus und sein Friede, der dich beherrscht, wo du Hass in dir spürst, wo du zurückschlagen magst, der sich bei dir niederlässt, wenn Unfriede herrscht. Er ist da, er umgibt dich: Christus und sein Glaube, der in dir Vertrauen weckt, wo Misstrauen lebendiger ist, der dir dich seiner Treue vergewissert, auch gegen jeden Augenschein, der dich immer wieder dich lieben und hoffen lässt, wo du nicht mehr kannst. Er ist da, er umgibt dich: Christus und sein Heil, das er den Unheilen bereitet hat, denen, die ungeliebt und wenig gewollt sind, das er dort aufleuchten lässt, wo alle anderen Lebensoptionen nicht mehr tragen. Er ist da, er umgibt dich: Christus und sein Wort, das seinen Geist über allen Raum und alle Zeit hinweg weitergibt, damit sich das Antlitz der Welt verändere, das Böse nicht mehr verführe, der Segen werde, das Böse verliere, Gottes Reich anbreche und gewinne. Wenn der böse Tag kommt. ER schützt dich: Sein Ewiges Licht leuchtet dir taghell. Amen.

Samstag, 8. Oktober 2016

Wir pflügen und wir streuen




Predigt an Erntedank 2016 (9.10.16)

Von Gott gehalten

„Gott im Himmel hat an allen seine Lust, sein Wohlgefallen, kennt auch dich und hat dich lieb.“ (EG 511, 3) Von einer bestimmten Welt haben wir gerade fast kindlich gesungen, von einer Welt: gekannt, geliebt, gehalten von Gott– und wir als seine Kinder darin. Diese Welt wird auch in dem bekannten Erntedanklied vor Augen geführt und im Singen zum Klingen gebracht. Eine Welt, deren Gaben alle von Gott kommen: eine Welt und seine Menschen, die Gott dafür danken und auf ihn und seine Gaben ihre Hoffnung setzen. Dieses Erntedanklied war ursprünglich ein Bauernlied und hatte sechszehn Strophen. Es stammt vom bekannten Dichter und Journalisten Matthias Claudius. Gehen wir heute seinen vier Strophen des Liedes „Wir pflügen und wir streuen“ nach. Wir singen gemeinsam die erste Strophe:

Mildes Wirken

1. Wir pflügen, und wir streuen
den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand:
der tut mit leisem Wehen
sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn heim wir gehen,
Wuchs und Gedeihen drauf.
Kehrvers
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Das Bild eines Bauern: Er sät den Samen auf das Feld und pflügt ihn unter. Durch die von der Arbeit auf dem Feld gegerbte Hand des Menschen geht die Saat. In der Saat ist die Ernte irgendwie schon da, aber die Ernte ist noch nicht im Blick. Der Blick geht aber ganz auf Gottes Tun, auf seine himmlische Hand: Gott schenkt Wachsen und Gedeihen, er macht aus dem Samen die Frucht und die Ernte. Im Zusammenspiel von menschlichen und göttlichen Tun ist das göttliche entscheidend. Was wäre die Welt ohne Wachsen, Werden und Gedeihen, was ohne Früchte, ohne Ernte, ohne Ergebnisse, ohne das, was rauskommt. Wenn Gott das wirkt, dann wäre ihm großer Dank zu schulden.
Wir hier pflügen und wir streuen nicht wirklich. Wohl keiner von uns. Keiner geht aufs Feld. Wir leben, wir führen und gestalten unser Leben. Und da streuen und pflügen wir schon, so manches im Leben, manches kommt in unser Leben, passiert, wird gesät und untergepflügt an Erfahrung, an Erlebnissen, an Widerfahrnissen, an Guten wie Schlechten. Und wer gibt dazu das Wachsen, das Gedeihen, dass unser Leben wird, wächst, sich entwickelt? Vielleicht sind wir angewiesen auf Gott, dass er uns unser Werden, Entwickeln, Reifen schenkt; damit etwas rauskommt in unserem Leben. Und vielleicht säen wir nicht einmal den Samen in unserem Leben, sondern andere, unsere Eltern, die Menschen, die uns begegnen, wohl auch Gott.
Gott wirkt an menschlichen Leben in besonderer Weise. Er tut es nicht gewalttätig, übermächtig, sondern so wie wir eben gesungen haben: leise, mild und heimlich und in den Momenten, wo wir nicht damit rechnen, es nicht vermuten, wo wir längst die Hände in den Schoß gelegt habe und gedacht haben, wir hätten es getan. Es ist eine wunderbare Weise, wie Gott in unserem Leben wirkt und Werden schenkt: Er träufelt sich und sein Tun auf unser Leben, Tropfen für Tropfen Gedeihen, vorsichtig, zart, unsere Zerbrechlichkeit achtend. Singen wir die zweite Strophe:

Segen entwickeln

2. Er sendet Tau und Regen
und Sonn- und Mondenschein,
er wickelt seinen Segen
gar zart und künstlich ein
und bringt ihn dann behände
in unser Feld und Brot:
es geht durch unsre Hände,
kommt aber her von Gott.
Kehrvers
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Der Blick geht weg vom Bauern auf dem Feld und weitet sich: Er blickt auf die Wachstumsbedingungen, auf das, wie Gott das Gedeihen schenkt: Durch Tau und Regen durch Sonn- und Mondenschein. Alles Wachstumsgaben. Und Claudius hält noch mal fest: Es geht wohl durch unsere Hand, aber es kommt von Gott her. Es ist unser Leben, aber Gott gestaltet es, formt es, gibt ihm sein Werden.
Gott wickelt seinen Segen ein und bringt ihn in unser Leben hinein. Eingewickelter Segen. Menschen entwickeln. Sie entwickeln Ideen, Dinge, Pläne, Vorhaben, sie entwickeln sich, vom Kind zum Erwachsenen, von Ungeformten zu einem bestimmten Menschen. Gott macht das umgekehrt: Er wickelt ein. Er wickelt seinen Segen ein. Als sei sein Segen etwas ganz Zartes, Kostbares, Wertvolles, was geschützt, bewahrt, behütet, eingewickelt werden müsste, was dann nach und nach seinen Wert, seine Kostbarkeit dort entfaltet, entwickelt, wo er eingewickelt wurde.
So sieht Claudius Gottes Segen. Und Gott schenkt ihn uns. Er wickelt seinen Segen in uns ein, in unser Leben, in unser Tun, Atmen, Hoffen, Fragen, Zweifel, Geborenwerden und Sterben, in unser Werden – und im Leben entwickelt sich sein Segen, entwickeln wir Gottes Segen für uns, auch ganz zart, leise, still und unglaublich kostbar. Singen wir gemeinsam die dritte Strophe:

Wirklich alles?

3. Was nah ist und was ferne,
von Gott kommt alles her,
der Strohhalm und die Sterne,
der Sperling und das Meer.
Von ihm sind Büsch und Blätter
und Korn und Obst von ihm,
das schöne Frühlingswetter
und Schnee und Ungestüm.
Kehrvers
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Unser Blick weitet sich noch mehr, er umfasst Alles. Alles kommt von Gott; dieses Alles wird von Claudius beschritten, umschrieben, räumlich und zeitlich: Alles nah und fern, alles überall; alles an einem Ding, Alles von einer Art. Und: Alles an Jahreszeiten, von Frühling bis Winter, alles an Zeiten. Alles, wirklich alles kommt von Gott her.
Wirklich alles? Schon der Bauer auf dem Feld mag das schwer mitsprechen, wenn der Hagel ihm die Ernte nimmt, wenn ein Unwetter ihm die Lebensgrundlage zerstört. Dann mag er zweifeln, ob alles von Gott kommt, mag er fragen, ob auch das Schlechte von Gott her ist. Er mag denken und wir mit ihm fragen: Alle gute Gaben kommt her von Gott, dem Herren, aber was ist gut? Können wir auch das Schlechte, das Übel, das, was unser Leben schwer und leidvoll macht, aus seiner himmlischen Hand empfangen, nehmen?
Auch die verschiedenen Wetter in unser Leben? Können wir neben der Sonne in einem guten Leben, in guten Zeiten, neben dem Werden des menschlichen Frühlings, wenn wir reifen, wachsen und unser Leben schönste Blüten treibt, auch die Unwetter von Gott annehmen? Die Lebensstürme, wenn uns unser Leben durcheinander und aus den Fugen gerät; den Herbst des Lebens, wenn wir immer mehr das Vergehen spüren und an uns tragen?
Für Claudius bündelt sich vertrauensvoll alles in Gott und kommt von Gott her. Gott hält alles in seiner Hand und vielleicht wird durch Seinen Segen auch das, was uns verdunkelt und zusetzt, heimlich, still und leise gut. Singen wir die letzte Strophe.

Geschenktes Leben

4. Er lässt die Sonn aufgehen,
er stellt des Mondes Lauf;
er lässt die Winde wehen
und tut den Himmel auf.
Er schenkt uns so viel Freude,
er macht uns frisch und rot;
er gibt den Kühen Weide
und unsern Kindern Brot.
Kehrvers
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Der Blick wird in der letzten Strophe wie zusammengefasst. Der Bauer, das Feld und nun die ganze kosmische Szenerie: Das Feld, das der Bauer bestellt hat, wird durch das kosmische Tun Gottes zum Feld der Ernte, das Brot kommt von Gott her auf den Tisch. Diese kosmische Szene des göttlichen Gedeihens versichert uns: wir sind gehalten zwischen Himmel und Erde, die Sonne wird jeden Morgen aufgehen, der Mond nimmt nachts seinen gewohnten Lauf, der Wind bringt das seine und der Himmel tut sich auf. Und: Die Szene hat eine Dynamik, die bei uns mündet, auf uns zukommt: Gott tut den Himmel auf, auf für uns.
Unser Leben ist ein von Gott geschenktes, gewährtes, gegebenes Leben. Diese Himmelsgabe fließt in unser Herzen über, hinein. Darüber, dass wir unser Leben Gott verdanken und er es erhält und mit Werden segnet, können wir uns freuen, darüber können wir inmitten allem Schweren frisch und fröhlich sein, ja zaubert dies uns eine Röte auf die Wangen, die Kindern eignet, wenn sie ihrer Eltern gewiss sich draußen frei ausleben. Wir sind Kinder Gottes. Voller Dank dafür und mit tiefer Hoffnung, die vertrauensvoll kindlich und gut begründet ist.
Unser letzter Blick geht auf die, die uns anvertraut sind, für die wir selbst verantwortlich sind, auf unsere unmittelbare Mitwelt, hier Kühe und Kinder, dort die uns je auf den Lebensweg geschenkte Menschen. Sie hat Gott auch im Blick, diesen schenkt Gott das, was sie zum Leben brauchen, das, was alltäglich und notwendig ist, den Kühen das Gras auf der Weide und den Kindern das Brot auf dem Teller. Gott kümmert sich um unsere Menschen, die uns nahe liegen, um ferne und nahe. Das entlastet uns, der Segen entwickelt sich selbsttätig. Auch wenn unsere Hände das ihre tun, Gott kümmert sich und schenkt Leben. „Er kennt auch dich und hat dich lieb.“ Amen.

Lied „Wir pflügen und wir streuen“ instrumental