Sonntag, 22. Dezember 2013

Gegensätze versöhnen



Predigt zum Christvesper 2013 (24.12.13)

Draußen vom Wald einen grünen Tannenbaum sich drinnen ins Wohnzimmer stellen und ihn grün mit bunten Kugeln behängen. Ganz eng sich auf eine Kirchenbank setzen und die Weite des Himmels erspüren. Auf kalten Weihnachtsmärken sich mit warmem Glühwein das Stehen versüßen. Ferne Gäste sich einladen, damit sie an Weihnachten ganz nah kommen. Was sonst gegensätzlich, fast unvereinbar ist, wird an Weihnachten merkwürdig zusammengebracht, wie versöhnt: draußen und drinnen, eng und weit, kalt und warm, nah und fern.

Lesung Lukas 2, 1-5
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.

Fernes nah
Es. Mit Es beginnt alles. Neutral. Distanziert. Fern. Wie festgestellt. Ein übergroßes Es: alle Welt, jedermann, ein jeder, die allererste. Übergroß, umgreifend, gewaltig, ein Es des großen Kaisers August und des etwas kleineren Statthalters Quirinius. Ein Es der fernen Macht, Gewalt, des Gebots, der Anordnung für alle. Das Es einer Schätzung, ein Es von kühlen, neutralen Zahlen, Strichen, Berechnungen, Namen, Listen, Listen voller gezählter Jedermanns und Niemands.

Josef und Maria waren, sind aber Jemand. Für uns. Für Jesus. Sie tragen einen Namen. Das Kind im Bauch auch. In den übergroßen, feststehenden Es bewegen sie sich, müssen, sollen sich zählen lassen. Sie sind aber einzigartig, Maria ist Gottesmutter, Gottgebärerin. Sie ist mit Jesus schwanger. Und es gibt wohl nichts Näheres an dies: ein anderes Leben in eigenen Leib zu tragen, zu nähren, ihm Atem, Blut und Herzschlag zu geben, alle Tage und Nächte für bestimmte Zeit es wie unter dem eigenen Herz zu tragen und der Welt zu schenken.

Lesung Lukas 2, 6-7
Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.


Warmes kalt
Der entscheidende Augenblick ist in fast furchtbar kurzen knappen Sätzen eingegraben. Da wird geboren der Messias, der Heiland, der Retter, die Erlösung, das Wort Gottes, die Ewigkeit, der Himmel in die Zeit. Die ungeheure Intimität, Energie, ja Wärme jeder Geburt wird hier erzählt, das Herauspressen des Allerliebsten, der erste Blick in die Augen des Erstgeborenen, die behutsam Sorgfalt, ihn in Windeln zu wickeln, ihn in den Armen an der Brust zu halten, ihn in die Krippe zu legen und still und stumm das Gotteswunder zu bestaunen.
Keinen Raum hatte es in der Herberge. Kein Raum, kein Platz, kein Ort, kein Verständnis, kein Interesse, kein Gedanke. Hier nicht, dort nicht und dort drüben auch nicht. Eine ungeheure Kälte, Gleichgültigkeit steht Jesus, der Intimität der Geburt des Himmels in die Welt, gegenüber, eine Kälte, die übersieht, nicht sieht missversteht, was da an Bedeutsamen, Wunderbaren, Heiligen geschieht: Dafür kein Platz im Herzen, kein Platz im Sinn, kein Platz im Leben. Wie tragisch!
Lesung Lukas 2, 8-14
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.  Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

MUSIK

Enge weiten
Noch klingt das Es, das übergroße Es inmitten von Wärme und Kälte, Nähe und Ferne nach, wie ein dumpfer, stiller Nachhall der Größe und Macht des Augustus, aber im kleinen Kind liegt jetzt schon alles beschlossen. Naheliegend waren die Hirten, sie werden zu Nachbarn des Heils. Wachen bei den Schafen in derselben Gegend, teilen unverhofft Raum und Zeit mit Jesus.
Sie teilen ihren eigener Raum, ein Raum, eine Enge, beschrieben durch Schafe und deren Radius, durch Hürden, die wahrscheinlich schon immer da stehen, durch ein Leben, in dem der Vater schon Hirte war, in dem alles vorhersehbar ist, weil immer gleiches Hirtenleben, eng, eng gemacht durch das leben am Rande und in Armut.
Diesen Hirten erscheinen die Engel, in leuchtender Klarheit und mit wunderbaren Worten voller Licht, voller Wärme, voller Nähe, voller Freude, voller Frieden für alle. Randvoll. Und der Himmel bricht auf für die Hirten, der kosmische und ihr eigener, er weitet sich unendlich, und sie sehen die Engel singen, die Heerscharen loben, ein Stück von Gott selbst und alle Hirten-Enge, alle Enge des Lebens wird geweitet durch den Himmel darin.

Lesung Lukas 2, 15-19
Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.

Innen überall
Was die Hirten erleben, sehen, erfahren setzt sie in Bewegung, vom Feld zur Krippe, von der Krippe hinaus. Sie sind in Bewegung in sich selbst, wo stumm war sind jetzt Worte: Sie sprechen, sie gehen, sie eilen, sie kommen, sie finden, sie breiten das Wort aus, erzeugen Verwunderung und Herzensbewegung bei anderen, kehren zurück und singen innerlich geweitet wie die Engel vom Himmel. Sie können gar nicht das behalten, was sie bewegt, ihr Leben ist mit dieser Nacht ein anderes geworden, sie müssen es aus sich heraus und in die Welt bringen, sagen und tragen.
Und die, die ganz nah, den ehemals fernen Gott in sich trug. Sie, die mit warmen Herzen in kalter Welt den Heiland gebar. Sie, die miterlebte, wie Gott das Leben auf Erden durch seinen Himmel weitet. Sie, Maria behielt all dies in sich, all diese Worte, die voller Licht, Bewegung, Ehre, Freude, Frieden, Wohlgefallen sind. Innen drin, in ihrem Tiefsten, bewegte sie das alles, jene heilige Nacht, Gottes Liebe, die in ihr Leben fiel, wie in unseres durch jene Nacht. Fröhlich und selig sind wir: Gott hat die Welt mit sich versöhnt. Amen.

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