Sing- und Gedichtgottesdienst
(13. Sonntag nach Trinitatis, 19. August 2018)
(13. Sonntag nach Trinitatis, 19. August 2018)
Vor lauter Lauschen und Staunen
sei still.
Du
mein tieftiefes Leben;
Daß
du weißt, was der Wind dir will.
Eh
noch die Birken beben.
Und
wenn dir einmal das Schweigen sprach,
Laß
deine Sinne besiegen.
Jedem
Hauche gib dich, gib nach,
Er
wird dich lieben und wiegen.
Und
dann, meine Seele, sei weit, sei weit.
Daß
dir das Leben gelinge,
Breite
dich wie ein Feierkleid
Über
die sinnenden Dinge.
(RM
Rilke)
Nicht in die Weite
Herz,
mein Herz, nicht in der Weite,
In
der Nähe wohnt das Glück!
Glaube,
liebe, hoffe, leide,
Und
kehr’ in dich selbst zurück.
Wüchsen
über Nacht dir Flügel,
Schneller
als der Sonne Strahl,
Trügst
doch über Tal und Hügel
Rastlos
deiner Sehnsucht Qual.
Denn
die Welt kann dir nicht bieten
Das,
wonach du heiß verlangst;
Denn
die Welt hat keinen Frieden
Hat
nur Streit und Not und Angst.
Ewig
wechselnd ist ihr Streben,
Ewig
wechselnd ist ihr Ziel:
Was
ihr heute Rast gegeben,
Morgen
ist’s der Winde Spiel.
Drum,
mein Herz, nicht in der Weite,
In
der Nähe such‘ das Glück!
Glaube,
liebe, hoffe, leide
Und
kehr‘ in dich selbst zurück.
(Julius
Sturm)
Stufen
Wie
jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem
Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht
jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu
ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es
muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit
zum Abschied sein und Neubeginne,
Um
sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In
andre, neue Bindungen zu geben.
Und
jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der
uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir
sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An
keinem wie an einer Heimat hängen,
Der
Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er
will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum
sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und
traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur
wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag
lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es
wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns
neuen Räumen jung entgegensenden,
Des
Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan
denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
(Hermann
Hesse)
Für Einen
Die
Andern sind das weite Meer.
Du
aber bist der Hafen.
So
glaube mir: kannst ruhig schlafen,
Ich
steure immer wieder her.
Denn
all die Stürme, die mich trafen,
Sie
ließen meine Segel leer.
Die
Andern sind das bunte Meer,
Du
aber bist der Hafen,
Du
bist der Leuchtturm. Letztes Ziel.
Kannst
Liebster, ruhig schlafen.
Die
Andern … das ist Wellenspiel,
Du
aber bist der Hafen.
(M.
Kaleko)
Ein Rose als Stütze
Ich
richte mir ein Zimmer ein in der Luft
unter
den Akrobaten und Vögeln:
mein
Bett auf dem Trapez des Gefühls
wie
ein Nest im Wind
auf
der äußersten Spitze des Zweigs.
Ich
kaufe mir eine Decke aus der zartesten Wolle
der
sanftgescheitelten Schafe die
im
Mondlicht
wie
schimmernde Wolken
über
die feste Erde ziehen.
Ich
schließe die Augen und hülle mich ein
in
das Vlies der verläßlichen Tiere.
Ich
will den Sand unter den kleinen Hufen spüren
und
das Klicken des Riegels hören,
der
die Stalltür am Abend schließt.
Aber
ich liege in Vogelfedern, hoch ins Leere gewiegt.
Mir
schwindelt. Ich schlafe nicht ein.
Meine
Hand
greift
nach einem Halt und findet
nur
eine Rose als Stütze.
(Hilde
Domin)