Predigt zum 120. Jahresfest 2018 (5.
Sonntag nach Trinitatis)
1. Mose 12, 1-4a
1 Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner
Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen
will. 2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir
einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3 Ich will segnen, die
dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet
werden alle Geschlechter auf Erden. 4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm
gesagt hatte.
Neuer Abram
Abram ist angesprochen. Von Gott. Gottes
Wort trifft ihn, mitten im Alltag, mitten ins Leben. Gott fordert Abram auf.
Gott fordert ihn heraus. Abram soll gehen und sehen. Gott gibt Abram eine
Vision. Er führt ihm vor Augen und ins Herz, wohin es geht, was dort ist, wie
dort Leben sein wird. Abram lässt sich von Gott etwas zeigen und er vertraut
ihm. Gott verspricht ihm, er sagt ihm Wirklichkeit zu, er sagt und zeigt ihm etwas,
was noch nicht ist, was aber sein wird. Eine andere, eine neue Wirklichkeit.
Gott verspricht Abram ein neues
Leben. Er spricht ihn an und spricht sein Leben um und neu. Gottes Wortmacht
und Abrams Vertrauen schaffen neues Leben. Abram wird ein anderer, ein neuer sein.
Es ist wie eine komplette Neuausrichtung, eine Konversion, die er erlebt, wie
eine geschenkte wie Taufe. Das Wort Gottes, das ihn trifft und herausfordert, schafft
eine neue Existenz. Abrams Name und Volk wird groß werden, er selbst wird gesegnet
sein - und er wird Segen und Fluch bringen.
Abram hört, folgt, bricht auf und
geht.
Reiche Diakonissen
Menschen hören Gottes Wort, nicht
immer, aber durchaus. Gott spricht sie an und fordert sie heraus, sie antworten
und werden zum Segen. Immer wieder. Unsere Diakonissen haben Gott gehört, so
ganz in ihrem eigenen Leben und so, wie sie sind. Sie haben sich von Gott
ansprechen lassen, und auf sein Wort hin sind sie herausgegangen, herausgegangen
aus der Schablone eines vorgesehenen Lebens, aus Vaterhaus und Verwandtschaft,
aus dem, was ihr bisheriges Woher war. Hinein in ein anders, in neues Leben.
Sie haben ihr Leben um-sprechen
lassen und haben ihr Leben, ihre Arbeitskraft, ihre Persönlichkeit versprochen,
Gott und anderen Menschen. Sie haben im Krankenhaus und in Gemeinden gearbeitet,
an Betten auf Stationen und Häusern gesessen, haben versorgt, gepflegt, Leiden
gelindert. Sie waren und sind sicher nie ohne Ecken und Kanten, aber immer
pragmatisch und liebenswert. Sie wurden eingesegnet und der Segen Gottes lag und
liegt auf ihnen. Mit ihnen sind wir reich gesegnet, überreich, seit der
Gründung unseres Hauses seit 120 Jahren wird durch sie wirklich, was Gott
Menschen verspricht, was Gott Menschen an neuer Wirklichkeit verheißt: Du
sollst ein Segen sein. Unsere Diakonissen hörten, folgten, brachen auf und
gingen – und waren reicher Segen.
Verlassene Kirche
Angesprochen, herausgefordert, etwas
gezeigt und versprochen bekommen, herausgehen und gesegnet zum Segen werden. Das
wünsche ich mir für die Kirche und für das Mutterhaus. Eine Kirche, die spürt
und vernimmt, dass sie von Gott angesprochen ist. Eine Kirche, die von Gott
herausgefordert wird, anspruchsvoll und zärtlich, bestimmt und motiviert. Eine
Kirche, die sich von Gott etwas zeigen lässt, die etwas zu sehen bekommt, der
die Augen auf- und übergeht. Eine Kirche, die herausgeht, immer gerade aus dem,
was ihr Vaterhaus, ihr Nahes, Gewohntes, Vertrautes ist und die dann dem Herausrufen
Gottes folgt, alles verlässt, um alles zu finden. Eine Kirche, die den Exodus
probt, dahin geht, wo Gott es ihr zeigt, wohin sie versprochen ist. Eine
Kirche, die davon lebt, dass sie selbst gesegnet ist, bevor sie segnet, die davon
lebt, dass in ihr der Segen lebt, gesegnete Menschen denken und handeln und die
dann hinausgegangen zum Segen wird, einfach so, unverkrampft, kräftig begabt - und
eine Kirche, die manchmal auch zum Fluch wird, eine ab und zu auch verfluchte
Kirche, weil sie für Gott einsteht.
Eine Vision. Vielleicht. Wir im
Mutterhaus sind Kirche, sind von Gott angesprochen, gerufen, herausgefordert,
wir bekommen von ihm was gezeigt, dürfen sehen und gehen hinaus, sollen Segen
werden. Der Segen, der auf uns liegt, der uns versprochen ist, der ruft heraus,
heraus aus unserer Tradition und unserem Erbe, mit ihm, mit dem, wer wir über
120 Jahre geworden sind, neue zu werden, den über so viel Jahre geschenkten Segen
neu weiter zu schenken an die, die ihn brauchen, an die modern Mühseligen und Geplagten.
Alle kostbar
„In dir sollen gesegnet werden alle
Geschlechter auf Erden.“ Dieser ungeheure Zuspruch für Abram wird protestantisch
auf alle verteilt, ist allen geschenkt und allen ein lebendiger Vorzuschuss und
Vorgeschmack. Jeder Mensch, jeder von uns ist es Gott wert: Gott spricht ihn an;
Gott ruft ihn hinaus, Gott zeigt ihm Leben und lässt ihn es sehen, Gott legt seinen
Liebessegen auf ihn und Gott macht ihm zum Segen. In jedem sollen alle gesegnet
sein. In jedem sind alle gesegnet. In jedem Menschen, in jedem von uns, liegt
etwas Einmaliges von Gott. Etwas, das für jeden einmalig kostbar ist. Amen.