Samstag, 30. März 2019

Liebe lebt auf


Predigt an Laetare (31. März 2019)

Lukas 22, 54-62 Die Verleugnung des Petrus
54 Sie ergriffen ihn aber und führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus aber folgte von ferne. 55 Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Hof und setzten sich zusammen; und Petrus setzte sich mitten unter sie. 56 Da sah ihn eine Magd im Licht sitzen und sah ihn genau an und sprach: Dieser war auch mit ihm. 57 Er aber leugnete und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht. 58 Und nach einer kleinen Weile sah ihn ein anderer und sprach: Du bist auch einer von denen. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin's nicht. 59 Und nach einer Weile, etwa nach einer Stunde, bekräftigte es ein anderer und sprach: Wahrhaftig, dieser war auch mit ihm; denn er ist auch ein Galiläer. 60 Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst. Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn. 61 Und der Herr wandte sich und sah Petrus an. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. 62 Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

Korn
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt. Petrus war zu allem bereit. Er war bereit, mit Jesus den bitteren Weg zu gehen, ihm mit allen Konsequenzen zu folgen, mit ihm in den Tod zu gehen. Kein Gedanke hatte er, dass das vielleicht nicht geht, vielleicht gar nicht gefordert sei.
Sein Glaube, sein Vertrauen in sich und in Jesus ist unerschütterlich, ist fest und sicher. Bewundernswert. Atemberaubend. Bis in den Tod. Wer mag das sagen, sich trauen zu sagen. Ich folge Jesus bis in seinen Tod. Selbst als Jesus ihm sagt, wie es kommen wird, dass Petrus ihn verleugnen wird, dass er scheitern wird, lässt sich Petrus und sein Glaube nicht irritieren. Es ist als sei sein Glaube groß gewachsen, seit jener Begegnung, als Jesus ihn berufen hat, seit jenen Momenten, in denen Petrus seinem Jesus auf den Weg durch Dörfer und nach Jerusalem gefolgt war, seit jenen Wort-Augenblicken, als er Jesus von Gott so nah, so reich reden hörte und der Glanz der Liebe in sein Leben fiel. Groß ist Petrus Glaube, nah ist ihm Jesus, und er verspricht Jesus weiter Nähe, allergrößte Nähe, Intimität bis in den Tod hinein. Ob Jesus das auch von uns verlangt? Ob unser Glaube so groß ist?
Vorn Ferne folgt Petrus dem abgeführten Jesus, aus gewisser Distanz, vielleicht aus Angst, vielleicht aus Vorsicht, er folgt aber, bleibt seiner Nähe zu ihm treu. Petrus setzt sich mutig und entschlossen zu den anderen, in deren Mitte, mitten unter sie, er weiß, was dies bedeutet, bedeuten könnten. Ob Petrus wartet, sehen will, was passiert. Nur irgendwie Jesus nahe bleiben.

In den Tod versinkt
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt. Gespannt schaut die eine Magd Petrus an, und in ihrem genauen Blick liegt eine Frage, die Petrus verändern wird. Petrus wird gefragt. Wie viele Fragen mag er schon gehört und beantwortet haben, alltägliche, nebensächliche, wichtige. Und wir. Welche Frage stellt uns die Magd, in unserer Suche nach Nähe zu Gott? Petrus wird nochmal und nochmal gefragt, in Frage gestellt und wie sehr muss er darunter gelitten haben, eine andere Antwort zu geben, als er gewollt hat, als er vorhatte. Drei Mal. Die falsche Antwort auf die richtige Frage, wie bitter teilen wir das Wort-Leiden von Petrus, wenn uns das passiert.
Wie oft täuschen wir uns, als könnten wir allem widerstehen und überall bestehen, als würden wir die Treue zu uns selbst halten und nicht an bestimmten Punkten uns selbst verlieren, selbst verleugnen, wir schwache Menschen. Petrus verleugnet Jesus, er verleugnet seine Nähe zu ihm, seine Beziehung zu ihm, Petrus verleugnet sich. Und in diesem Moment stirbt er, stirbt sein Glaube, fällt sein Glaube tief in die Erde und versinkt im Tod. Scheitern, Versagen, Abbruch, sagen die einen, Versinken, Verbergen, Verschwinden, Erlöschen eines ganz bestimmten Petrus, die anderen.

Keim
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt. Der eine bestimmte Petrus fällt tief. Jesus wendet sich ihm zu, die ganze Szene verschwimmt, als würden sich in jenem Augenblick Abgründe auftun, Himmel und Erde sich kreuzen. Jesus, der gar nicht da ist, der abgeführt wurde, der im Haus des Hohepriesters gefangen ist, wendet sich um, sucht den Blick, findet Petrus im Hof und schaut ihn an. Tiefer kann Petrus nicht fallen, als dass Jesus, zu dem er unbedingt nah bleiben will, ihn sieht, wie er ihn verleugnet, wegstößt, nicht kennt. Doch Jesus wendet sich ihm zu, wie so oft in der Lebensgeschichte seines Jüngers, wie so oft in unserer Lebensgeschichte, selbst im tiefsten Leiden bleibt Jesus uns zugewandt. Mitten im eigenen Sterben bleibt Jesus da.
Petrus erinnert sich, wie Jesus das schon wusste, wusste, was Petrus passieren wird. Petrus blickt zurück und auf sich selbst, und es muss ihn ein Schaudern durchzogen haben. Der Hahn kündet ihm von Schuld, von bitterer Schuld, aber er ist auch der Hahn, der sonst vom Morgen kräht. Petrus bestimmter Glaube versinkt tief in der Erdem, im Tod, und dort geschieht mit ihm, was jenem Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, es beginnt nach gefühlten Ewigkeiten zu keimen, der Glaube beginnt unsichtbar wieder neu zu werden.

In den Morgen dringt
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt. Petrus geht hinaus und weint bittere Tränen. Er weint aus Scham, aus Enttäuschung, aus Schmerz, er weint auch Tränen, die ihn befreien, die von neuem künden. Vielleicht, aber nur vielleicht liegt das auch in jeder Träne von uns beschlossen. Heute ist Sonntag Lätare, der Sonntag, der auch Kleinostern mitten in der Passionszeit heißt. Petrus erinnert sich jetzt an jedes Wort von Jesus, an jedes Wort, das Jesus zu ihm sagt, bevor Petrus meint, er sei zu allem, zum Sterben bereit.
Anfechtung, Prüfung, Glaubenslernen, sagen die einen. Die anderen: Glaube stirbt und wird neu geboren. Petrus erinnert sich daran, dass Jesus zu ihm gesagt hat: Der Satan wird hinter dir her sein, und Petrus weiß: Es war der Satan eines hochmütigen Glaubens, der ihn gerieten hat. Und wir wissen, wo unsere Satane uns reiten. Petrus erinnert sich, dass Jesus zu ihm gesagt hat, der Satan bekommt dich nicht, ich bete für dich, ich mache deinen Glauben stark, und Petrus weiß: Er hat jetzt diesen Glauben, einen Glauben, der ganz und gar von Jesus Stärke lebt, der davon zehrt und lebt, dass Jesus in ihm lebendig ist, für ihn betet und ihn in den Momenten, wo er schwach und ohnmächtig ist, hält.
Jesus hätte von Petrus nie verlangt, ihm in den Tod zu folgen. Das wäre dem Glauben menschenunmöglich. Petrus konnte es nicht. Wir auch nicht. Das verändert Glauben. Er braucht es auch nicht, Jesus Tod kommt uns zu Gute. Das müssen wir bis zu Karfreitag ertragen. In der Hoffnung auf Liebe, die verborgen da ist. Korn, das in die Erden fällt, in den Tod versinkt. Liebe lebt auf. Amen.

Donnerstag, 14. März 2019

Ein besonderes Licht


Predigt an Reminiscere (17. März 2019)



Johannes 3

14 Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, 15 auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. 16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. 17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. 19 Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. 20 Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.



Der dunkle Punkt

Die Finsternis, die bedroht uns, sie sucht uns und findet uns. Sie befällt uns manchmal und wir erliegen ihr. Die Finsternis im eigenen Herzen. Ein merkwürdiges Gemisch aus Angst, Kränkung, verletzten Momenten, Eigensinn, Schuld, dem falsch Getanen. Wir lassen uns in sie hineinziehen, von ihr in Besitz nehmen, verfinstern mit ihr unser Herz und Sinn, unser Denken und Sagen, unwillig willig. Finsternis wohnt nahe, wohnt in uns, wirkt durch uns, Ungutes, etwas, was uns im Nachhinein leid tut, bisschen wie von ihr getrieben, aber von, durch uns. Es ist ein Ringen mit ihr, der Finsternis.

Wir lieben nicht die Finsternis. Wir hassen nicht das Licht. Und doch ist es manchmal finster um uns, ist es finster in uns, zieht uns Finsteres an, werden wir Finstere, Herzen wie Mördergruben, welche, die das Licht doch nicht suchen, es scheinen zu meiden, die nicht zum Licht kommen, die lieber woanders hingehen, hin denken, die verbergen, verstecken, nicht antworten wollen und können, auf bestimmte Fragen nach dem Warum, weil sich dann Abgründe auftäten, dunkle Seiten, dunkle Flecken wie Moder an der eigenen Seele. Hässlich, gesichtslos, ungeheuer vielfältig, chamäleonhaft ist das Böse, alltäglich klein, wirksam wie ein Schlangenbiss.

Selbst sind wir dann gegangen, haben uns ziehen, haben für dunkle Momente das Finstere, das Böse, das Abgründige in uns wohnen und wirken lassen, haben selbst uns Gericht gesprochen, sind dem Licht ausgewichen, dem Dunklen gefolgt, haben zu wenig geliebt und zu viel gehasst, sind selber schuld, haben uns gerichtet.



Geliebtes Licht

Das Licht entspringt der Liebe, sie ist die Quelle des Lichts. Das Licht wird geboren, wie alles, was aus Liebe Gestalt gewinnt. Das Licht wird geboren hinein in Zeit und Raum, hinein in Welt, in unsere, in uns, geboren und lebendig, geboren und irgendwie aus Fleisch und Blut, merkbar, vernehmbar, spürbar, fassbar, da. Das Licht ist gesandt, ist auf den Weg gesetzt, gebracht. Es ist gegeben, vorgegeben, zu geben, was es hat. Das Licht ist hineingegeben in alle Zusammenhänge, in den Lauf der Zeiten, in die entlegensten Räume, in das Leben der Menschen, in das Denken der Köpfe, das Schlagen der Herzen, das Sehnen der Seele. Dort istes da, weltverliebt.

Das Licht ist eingeboren, es ist einzig und trägt den Einzigen in die Welt. Es trägt in sich einen Schatz, das Kostbarste, was schon immer da ist und immer neu werden soll. Es trägt in zarten, irdenen, zerbrechlichen schönen Gefäßen aus Alltag einen unermesslichen Schatz für die Menschen. Es hat einen Namen, es ist Sohn, es ist Wahrheit und Ewigkeit. Es scheint in die Finsternis hinein, in deine. Das Licht scheidet, trennt: sich und das Dunkle, hell und finster, Licht und Schatten, Liebe und Hass. Es ist aber immer nur das eine, an ihm wird aber das andere sichtbar. Licht deckt auf, entlarvt, macht wahr, legt offen, erkennt und heilt Verletztes, vergibt.

Das Licht wird erhöht, angeschlagen, sichtbar, sichtbar höher, erhöht wie ein Zeichen, wie dieim Dunkel leuchtende Rettung für alle. Das Licht wird erhöht und es wird erniedrigt, im Garten Gethsemane, im Teilen der Kleider, mit jedem Hammerschlag auf die Nägel am Kreuz, mit jener dunklen Ewigkeit an Karfreitag. Das erhöhte erniedrigte Licht scheint aber umso heller. Es ist geborenes, geliebtes Licht, zu tiefst.



Offenbar gerettet

Es will retten. Das Licht. So wie es Gott schon immer wollte und tut. Nichts anderes hat Gott im Sinn, nichts anderes hat er vor und tut er: retten. Mich und dich im unseren finstern Momenten, freisprechen von Schuld, mit uns in Liebe immer weitermachen, heilen die schlimmsten Wunden, uns aufrichten, aufpassen, dass wir nie wirklich verloren gehen, nicht uns, nicht anderen, nicht ihm. Nicht gerichtet, aufgerichtet. Das bringt das Licht.

Mit dem Licht bringt Gott uns unsere Ewigkeit und die Wahrheit dazu. Wir werden in ihm sichtbar, wer wir sind, von Anfang an und für immer, durchzogen mit unserer Endlichkeit, verwoben mit unserer Zeit hier auf Erden, verwoben mit unseren Geschichten und anderen Menschen, vermengt mit Sühne und Schuld, Segen und Ach, Hoffnung und Fragen, ganz und gar Menschen aus Fleisch und Blut. Das geliebte Licht, Eingeborenes, Einzigartiges, gepriesen, das bescheint uns, so zart, wie Jesus die Menschen berührte. Wir spüren, sehen, denken uns als die, die wir sind, noch einmal: von Anfang an, durch die Zeit in alle Ewigkeit: als geliebte Menschen, als welche, die empfangen, bekommen, glauben und ebenso lieben.

Erhöht, erhöhte Menschen wie das Licht, durch göttliche Liebe. Erhöht mitten in aller Erniedrigung, in den Kreuzmomenten, dem Gemisch aus menschlicher Sünde und Wunde. Erniedrigt und doch stets geliebt vom göttlichen Licht. Seele, vergiss das nicht. Amen.