Freitag, 6. Mai 2016

Liebeserklärung



Predigt an Exaudi (8. Mai 2016)

Epheser 3, 14-21
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Liebe erklären
Dieses Gebet ist wie eine große Liebenserklärung.
Von Zeit zu Zeit erklären Menschen sich einander die Liebe. Zärtlich, leise, alltäglich, außergewöhnlich. In ganz besonderen Momenten und vielleicht braucht aber eine Liebenserklärung auch das ganze Leben, die ganze Fülle von vielen Tagen, Sätzen, Berührungen, gemeinsamen erlebten, durchstandenen, wunderbaren Augenblicken. Jemand erklärt jemanden anderen die Liebe, fühlt sie in sich, überfließend, gewiss, wahrhaftig und gesteht sie, sagt sich, spricht sie aus, zu, gibt und schenkt sie dem anderen als Wertvollstes, als Schönstes, lässt den anderen als geliebten Menschen fühlen, sehen, erstrahlen, diese Liebe empfinden. Das Unsagbare der Liebe, deren Faszination und Tragkraft, deren Erhebendes und Alltagssattes, wird ausgesagt, das Unerklärliche erklärt, und bleibet kostbarstes Geheimnis.
Dieses Gebet ist wie eine wunderbare, kostbare Liebeserklärung. Da betet einer für einen anderen, für uns, die wir das Gebet hören, dass dieser, dass wir die Liebe bekommen, spüren, in sich haben, erfüllt davon seien. Er betet selbst erfüllt von Liebe zu dem, der die Liebe ist, zu Gott, und Gott möge dem anderen, uns, die Liebe schenken.
Eine Liebeserklärung Gottes.

Hingebungsvoll
Hingebungsvoll, voll Liebe, selbst erfüllt von ihr, betet der Beter dieser Worte. Er betet aus eigener Liebe, sie erfahren, geschenkt bekommen, er betet in Liebe für die Liebe. Er betet nicht für seine eigene Liebe, nicht in eigener. Er betet von Gottes Liebe geliebt in Gottes Liebe für Gottes Liebe.
Er betet kniend, gebeugt, versunken, ehrergiebig, selbst vollkommen bedürftig, angewiesen, ausgestreckt auf jene Liebe, um die er bittet, selbst hungrig und durstig nach Liebe, selbst von ihr lebend, sie gebend, sie erbittend, von dem, der die Quelle der Liebe ist.
Er betet eindringlich, eingehend, dreimal setzt er mit Gebetsworten immer wieder an, er schreitet in Worten Himmel und Erde ab, versucht beten in Worten alles zu umfassen, versucht den Glanz zu sagen, den Reichtum vor Augen zu malen, die wunderbare Kraft selbst spürbar zu machen, den, für den er betet, hineinzuführen, hineinzusprechen, hineinzubringen in jene Liebe, aus der er selbst alles schöpft: seine Worte, seine Gebet, seine Bitten, sich und sein Leben.

Überfließend
Überfließend, überbordend, aus sich herausgehend, suchend, findend, im höchsten Maße erfüllend ist ihm die Liebe Gottes, ist die Liebe Gottes. Sie ist alles durchpulsierende Kraft und Macht, sie kann zart und stürmisch sein, fordernd und selbst hingebungsvoll, erbarmend und zurechtrückend, gütig und geduldig, herrlich, nahe, unglaublich reich und bereichernd. Über alles ist sie alles umfassend, alles berührend, alles umarmend, alles bergend, alles haltend, heilend, befreiend, rettend.
Gottes Liebe erfüllt alles, Zeit und Raum, Himmel und Erde, kleine und große, Sünder und Heilige, sie ist überschwänglich, leidenschaftlich, schöpferisch, verändernd und hält geborgen. Sie ist unerklärlich, unfassbar, wirksam, verleiht Flügel und Wurzeln, in ihr erklärt sich Gott der Welt, uns, er erklärt sich als der, der er ist, er erklärt uns die Liebe.

empfangen
Erbeten, gewünscht, zugesprochen gibt die Liebe Kraft und Stärke. Kraft und Stärke, sie zu empfangen, in ihr zu leben. Nicht eigene Kraft, nicht eigene Stärke, auch wenn sie in und an uns ist. Sondern Kraft und Stärke dessen, der Liebe schenkt, der schenkt, dass in uns, im Herzen Christus selbst einwohnen, sich lebendig einnisten kann. Menschen ganz bedürftig, angewiesen, ganz offen, vielleicht auch wundgelebt, schmerzlich aufgebrochen bekommen Gottes Kraft, dass die Liebe Christi in ihnen einwohne, sich einwurzle, sich dort gründe und dort selbst zum Grund, zum Fundament, zur Quelle, zur Lebenskraft wird.
Menschen werden immer tiefer in diese Liebe hineingeführt, kommen hinein, wohnen selbst der Liebe ein, finden sich ein, finden sich und ihr Leben in dieser Liebe, die nicht ihre ist, aber ihnen geschenkt ihre wird, sie selbst wird. Das Unfassbare, das Unermessliche der Liebe, deren Größe, deren Geheimnis, deren unerfindliche, spürbare Macht verstehen Menschen, erfassen, begreifen sie, so wie Menschen Liebe begreifen, wenn ein Jemand zutiefst liebt und geliebt wird, die Liebe einen begreift, umgreift und uns hineinnimmt in sich, in all ihrer wunderbaren Breite und Länge, Höhe und Tiefe, in ihren alles heilsam umfassenden Raum.
Mit den Augen der von Gott geheiligten, zu tiefst geliebten Menschen die Liebe selbst dann sehen und von ihr erfüllt werden. Diese Fülle empfangen und in sich tragen und ihrer wie alle anderen bedürftig in Höhen und Tiefen, in der ganzen Weite und Enge des Lebens, um sie bitten, für sie beten, für andere anderen beten, um Liebe für andere bitten, auch die Liebe Gottes erklären.
Amen.