Dienstag, 30. Dezember 2014

Am Tisch



Predigt zum Altjahresabend 2014 (31.12.2014)

Lukas 12, 35-40
Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie. Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Der Tisch des Jahres
Am Tisch sitzen wir. Um zu essen, etwas zu lesen, zu schreiben, zu arbeiten, andere zu treffen, die auch dort sitzen, saßen. Tische haben meistens vier Beine, sind aus Holz, Glas, Chrom. Sie sind vollgestellt, aufgeräumt, haben nach dem Essen immer die gleiche Dekoration; sie wechseln sich ab im Laufe unseres Lebens, früher saßen wir am Tisch der Eltern, dann kauften wir die ersten eigenen und jetzt nehmen vielleicht die Enkel Platz daran, oder nur wir selber.
Tisch ist immer Ort unseres Lebens, einer von vielen. Er ist Ort für Gespräche, Begegnung, Streit, für ein Glas Rotwein, eine Tasse Kaffee, Tischsets und Adventskranz; an ihm spielen manche Szenen unsres Lebens, wir verbinden sie mit denen, die auch am Tisch saßen, mit uns, mit dem, was gesagt, gesprochen wurde, was geschah, was ausblieb, was da war, ist. Irgendwie ist Tisch auch alltägliches Spiegelbild unseres Lebens.
Wie sah unser Tisch im vergehenden Jahr aus? Ist es immer noch der gleiche, hat er sich verändert? Ist er neu, an einem neuen Ort, ist er alt, Kontinuität? Saßen und sitzen die gleichen Menschen am Tisch, oder sind welche dazu gekommen oder gegangen. Als wer saß ich am Tisch in diesem Jahr? Mit welchen Gedanken, Worten, Vorhaben, Plänen, Hoffnungen, Schmerzen saß ich, saßen wir da?
Was hat das Jahr 2014 mir auf den Lebens-Tisch gestellt, gelegt? Was hat dieses vergehende Jahr mir vielleicht vom Tisch genommen, weggenommen, und vielleicht neu hingestellt? Irgendwie sammelt sich alles auf diesem Lebens-Tisch, das, was da ist, was weg ist, nur noch da als Fehlendes, als Verlorenes, was war, geschah, ausblieb, erwünscht wurde, eintrat, all die Menschen, irgendwie unsichtbar, all die Tage, Nächte, Stunden, an meinem Lebens-Tisch.

Auf das Wesentliche warten
Das Wesentliche im Leben haben wir vielleicht gerade nicht in der Hand. Wir können es nur schwer, eigentlich kaum bestimmen. Es kommt, oder bleibt aus, es tritt ein, ereignet sich, begegnet. Oder nicht. Es entzieht sich uns. Das Wesentliche, das, was unserem Leben seinen Glanz, seine Tiefe, sein Reichtum, sein Recht gibt, ist größer als wir; nicht wir es, sondern es erfüllt, verstört, verändert, bestimmt uns.
Auf das Wesentliche warten wir, anders können wir nicht. Wir warten, dass es kommen mag. Wir warten viel, immer wieder, und auf das meiste, was wir warten, warten wir bestimmt, wir wissen, es kommt, es kommt zu diesem oder jenem Zeitpunkt, an jenen oder diesen Ort, wir warten genau bis es da ist, manchmal kommt es später, und wir vertreiben uns die Zeit; mal früher und wir sind ein bisschen überrascht. Aber im Grund wissen wir wann es kommt.
Es ist, wie in guter Routine, einen Tisch decken, wissen, bestimmen, wo was hinzustellen ist, wer da sitzen wird, was da sein wird am Tisch.
Das Wesentliche aber erhoffen wir, wir vertrauen darauf, dass es zu uns kommt, verzweifeln, wenn es ausbleibt, lieben es herbei, sind erfüllt, wenn es da ist. Auf das Wesentliche warten wir sehnsüchtig, wir harren auf sein Kommen, auf den Moment, wo es uns das zu geben vermag, was wir wesentlich im Leben zum Leben brauchen. Wie die Angst vor dem Furchtbaren, ist das Sehnen nach dem Wunderbaren ein Harren, ein Harren auf das, was kommt, ein Harren, das uns bestimmt, ein Ausstrecken, ein zartes Öffnen, ein eigenes Da-Sein, Bereit-sein. Wie der Tod kann das Leben jederzeit sich ereignen, uns begegnen, und da wo wir darum wissen, dass das so ist, sind wir schon bereit beide zu empfangen.

Von Gott gedeckt
Plötzlich, unerwartet erwartet, wird unser Lebens-Tisch zu Gottes Lebens-Tisch, wird unser Tisch 2014 zu seinem. Gott hat sich selbst darauf vorbereitet, er hat es vorgehabt; er hat dieses Jahr als seines gesehen. Gott selbst kommt zu unserem Tisch, er hat, als wir auftaten, angeklopft. Er tritt in unser Leben, wird ihm gegenwärtig, als sei es unseres und sei es seines, er kommt in Liebe in sein Eigentum, um uns mit sich zu erfüllen.
Unser Lebens-Tisch, unser Tisch 2014 wird zu seinem Ort, zum Ort des Lebens-Notwendigen, des Wesentlichen zum Leben. Wo wir wartetet, da waren wir schon längst von ihm eingeladen und gerufen Wo wir uns mühten, unser Leben, unser Jahr so gut wie es nur irgendwie ging gut zu machen, war er schon längst unser Gastgeber und wir seine Gäste. Wo wir über unseren Lebens-Tisch den Kopf zerbrechen, Fragen haben, das Jahr wenden und drehen und ihm etwas am Ende abringen, wo wir uns über Gutes freuen, über Schuld beschämt sind, über Zugefügtes weinen, dient er uns schon, dient er uns und verwandelt unseren Tisch in seinen Tisch, an dem er sitzt, Platz genommen hat, an dem er schon immer mit uns saß als unsichtbarer Tischgenosse.
Es ist unerwartet sein Lebens-Tisch, sein Jahr 2014. Das, was wir schon immer erwarteten, was es immer schon war. Und er deckt ihn neu. Wir werden wieder an Tischen sitzen, an eigenen, an fremden, verändert, alt, an leeren, an vollen, an welchem mit Schuld und Glaube mit geliebten und gleichgültigen Menschen, mit Wundern, die wir erwarten, und Liebe, die uns begegnet. Gott wird genau diesen Lebens-Tisch 2015, so Hoffnung an der Wende der Jahre, neu decken, mit dem, was wesentlich ist:
Mit Nahrhaften für die Seele, dem Vorgeschmack auf sein Reich und mit einem Bissen täglich Brot, dass wir leben. Amen.

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