Predigt zum Christvesper 2013
(24.12.13)
Draußen vom Wald einen grünen Tannenbaum
sich drinnen ins Wohnzimmer stellen und ihn grün mit bunten Kugeln behängen. Ganz
eng sich auf eine Kirchenbank setzen und die Weite des Himmels erspüren. Auf
kalten Weihnachtsmärken sich mit warmem Glühwein das Stehen versüßen. Ferne
Gäste sich einladen, damit sie an Weihnachten ganz nah kommen. Was sonst
gegensätzlich, fast unvereinbar ist, wird an Weihnachten merkwürdig
zusammengebracht, wie versöhnt: draußen und drinnen, eng und weit, kalt und
warm, nah und fern.
Lesung Lukas 2, 1-5
Es
begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging,
dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und
geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging,
dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch
Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt
Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids
war,damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war
schwanger.
Fernes nah
Es. Mit Es beginnt alles. Neutral.
Distanziert. Fern. Wie festgestellt. Ein übergroßes Es: alle Welt, jedermann,
ein jeder, die allererste. Übergroß, umgreifend, gewaltig, ein Es des großen
Kaisers August und des etwas kleineren Statthalters Quirinius. Ein Es der
fernen Macht, Gewalt, des Gebots, der Anordnung für alle. Das Es einer
Schätzung, ein Es von kühlen, neutralen Zahlen, Strichen, Berechnungen, Namen,
Listen, Listen voller gezählter Jedermanns und Niemands.
Josef und Maria waren, sind aber
Jemand. Für uns. Für Jesus. Sie tragen einen Namen. Das Kind im Bauch auch. In
den übergroßen, feststehenden Es bewegen sie sich, müssen, sollen sich zählen
lassen. Sie sind aber einzigartig, Maria ist Gottesmutter, Gottgebärerin. Sie
ist mit Jesus schwanger. Und es gibt wohl nichts Näheres an dies: ein anderes
Leben in eigenen Leib zu tragen, zu nähren, ihm Atem, Blut und Herzschlag zu
geben, alle Tage und Nächte für bestimmte Zeit es wie unter dem eigenen Herz zu
tragen und der Welt zu schenken.
Lesung Lukas 2, 6-7
Und als
sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren
ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie
hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Warmes kalt
Der entscheidende Augenblick ist in
fast furchtbar kurzen knappen Sätzen eingegraben. Da wird geboren der Messias,
der Heiland, der Retter, die Erlösung, das Wort Gottes, die Ewigkeit, der
Himmel in die Zeit. Die ungeheure Intimität, Energie, ja Wärme jeder Geburt
wird hier erzählt, das Herauspressen des Allerliebsten, der erste Blick in die
Augen des Erstgeborenen, die behutsam Sorgfalt, ihn in Windeln zu wickeln, ihn
in den Armen an der Brust zu halten, ihn in die Krippe zu legen und still und
stumm das Gotteswunder zu bestaunen.
Keinen Raum hatte es in der Herberge.
Kein Raum, kein Platz, kein Ort, kein Verständnis, kein Interesse, kein
Gedanke. Hier nicht, dort nicht und dort drüben auch nicht. Eine ungeheure
Kälte, Gleichgültigkeit steht Jesus, der Intimität der Geburt des Himmels in
die Welt, gegenüber, eine Kälte, die übersieht, nicht sieht missversteht, was
da an Bedeutsamen, Wunderbaren, Heiligen geschieht: Dafür kein Platz im Herzen,
kein Platz im Sinn, kein Platz im Leben. Wie tragisch!
Lesung Lukas 2, 8-14
Und es
waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des
Nachts ihre Herde. Und der Engel des
Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie
fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht!
Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn
euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der
Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln
gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die
Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott
in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
MUSIK
Enge weiten
Noch klingt das Es, das übergroße Es inmitten
von Wärme und Kälte, Nähe und Ferne nach, wie ein dumpfer, stiller Nachhall der
Größe und Macht des Augustus, aber im kleinen Kind liegt jetzt schon alles
beschlossen. Naheliegend waren die Hirten, sie werden zu Nachbarn des Heils.
Wachen bei den Schafen in derselben Gegend, teilen unverhofft Raum und Zeit mit
Jesus.
Sie teilen ihren eigener Raum, ein
Raum, eine Enge, beschrieben durch Schafe und deren Radius, durch Hürden, die
wahrscheinlich schon immer da stehen, durch ein Leben, in dem der Vater schon
Hirte war, in dem alles vorhersehbar ist, weil immer gleiches Hirtenleben, eng,
eng gemacht durch das leben am Rande und in Armut.
Diesen Hirten erscheinen die Engel,
in leuchtender Klarheit und mit wunderbaren Worten voller Licht, voller Wärme,
voller Nähe, voller Freude, voller Frieden für alle. Randvoll. Und der Himmel
bricht auf für die Hirten, der kosmische und ihr eigener, er weitet sich
unendlich, und sie sehen die Engel singen, die Heerscharen loben, ein Stück von
Gott selbst und alle Hirten-Enge, alle Enge des Lebens wird geweitet durch den
Himmel darin.
Lesung Lukas 2, 15-19
Und als
die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst
uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist,
die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria
und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten,
breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle,
vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
Innen überall
Was die Hirten erleben, sehen,
erfahren setzt sie in Bewegung, vom Feld zur Krippe, von der Krippe hinaus. Sie
sind in Bewegung in sich selbst, wo stumm war sind jetzt Worte: Sie sprechen,
sie gehen, sie eilen, sie kommen, sie finden, sie breiten das Wort aus,
erzeugen Verwunderung und Herzensbewegung bei anderen, kehren zurück und singen
innerlich geweitet wie die Engel vom Himmel. Sie können gar nicht das behalten,
was sie bewegt, ihr Leben ist mit dieser Nacht ein anderes geworden, sie müssen
es aus sich heraus und in die Welt bringen, sagen und tragen.
Und die, die ganz nah, den ehemals
fernen Gott in sich trug. Sie, die mit warmen Herzen in kalter Welt den Heiland
gebar. Sie, die miterlebte, wie Gott das Leben auf Erden durch seinen Himmel
weitet. Sie, Maria behielt all dies in sich, all diese Worte, die voller Licht,
Bewegung, Ehre, Freude, Frieden, Wohlgefallen sind. Innen drin, in ihrem
Tiefsten, bewegte sie das alles, jene heilige Nacht, Gottes Liebe, die in ihr
Leben fiel, wie in unseres durch jene Nacht. Fröhlich und selig sind wir: Gott
hat die Welt mit sich versöhnt. Amen.
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