Predigt am 1. Christtag 2014
(25.12.2014)
Getragen
Maria trägt Jesus. Ihr Gesicht ganz versunken, ihr Blick auf
das, was sie trägt, wohin sie es trägt. Ihr Gesicht zart, rein, leicht vom
Mondlicht beschienen. Ihr Blick trägt etwas Trauriges, etwas dunkel Wissendes, ist
voller Worte ihres Gottes, der sie aus der Niedrigkeit aufgehoben hat. Ihre
Hände, leicht rot, blutig vom Weg durch die Dornen, hat sie an ihrem Körper
gelegt, schwer wankend ihr Schritt. Ihre Hände halten Kostbares fest, ihre eine
Hand liegt auf ihrem Herzen, die andere umschließt ihren Bauch. Sie umhüllt,
schützt, berührt, trägt Jesus.
Ob Maria schwanger das noch Ungeborene im Bauch und unter dem
Herzen trägt. Oder ob Maria den frisch geborenen, ganz kleinen Jesus auf den
Armen unter dem Mantel trägt, ist nicht zu sehen, zu entscheiden: geht Maria
vor oder nach der Geburt Jesu mit ihm durch den Dornwald? Das Bild lässt es
offen. Es lässt offen, wo wir, die es anschauen und in Händen tragen, uns
hineinversetzen wollen, wo wir gerade stehen; es versetzt uns fast zeitlos
zwischen die Zeiten: vor der Geburt, nach der Geburt Jesu, in die Zeit seiner Dornen
an Karfreitag.
Wo stehen wir gerade mit Jesus? Wir feierten Heiligen Abend. Wir
tragen Jesus irgendwie mit uns. Unter dem Herzen? Unter einem Mantel? Wir tragen
ihn irgendwie mit uns; vielleicht ähnlich der Maria: wollen ihn eigentümlich
gebrochen wie ganz Kostbares berühren, nah an uns, es schützen, uns bewahren.
Unsere Gesichter und unsere Hände sind andere, und doch könnten sie wie Maria
Jesus in uns tragen. Wohin?
Dornen
Maria geht durch einen Dornwald. In der Nacht, nur leicht
scheint ihr das Mondlicht. Das Blau ihres schützenden Mantels verschwimmt mit
dem etwas dunkleren Blau der Nacht, beide verschmelzen. Dunkel. Fast
unheimlich. Maria geht durch das Gestrüpp, das Dickicht. Es ist für sie ein
unwegsamer Weg, ein unwirtlicher Ort. Sie verfängt sich mit ihrem Mantel, sie
sticht sich an den Dornen, tut sich wehr, verletzt sich. Sieben Jahre hat der
Dornwald kein Laub getragen, singen wir nachher im Lied. Sieben Jahre ohne
Laub, ohne Blätter, ohne Frucht, sieben Jahre ohne Leben, lange Zeit leblos,
tot.
Dornwaldwege sind auch unsere, im Dickicht des Lebens
verfangen, sich verletzen, furchtbare unwegsame Wege gehen, zur Nacht,
unsicher, irgendwie mitten im Leben leblose Wege, ein unwirtliches Leben. In
der einen Heiligen Nacht wohnen auch all unsere Nächte, die Lebens-Nächte, mit
ihrer Seelendunkelheit.
Für Maria ist klar: Sie wird es nicht schaffen. Sie wird
ihren Jesus nicht durch den Dornwald, an den Dornen unverletzt, unbeschädigt
vorbei bringen. Ihr Kind im Arm wird größer werden, wird sich an dem Arm der
Mächtigen stoßen, wird gefangen genommen, verhört, ihm werden Dornen den Kopf
blutig stechen. Ihr Kind im Arm wird als Erwachsener gekreuzigt und wird sterben.
Daran kann Maria nichts ändern, gar nichts, so sehr sie auch im Dornwald sich
müht. Vielleicht trägt deswegen ihr Gesicht, ihr Blick den Schatten der Trauer.
Rosen
Da haben die Dornen Rosen getragen. Singen wir nachher und
sehen wir auf dem Bild. Schon immer. Blühen die Rosen auf durch die Berührung
Marias, in jenem Augenblick, in dem sie vorübergeht? Die Dornen blühen nicht.
Sie tragen die Rosen. Sie bleiben Dornen, aber sie tragen wie ein zweites Wesen
Rosen, Rosen, die aufgeblüht sind. So nah sind Schmerz und Herrlichkeit.
Die Rosen im Vordergrund sind größer gemalt, die im
Hintergrund kleiner gemalt, in Wirklichkeit sind sie alle gleich groß, sie
bahnen Maria den Weg durch das Dickicht, sie bahnen ihr den Weg, machen ihren
unwegsamen Pfad zu einem gangbaren Weg. Das ist das Wunder. Eigentlich war das
Lied, das wir gleich singen, ein Wallfahrtslied. Maria und Jesus gehen ihren
Weg durch den Dornwald, unbeschadet. Das Mondlicht bescheint beide und zeigt
sanft den Weg an. Maria sieht ihn froh-traurig. Wie ein kleines schützendes
Dach neigen sich die Dornenrosen leicht ineinander und bergen Maria wie in
einem angedeuteten Bogen.
Was auf dem Weg wirklich erblüht, ist das Leben Jesu. So wie
es das Lied „Maria durch ein Dornwald ging“ besingt: Wie wird sein Name sein?
Christus. Wer wird ihn taufen? Johannes. Was ist sein Patengeschenk? der Himmel
und die ganze Welt. Wer erlöst die Welt allein? das Christkindlein. Das ist das
eigentliche wirkliche Wunder. Es ist ein Weihnachtsbild, das Karfreitag und
Ostern predigt und uns die Erlösung sagt.
Wunderbarer Tausch
Christus bahnt den Weg durch den Dornwald. Als Christkindlein
erlöst er die Welt. Aus einem leblosen, toten Lebens-Dickicht, aus einem
dunklen Nachtweg erblüht das Leben, kommen Menschen, wir durch unsere
Lebens-Dornwälder, werden von Bösen erlöst und uns blüht das Leben. Das Rosa
zusammen mit den Hellblauen künden davon. Sie zeugen von anbrechender,
aufbrechender Lebendigkeit, von der tiefen Sehnsucht nach einem neugeborenen
Leben. Die des Kindes und die von uns.
Das, was Maria im Herzen, als noch Ungeborenes unter dem
Herzen, als Lebendiges geborgen unter dem Mantel ganz nah bei sich durch Dornen
und Gestrüpp trägt, das trägt sie. Das Christkindlein, Christus, der sich
unserer erbarmt und uns zum Leben befreit, trägt sie, trägt sie durch eigenes
Dickicht. Ein wunderbarer Tausch.
Das, was wir nach dem Heiligen Abend wie auch immer von Jesus
in uns tragen, in uns bewahren wollen, das trägt uns. Ein wahrlich
weihnachtlich wunderbarer Tausch. Christus trägt uns mit unserem noch nicht
geborenen, aber schon lebendigen Leben durch alle schlimmen Widerfahrnisse,
Dunkelstunden hindurch und schenkt uns in Liebe sein, unser Leben: Kyrieleison.
Jesus und wir. Amen.
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