Mittwoch, 23. Dezember 2015

Ecce Homo



Predigt zum Christfest 2015

Titus 3, 4-7
Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit – durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist, den er über uns reichlich ausgegossen hat  durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unsrer Hoffnung

Ein-Blick Gottes
Menschen schauen Menschen an, flüchtig, kürzer, länger, genauer. Menschen schauen Menschen an, begegnen ihnen, wenden sich ihnen zu, öffnen ihr Herz und teilen, teilen Zeit, Gedanken, das, was sie haben. Menschen schauen Menschen an, in die Augen, die müden und frohen, hinab bis zur Seele, geschunden und wunderbar, tragen in sich Liebe. Menschen sind menschenfreundlich, menschenliebend, wohlwollend, großzügig, gemeinsam.
Gott ist menschenfreundlich, menschenliebend. Er ist in sich Liebe zu uns, er blickt uns an, genauer, er begegnet uns in unserer Tiefe, teilt sich, gibt sich, schenkt sich. Gott ist in seiner Liebe freundlich, menschenfreundlich und gnädig, gütig und barmherzig, uns zugewandt, liebevoll zugewandt. Gott ist aber mehr, mehr für uns:
Gott blickt uns in Liebe an und sein Blick ist das Angesicht Jesu Christi, Gott blickt uns in ihm menschenfreundlich an und wir bekommen selbst Einblick in Gott: Jesus Christus ist beides: Er ist der uns liebende Blick Gottes und er führt uns vor Augen, wer wir sind, wer wir sein sollen und können. In Jesus Christus wird sichtbar, was der Mensch ist, wie der Mensch vor Gott ist, wer der Gott entsprechende Mensch ist. Im Kind vom Stall, im Mann von Nazareth, in Geburt, Weg, Kreuz und Auferstehung wird sichtbar, tritt uns entgegen, begegnet uns das Bild des Menschen, des Menschen von Gott geschaffen, gewollt, beseelt. Gott liebt seine Menschen, er lässt sie sehen, wer sie wirklich sind.

Hineingeboren
Das zu entdecken, zu sehen, dem gewahr und ansichtig zu werden in einer ganz gebürtlichen Art, fasziniert Menschen geheimnisvoll an Weihnachten und lässt sie eine tiefe friedvolle Freude empfinden: Sehen, wer wir eigentlich sind. Sehen, wer ich wirklich bin. Das gnadenvoll, gütig, liebend gezeigt bekommen. Die Verheißung: Menschen können an Weihnachten Mensch werden.
Diese Menschwerdung, dieses Bild vom Menschen, der Gott gefällt, verändert Menschen, setzt sie auf neue Wege, lässt sie diesem Bild entgegen gehen, verwandelt sie schon hinein in dieses. Sie werden von ihm, von Gottes Liebesbild, begeistert, werden wie hinein getaucht, übergossen, verzaubert, spüren in sich das Wollen, in dieses Bild sich hineinzubegeben, hineinzuwachsen, es selbst irgendwie zu werden, ein Mensch: von Gott gewollt, von Gott beseelt, von Gott geliebt und ein Mensch, der auf seine Liebe antworten, seinem Leben ein auf Gott antwortende Gestalt gibt. An Weihnachten werden Menschen selbst mit jenem Kind wie neu geboren, werden wie hineingeboren in das, was und wen dieses Kind im Lauf seines Werdens von Gott in die Welt bringt, an Worten und Wirken, an Bildern und Wundern, an Schmerz und Sinn.

Ewiger Jesus Christus
So werden Menschen selig, gerecht und Erben des ewigen Lebens. Sie finden ein Leben vor Gott, aus ihm und auf ihn zu, kein perfektes, gelingendes, aber ein Leben, das Gott gerecht ist, das von Gott gehalten, geborgen und getröstet ist, eines, das vor Gott gelebt wird, manchmal im Ringen und Fragen, aber in sich und im Ganzen eine Gestalt gewinnt, die vor Gott sein soll und ist, ein Leben als Antwort auf Gottes Frage nach ihm, den Menschen.
Menschen erscheint in Jesus Christus Gottes Menschenliebe, es erscheint ihnen sein Lebensbild. Sie werden Erben des ewigen Lebens, indem sie Christus sehen: Wie er geboren wurde, sich ganz in die Hände der Welt gab und lebte, Gott vor den Menschen lebte. Wie er so sehr auf Gottes Frage nach ihm Antwort, dass andere in ihm auch Antwort auf Gott fanden und finden. Wie er auch unter Schmerzen diese Antwort in der Sprachlosigkeit des Todes noch stammelend gab, wie er in Macht und Ohnmacht bei Gottes Liebe blieb und er bei ihm, ihn auferweckte. Wie er immer doch in Gottes Hand war. Geborgen. Wie Christus radikal um die Endlichkeit des Lebens wusste sie an eigenem Leben und Leib spürte: Einsamkeit und Anfeindung, Schmerz und Spott, Tod und Leiden. Wie er sich aber stellte, gestellt wurde unsichtbar bei all dem in der Liebe Gottes, in dieser absoluten und unbedingten, den Tod trotzenden, überwindenden Liebe Gottes, in ihren wunderbaren Horizont, und wie er umfangen war in aller Zeitlichkeit und Endlichkeit von Gottes unendlicher, ewiger Liebe.
In Hoffnung sehen Menschen an Weihnachten im Stall und Kind dieses Bild der Menschenliebe Gottes, sie werden wie er in aller ihrer Zeit und Vergänglichkeit geborgen und gehalten, umfangen, gelebt von Gottes Liebe: Einmal und immer in die Welt geboren. Amen.

Der Himmel Klang auf Erden



Predigt zum Christvesper 2015

Engel hören
Hört der Engel helle Lieder. Hören wir sie. Hören unsere Seele sie. Unsere Menschenseele manchmal arg gebeutelt, verletzt, müde, erniedrigt, arm, hoffnungsleer, zukunftsängstig, manchmal und zu oft, bei zu vielen. Hört Menschseele Worte der Engel. Jetzt und heute und hier. Hört Menschenseele wie die Engel hinzutreten, klar von Gott leuchten, dem Himmel, dem sie gehören, von dem sie kommen und zu dem sie gehen, öffnen, die himmlische Heerscharen, wie sie loben und sprechen, nicht damals und dort, sondern jetzt und hier: Worte unsere Seele sagen, von Freude und Friede, von Ehre und Wohlgefallen, von einer anderen, der göttlichen Welt, die hereinbricht, die von Gott kündet, ihn hinein gebärt in Menschenseele.
Worte, Engelsworte, gute Worte, die unsere Seele, unser Leben, mit seinen Höhen und Tiefen, seiner Wunden und Wundern, seinen Verletzungen und Glanz, seinem Elend und Würde, seiner Geschichte und Menschen, seiner Erfahrungen und Begegnungen, seinem Erlittenen und Erlebten, Gemachten und Gelassenen, unsere Seele hineinstellt, hineinnimmt in diesen wunderbaren, nächtlichen, göttlich-geheimnisvollen Klang, Widerhall des Lobs der Engel, des Gloria, das mit dem Geburtsschrei des Christuskindes, anhebt, anklingt und seitdem nicht aufhört zu klingen, Resonanz zu finden, Seelen befreit, Menschen Sinn schenkt, Licht ins Dunkle bringt, Arme sieht, Fragende sucht, Ängstlichsten die Furcht nimmt, bis in alle Ecken des Erdenballs und aller Menschenseelen Friede, Seelenfriede einkehrt und Menschen sich und Gott wohl gefallen und zur seiner Ehre, seinem Lobgesang werden, vereint mit dem himmlischen Chören:
Hören und Einstimmen in jenes: Du, Seele, hab´ keine Furcht mehr, alle Angst ist überwunden, freue dich, freue dich: Da ist die Freude.


erfüllt
Mit jeder Geburt ist das Leben anders, neu, etwas ist da, was noch nicht da war; die Welt ist nach einer Geburt nicht mehr dieselbe wie vorher, ein Stück verändert. Mit jeder Geburt berühren die Welt ihr eignes Wunder, das Wunder, das Leben neu entsteht und beginnt selbst und eigen zu werden, beginnt zu leben. Jede Geburt erinnert an den Ursprung des Lebens, an den Schmerz des Neuwerdens, an die Heiligkeit von Augenblicken, an das Freigeben hinein in die Welt, an Geborgenheit und an das Leben selbst.
Mit jener Geburt, deren Engelsgesang unsere Seele hört, kommt Gott auf die Welt und die Welt wird anders, verändert, wird neu. Es ist etwas da, was so noch nicht da war, ganz und im Werden, geboren, um zu leben, unter uns und in unsere, seiner Welt. Gott ist da, wirklich da. In der Welt und ihrer Wirklichkeit gibt es ab jetzt diese Freude, diesen Frieden, diese Wohlgefallen, diesen Retter und Heiland, auch Kreuzesschmerz und österliche Freiheit auf dem Weg. Für unsere Seele.
Was wünschen Menschen sich alles, wovon träumen sie, welche Sehnsüchte tragen sie in ihrem Herzen. Jeder hat sie und es sind so viele wie verschiedene. Mit dieser Geburt Gottes tritt das lange Versprochene ein, wird das Angesagt zur Wirklichkeit, erfüllt sich Verheißung, ist da, was erwartet wird, bekommen Träume, Wünsche, Sehnsüchte Gestalt, gibt Gott eine auf die Welt gekommene, auffindbare, antreffbare, hörbare, sichtbare Antwort auf Menschenfragen, auf Menschenfragen nach Woher und Wohin, nach Wozu und Sinn, nach sich selbst, nach dem, was manchmal qualvoll, manchmal tieffreudig in Menschenseelen tief begründet liegt.

Finde dich
Hört der Engel helle Lieder. Sie singen nicht von sich, die Engel. Sie singen von einer anderen Welt, von einem Anderen. Sie sprechen ihn der Welt, zeugen seine Wirklichkeit, bergen unsere Seelen in ihm, in seiner Gegenwart. Der Engel Gloria weist weit weg von sich, weist hin auf eine ganz konkrete, leibhafte Gestalt, auf eine bestimmte Zeit: Jetzt und Heute, auf einen bestimmten Ort: Dort in Bethlehem, auf eine bestimmte Situation: Kind in der Krippe.
Als wollte der Engelgesang, der Hinweis der Engel zu uns sprechen, unsere Seele zart und bestimmt sagen, singen, wo sie sich finden kann, wo sie ihren Ort hat, wo sie selbst geboren wird, altes ablegt, neues wird, wo sie geborgen heil wird. Gott kommt leibhaft auf die Welt, er hat einen Ort und eine Zeit, eine Krippe, Windeln, in die er gewickelt ist. Gott wird so wirklich wie Wirklichkeit ist, in diesem Kind, in der Gottesgeburt werden der Menschen Sehnsüchte und Wünsche, Verheißungen und Erwartungen auf geheimnisvolle Weise konkret, bekommen Gestalt und werden hineingenommen in das Wachsen und Werden des Kindes, des Gottes auf Erden, des Gottessohnes, können sich in ihm widerfinden, von Geburt zum Kreuz nach Ostern, in all seinen Worten und Bildern, in seiner Nähe und Liebe und selbst in ihm ihren Ort, ihre Zeit, ihre Erfüllung finden.
Der himmlische Engelsklang umhüllt uns. Wir hören: Ehre, Friede und Freude sind da. Wir gefallen Gott. Engelworte verkünden uns, wo wir unseren Seelenfrieden, uns selbst finden können. Dort, wo kein Raum war in der Herberge, genau dort wird Gott geboren, ist er, will er sein und greift Raum im Kleinen, schenkt Raum. Raum für unsere Seelen, unsere manchmal beunruhigten, fahrigen, zart verletzlichen Seele. Sie werden bei ihm geboren, sind himmlisch geborgen, in jener einen heiligen Nacht, die heute ist. Amen.

Montag, 7. Dezember 2015

Vorhang zu



Predigt zum Mitarbeiter-Advents-Gottesdienst (4.12.15)
Bühne frei !
Klappkarte wie diese laden zum Aufklappen ein. Und jeder von Ihnen hat den Vorhang schon aufgeklappt und geschaut, was hinter dem Vorhang ist, hat auf die Bühne geblickt, den Spruch rechts gelesen.
Vorhänge sind zum Zu- und Aufziehen da. Beides zum seinem, zum rechten Augenblick. Der Vorhang fällt und die Vorstellung ist zu Ende. Die Akteure treten nach vorne, der Applaus zollt Lob. Die erste Szene: der Vorhang geht auf und das Schauspiel beginnt. Vorhänge verbergen und enthüllen, die Gardinen am Fenster, die Duschvorhänge in den Bädern, der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste verbirgt und der in zwei reißt, als Jesus stirbt.
Vorhänge machen Menschen zu Betrachtern, die warten, zuschauen, mit fiebern, sich langweilen, applaudieren und wundern, nah und fern dem Geschehen auf der Bühne. Vorhänge trennen Zuschauer und Bühne und rufen manchmal sacht den Gedanken wach: gleicht Menschen Leben nicht einem ewigen Schauspiel, in dem wir und andere mitspielen und zuschauen, in dem wir auftreten und die Bühne bespielen, auf der sich unsere Tragik und Freude, unser Leid und unsere Lust sich abspielen, bis der letzte Vorhang fällt.
Vorhänge gibt es auch hier, letzte und erste. Reale und veränderte, Abdeckungen beim OP, Schleier des Schweigens über Manches, Verhüllungen, kleine Offenbarungen, Auftritte und Bühnenakteure. Jetzt bitte ich Euch, die Karten aufzuklappen, vielleicht erst einmal nur der rechte Teil des Vorhangs.

Seelenanker?
Der Bibelspruch aus dem Hebräerbrief wird sichtbar, lesbar. Von Hoffnung können wir lesen, groß geschrieben. Von Seele, vom Anker und von einem Vorhang, hinter dem Jesus uns voran gegangen ist und hinter dem die Hoffnung fester Anker der Seele ist.
Seelenanker? Wo ist unsere Seele verankert? Im Körper, um den wir uns hier drehen, irgendwie zwischen all den Organen, den Blutbahnen, den Nerven? Irgendwo dort zu finden und daheim? Wo ist unsere Seele verwurzelt? Dort, wo uns zum ersten Mal die Seele genährt wurde? Wo wir geliebt wurden um unseretwillen, wo wir gespürt haben, jemand meint genau mich, so wie ich bin, bei ihm, bei ihr kann ich sein, zuhause, angekommen? Ist Hoffnung unser Seelenanker? Welche Hoffnung? Haben wir sie? Wie sieht sie aus? Am Krankenbett. Beim Sterben. Im Stationsalltag, im OP, in der Bilanz, in der Planung und Strategie? Haben wir Hoffnung für dieses Haus und seine Menschen, für Patienten, Klienten und uns persönlich? Haben wir eine gemeinsame Hoffnung? Brauchen wir sie überhaupt noch, oder geht es auch so?
Ich glaube, Menschen ist etwas versprochen, verheißen, im Leben und im Sterben, etwas, was noch aussteht, was zu suchen und zu finden ist, was uns Antrieb und Bestimmung, Bild voraus ist. Jesus ist dorthin gegangen, wo dieses liegt, er ist hinter all die Lebensvorhänge gegangen und zeigt uns den Weg dorthin, wo Verheißung und Hoffnung, wo beide verwurzelt sind.

Ganz nah
Wenn wir wollen, können wir den Vorhang jetzt ganz öffnen und die ganze Szene wird sichtbar. In der Mitte Feuer, ein Schälchen und eine Katze, als Vorbotin der Alltäglichkeit. Rechts kaum erkennbar, etwas abseits im Dunkelnd es Raumes Josef, wie er Holz hakt. Und links im Bild Maria mit Jesus, leicht vom Licht beschienen, Jesus aus dem Bettchen genommen, auf den Schoß gehoben, von den gefalteten Händen Marias umarmt, beide Gesichter nah beieinander, liebkosend.
Wenn man nicht wüsste, dass dieses Bild von Rembrandt „Die Heilige Familie mit dem Vorhang“ hieß, dann würde man das für eine alltägliche, fast idyllische Stubenszene aus dem 17. Jahrhundert halten, aber Rembrandt hat nahezu unverschämt die „Heilige Familie“ in seine Jetztzeit hinein gemalt, als wäre für ihn das Alles heute.
Die ganze Szene wirkt dunkel, fast miefig, irgendwie altmodisch. Mit Rembrandt müssten wir sie hinein denken in unsere heiligen Szenen, die wie diese sprechen: so ganz gewöhnlich, nichts extravagantes, fast verschämt versteckt, wohl tuend selbstverständlich, natürlich, normal, heilsam durchschnittlich, voller Nähe, Geborgenheit, Intimität, reiner Liebe. Mag, kann, soll sich unsere Seele auf dieser Bühne verankern? Führt dieses Bild, führt Jesus hinter diesen Vorhang, hinein an diesen Ort, und mag dort Hoffnung unserer Seele Heimat geben?

Ein Feuer
Im Blick zwischen Jesus und Maria spiegelt sich auf eigentümliche Weise der Vorhang wider. Unsichtbar, aber irgendwie da. „Die Heilige Familie mit dem Vorhang“. Als bräuchte diese Familie den Vorhang, der sich wieder zuzieht, der nur kurz für uns gelüftet wurde. In dem Moment, wo der Vorhang wieder zugezogen wird, wo nicht alle Blicke auf die heilige Gemeinschaft starren, vollendet sich, unserem Blick entzogen, die Nähe von Maria und Jesus, von Mensch und Gott, werden beide ganz nah, unendlich nah. Weihnachten ist der Augenblick der Intimität Gottes mit seinen Menschen, seiner puren Liebe zu uns. Ein Urort von Hoffnung.
Sich auf dieser Bühne verorten, mit all seinen Weihnachtsbildern und –hoffnungen, mit den Bildern, die wir in dieser Zeit mit tragen, ist kein Kinderspiel, wir müssten aufhören, nur Zuschauer zu sein. Sich auf dieser Bühne innerlich verorten, könnte aber unsere Seele und ihre Hoffnung auf Leben nähren: Wir sehen: Gottes Nähe gewährt Schutz, birgt uns, weiß darum, dass wir auch „Vorhang zu“ brauchen, Respekt und zugestandene Freiheit. Wir sehen: Gott Nähe lässt uns im besten Sinne normal und gewöhnlich sein, heilsam durchschnittlich, und darum von Gott so sehr geschätzt. Sich auf dieser Bühne verorten, sozusagen hinter dem Vorhang leben, dort, wohin Jesus uns führt, könnte unsere Seele jene Nähe schenken, in der wir uns selbst nahe sind, in der wir wir sein können und dürfen, in der wir das sind, was wir an Weihnachten immer wieder werden: Gottes geliebtes Kind.
Klappen wir die Karte zu. Was bleibt? Ein Napf mit Löffel, der nähren will; ein Feuer, das brennt und wärmt und unser Blick auf Jesus, der uns Hoffnung schenkt. Amen

Mittwoch, 2. Dezember 2015

„Der Himmel öffnet die Türen.“ Adventsandachten 2015


2. Dezember: Tür zu - Ausschau

Adventskarte (1) Ausschau
Es ist die Hoffnung des Advents in aller Alltäglichkeit: Doch, ja doch: Der Himmel öffnet uns die Tür: Die Tür zum Himmel, ein Stück davon. Der Himmel öffnet uns aber auch die Türen auf Erden. Und vielleicht fällt beides ineinander, wie die Menschwerdung Gottes: Die Tür zum Himmel ist die Tür auf Erden. Auf Erden, hier im Krankenhaus, begehen wir wortwörtlich den Advent, unser Adventsweg durch die vier Wochen bis Heiligabend führt uns an Türen vorbei, an vielen, offenen, geschlossenen, bekannten, neuen, eigenen, fremden. Die Hoffnung darin, dass sich irgendwo auf dem Weg eine himmlische Tür sich offenbart und öffnet.
In der ersten Adventswoche: ein erster Schritt. Wir stehen vor der geschlossenen Tür. Wie oft am Anfang eines Weges. Die Türe ist zu. Wir davor. Zwiespältige Gefühle und Gedanken: zu, zugemacht, vor der Nase zugeschlagen, verschlossen, ausgeschlossen. Die „Tür zu“ markiert sichtbar die Scheidelinie zwischen drinnen und draußen, zwischen dahinter und mir, vielleicht zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Kein Durchlass, kein Durchgang.
Was tun? Warten. Adventlich Warten. Bis vielleicht die Tür sich öffnet, auftut, nicht mehr zu ist. Wir warten geduldig, ungeduldig, denken, klopfen an, machen uns bemerkbar, merken uns als Wartende. Ängstlich, hoffend, harrend. Das Bild zeigt einen Menschen auf einen Berg, einen Hügel, über ihn etwas, was man kaum erkennen, entschlüsseln kann, eine Wolke vielleicht, bunt ist sie. „Ausschau“ heißt das Bild, der Mensch hält Ausschau. Merkwürdig: Vor verschlossener Tür Ausschau halten, warten und ausschauen. Ausschauen nach was? Sich konzentrieren auf das, was hinter der Tür ist, hinter der Tür sein könnte, was sich zeigen würde, wird, wenn sie sich öffnet. Das Warten wird anders, wird zur Sehnsucht, Sehnsucht nach Dahinter, nach Mehr, nach Himmel. Auf der Karte steht:
„Sehr auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ (Lukas 21, 28)

9. Dezember: Die Türklinke – Überraschung
 Adventskarte (2) Überraschung
Advent heißt Wiederholen. Wiederholen wir im wahrsten Sinne das, was letzte Woche ein Stock höher gesagt wurde. Holen wir es in unsere Gedanken:
Es ist die Hoffnung des Advents in aller Alltäglichkeit: Doch, ja doch: Der Himmel öffnet uns die Tür: Die Tür zum Himmel, ein Stück davon. Der Himmel öffnet uns aber auch die Türen auf Erden. Und vielleicht fällt beides ineinander, wie die Menschwerdung Gottes: Die Tür zum Himmel ist die Tür auf Erden. Auf Erden, hier im Krankenhaus, begehen wir wortwörtlich den Advent, unser Adventsweg durch die vier Wochen bis Heiligabend führt uns an Türen vorbei, an vielen, offenen, geschlossenen, bekannten, neuen, eigenen, fremden. Die Hoffnung darin, dass sich irgendwo auf dem Weg eine himmlische Tür sich offenbart und öffnet.
In der ersten Woche, in der letzten Woche war die Tür zu. Noch. Möchten wir adventlich denken. Jetzt ein zweiter Schritt, ein zweiter Mittwoch im Advent und vielleicht der entscheidende Augenblick, ein Augenblick: Der Moment, in der sich die Tür öffnet, nein, noch nicht! Der Moment, in dem sich die Tür zu öffnen beginnt, gleich beginnt zu öffnen, wo man weiß, ahnt, jetzt geht sie gleich auf.
Türen öffnen sich automatisch, Aufzugstüren, Lichtschranken, Schiebetüren, wir brauchen nur hinzuzutreten, schon gehen sie auf. So ist es aber nicht im Leben und mit den Lebenstüren. So haben Türen, als sie kulturell geschaffen wurden, Türklinken, mit ihnen kann die Tür, die vorher zu war, geöffnet werden. Das Runtergehen der Türklinke signalisiert dem anderen, dass sich die Tür gleich öffnen mag. Türklinken werden berührt, und mit ein bisschen Kraft heruntergedrückt, dann entschließt sich das Schloss und die Tür kann, wird geöffnet. Wie oft haben wir das gesehen und vielleicht gedacht, gefühlt: Endlich bewegt sich etwas, die Türklinke.
Endlich bewegt sich Gott. Das ist die Hoffnung des Advents. Gott bewegt sich, er setzt seine Kraft ein, die Tür zu öffnen, die Tür zu uns, zu sich. Das Bild für den heutigen Mittwoch trägt den Titel „Überraschung“. Sehr oft wissen wir genau, wer da die Tür aufmacht, wer der ist, der die Türklinke betätigt. Der Türklinken-Moment ist keine Überraschung. Advent heißt aber: überrascht werden, auch wenn wir den Advent sehr berechenbar machen. Das Bild zeigt unseren Menschen, der von oben überrascht wird. Es scheint als wolle der Mensch schon weitergehen …. Nun kommt von oben der Advent, die bunte, diffuse Wolke vor der Vorwoche hat ein Gesicht gewonnen: Ein kommender Engel: Zeichen: Gott rettet uns, das ist seine Überraschung, unvorhersagbar, unverdient, unmachbar: weil tatsächlich Erlösung, Befreiung, wirkliche! Der entscheidende Augenblick.
„Meine Seele preist die Größe Gottes, und mein Geist jubelt über Gott, mein Retter.“ (Lukas 1, 46-47). Gott

16. Dezember: Eine Türspalt – Güte
Adventskarte (3) Güte
Advent heißt Wiederholen. Wiederholen wir im wahrsten Sinne das, was letzte Woche ein Stock höher gesagt wurde. Holen wir es in unsere Gedanken:
Es ist die Hoffnung des Advents in aller Alltäglichkeit: Doch, ja doch: Der Himmel öffnet uns die Tür: Die Tür zum Himmel, ein Stück davon. Der Himmel öffnet uns aber auch die Türen auf Erden. Und vielleicht fällt beides ineinander, wie die Menschwerdung Gottes: Die Tür zum Himmel ist die Tür auf Erden. Auf Erden, hier im Krankenhaus, begehen wir wortwörtlich den Advent, unser Adventsweg durch die vier Wochen bis Heiligabend führt uns an Türen vorbei, an vielen, offenen, geschlossenen, bekannten, neuen, eigenen, fremden. Die Hoffnung darin, dass sich irgendwo auf dem Weg eine himmlische Tür sich offenbart und öffnet.
In der ersten Woche war die Tür zu, noch, dann sahen wir, wie sich die Türklinke bewegt. Ein entscheidender Moment. Jetzt sind wir auf dem Adventsweg einen Schritt weiter. Die Tür öffnet sich, wird geöffnet. Ein Türspalt.
Ein Türspalt weit. Das ruft in uns Bilder und Erinnerung, Gefühle und Gedanken hervor. Ich glaube, tief sitzende. Durch den Türspalt fällt Licht, ins Dunkle, durch den Türspalt wird ein bisschen sichtbar, was hinter der Tür ist, öffnet sich die Situation; man kann ein Stück weit reingucken, man kann etwas erahnen, sehen, hören … nicht ganz, aber schon, die Trennung „drinnen-draußen“ wird aufgelöst, die Welt wird durchlässig.
Wie weit ist der Türspalt, noch kann die Türe auch wieder zugehen, wieder geschlossen werden, aber die Hoffnung ist fast unzerstörbar: Jetzt ist sie auf, wir gehen hineingehen; Gott wird Mensch, er kommt zu uns. Er bittet uns: Komm zu mir! Bitte.
Das Bild zu dieser Woche trägt den Titel „Güte“. Güte und Türspalt?! Aus Güte aufgemacht, geöffnet? Aus Güte gesagt von Gott: Komm herein! Wir kommen zusammen, Himmel und Erde. Oder: Güte braucht Türspalten, eine kleine Ritze manchmal, ein kleiner Zwischenraum, in der sie kommen, werden kann. Das ist die weihnachtliche, frohe Botschaft: Der große Gott macht sich klein, klitzeklein; er kommt zu uns durch die engsten Türspalten, durch die erniedrigsten Seelenritzen. Unser Bild zeigt unseren Menschen, auf einem Berg, der Berg ist dunkel, ein Sorgenberg? Die rettende Überraschung hat nicht nur engelhafte Gestalt gewonnen, sondern kam ganz nah, hat sich intim verbunden, Himmel und Erde beginnen sich zu vermählen:
„Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sich dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ (Psalm 91, 11+12)

23. Dezember: Sperrangelweit – Lichtglanz
Adventskarte (4) Lichtglanz
Advent heißt Wiederholen. Wiederholen wir im wahrsten Sinne das, was letzte Woche ein Stock höher gesagt wurde. Holen wir es in unsere Gedanken:
Es ist die Hoffnung des Advents in aller Alltäglichkeit: Doch, ja doch: Der Himmel öffnet uns die Tür: Die Tür zum Himmel, ein Stück davon. Der Himmel öffnet uns aber auch die Türen auf Erden. Und vielleicht fällt beides ineinander, wie die Menschwerdung Gottes: Die Tür zum Himmel ist die Tür auf Erden. Auf Erden, hier im Krankenhaus, begehen wir wortwörtlich den Advent, unser Adventsweg durch die vier Wochen bis Heiligabend führt uns an Türen vorbei, an vielen, offenen, geschlossenen, bekannten, neuen, eigenen, fremden. Die Hoffnung darin, dass sich irgendwo auf dem Weg eine himmlische Tür sich offenbart und öffnet.
Wir sind den Adventsweg schon weit gegangen, fast am Ende, morgen ist Heiligabend. Sind wir angekommen? Mit uns, unsere Seele, unseren Wünschen, Sehnsüchten. Sind wir bereit? Bereitet? Die Tür war zu, die Türklinke bewegte sich, die Tür öffnete sich einen Spalt. So der Weg in den letzten drei Wochen. Und nun: ein Schritt weiter. Vielleicht überraschend, vielleicht aber auch nur ganz klar und endlich vollendend adventlich: sperrangelweit.
Die Sperrangel fixiert das offene Fenster, die offene Tür und verhindert, dass sie wieder zuschlägt. Der Himmel öffnet die Tür, Türen auf Erden zum Himmel. Die himmlische Tür ist nun weit aufgestoßen, wir können hereingehen, oder: Gott kann nun ganz zu uns kommen, in unser Leben, hindurch durch unsere, meine Lebenstür, Gast und Retter, Helfer und Vollender. Jesu Wort wird wahr: Ich bin die Tür zum Leben. Und dies jedes Jahr wiederkehrend, jedes Jahr immer wieder Advent, immer wieder, weil im Leben immer wieder etwas passiert, weil unser Leben immer wieder hin und her geworfen werden kann, weil nur vielleicht immer wieder alles gut geht, deswegen: jedes Jahr aufs Neue: Gott öffnet weit die Tür zum Leben. Und die Sperrangel sichert das ab. Die Tür bleibt sicher offen.
Das Bild in der letzte Adventswoche ist ganz anders, und es passt so zum ganz Anderen der Heilgennacht, die wir morgen erleben dürfen, aus lauter Güte heraus, als Lebensüberraschung, die uns eine heilsame Ausschau schenkt. Das Bild zeigt einen veränderten Menschen, der Gestalt nach und dem Inneren nach: Engel und Mensch sind eins geworden und gehen gemeinsam ihre Wege. Das Ganze ist überblendet mit Licht. Lichtglanz so der Titel des Bildes. Und das ist das Ziel unserer Wege: Im Lichte leben. Der Schein leuchtet sich durch die geöffnete Tür zu uns herein; ein letztes Wort vor Morgen:
„Gott ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Gott ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen.“ (Psalm 27, 1)