Sonntag, 29. Dezember 2013

Aus der Balance



Predigt an Neujahr 2014 (1.1.14) zur Jahreslosung: 
„Gott nahe zu sein ist mein Glück“ (Psalm 73, 28)

Nah und fern
Scheinbar ist alles schön ausbalanciert. Doch manchmal kommt etwas so nahe, dass Tränen uns über die Wangen fließen und tropfen, und ab und zu wünschen wir uns jemanden auf den Mond, soweit weg und so fern, wie es nicht geht. Vieles und viele können wir uns auf Distanz halten, es nicht an uns ranlassen, und wie ist es, wenn wir uns fast verlieren im anderen und Grenzen zerfließen.
Vielleicht ist alles eine Frage von Nähe und Ferne, von Entfernung, und unser Leben hat die Aufgabe, zwischen beiden einen Weg zu finden, vom Entscheidenden sich fernzuhalten und zum Entscheidenden die Nähe zu suchen; das Böse zu meiden, dem Unglück zu fliehen, Zuneigung zu suchen, an Herzenswärme sich zu nähren; sich den richtigen Menschen anzunähern, sich bekannt zu machen, sich zu befreunden, Nähe zu zeigen und Nähe zu wünschen, Grenzen nach und nach zu verschieben, um eine letzte zu respektieren; und das Ferne fern zu lassen, als das, was zu Recht aussteht, nicht da ist, vielleicht auch nie da sein wird. Und beides bedeutet Sehnsucht, nach Nähe und nach Ferne, nach Geborgenheit und Fremde, nach berührt und verwirrt werden, und im Moment der Liebe fällt beides in einen Augenblick, wenn Intimität den anderen als mein Fremdes und Geschenktes erlebt.
Wenn Gottes große Liebe wir und Jesus sind, wir immer nach seinem Weihnachten leben, dann ist in Jesus beides im Grunde beschlossen: Nähe und Ferne.

Ein naher Gott
Mit Jesus, der Geburt des Gottessohnes auf Erden, hat Gott seine Nähe beschlossen. Er will ein naher, ein sich nähernder Gott sein. Das ist er nie nur, auch ist er Allmacht, Zorn, Eifer, Heiligkeit, Größe, auch ein ferner Gott, aber er gibt Nähe den Vorzug, der Verringerung der Distanz, denn: Liebe zieht an, magnetisch, kraftvoll, denn Liebe will unbedingt zum anderen, denn Gott sucht der Menschen Nähe.
Und Gott stellt Nähe zu sich her. Das ist ganz und gar seine Sache. Und dass und wo dies geschieht, da ist es Glück zu nennen, denn es ist ein geschenkter, gewährter, ein wunderbarer Moment. Und Gott sucht ja immer die Nähe und so ist er immer nahe- und zuvorkommend. Auch wenn wir Erdenkinder die Nähe nicht oder anders spüren, oder wenn wir verschiedene Zeiten dafür kennen oder wenn wir dafür ganz verschiedene Bezeichnungen haben oder wenn wir daran zweifeln, fast verzweifeln. Auch wenn wir ihn fern fühlen, weg, weit weg, abwesend, auch dann bleibt es dabei: Er ist ein  naher Gott. Das macht die gespürte Ferne nur bitterer.
Und selbst Jesus, die Nähe der Liebe Gottes, zweifelte am Ende und spürte Gott weit entfernt und sich verlassen, er ihn, er seinen Gott, den er auf wunderbare Weise den Menschen so nahe brachte, dass Gott da wurde und war und blieb. In Jesu Worten, Taten, Liebeswundern kam Gott den Menschen so nahe, dass er in ihr Leben kam und sie ihn gegenwärtig spürten, umfangen wurden von der Macht einer tiefen Liebe.

Das Glück der Nähe
Es gibt wohl mehr als tausend Wege zum Glück, so viele wie zum Unglück. Es gibt mehr als tausend Worte für Glück und einer davon heißt „Gott“. In seiner Nähe ist Glück. Seine Nähe bedeutet Glück. Es ist wie in den Armen dessen, den man liebt und der einen liebt, in dessen Armen ist das Glück, liegt das Glück, ist man tief beseelt, erfüllt, aufgewühlt und still angerührt, selig, glücklich. Gott ist Ort des Glücks, denn Gott ist Liebe, er ist der, der uns liebt und den wir lieben, manchmal lieben sollen, manchmal es kaum spüren oder darum kämpfen. Aber ein nahender Gott ist der liebende Gott und in der Nähe eines Liebenden, eines liebendes Gottes, da ist Glück, Seligkeit, Erfüllung.
Nie so, als sei damit das Leben gelungen oder perfekt, als gäbe es nicht vorher und nachher Unglück, Schatten, Schmerz, Verzweiflung, Bitterkeit, Fragen, Böses. Vor all dem schützt die Liebe nicht, die Liebe aber schenkt uns Nähe, Intimität, lässt uns teilhaben an dem, der hindurch trägt und Wunden pflegt, der Böses bekämpft und Kraft schenkt, der vor Versuchung warnt und verzeiht, der um das Kostbarstes in uns weiß und ringt.
Jesus war nie glücklich. Das war weder Thema noch Ziel für ihn. Die Nähe Gottes war sein Plan und Weg. Er hatte nach menschlichen Maßstäben wirklich viel Unglück zu erleiden, aber auch manches Glück. Am Ende fiel für ihn beides so in einen Zeitpunkt, dass es ein Wunder bedurfte. Jesus lebte  so aus der Nähe Gottes, dass er sie nicht nur den Menschen brachte, sondern er selbst eine geheimnisvolle Seligkeit empfand, eine Seligkeit derer, durch die Gott hindurch leuchtet.

Nähe suchen
Das kommende Jahr steht noch ganz frisch vor uns. Es ist ein rein menschlicher Zeitenschnitt. Gott hat nur die Ewigkeit und alle Zeit. Zumindest für uns könnte es eine bevorstehende Aufgabe sein, das Glück im kommenden Jahr zu suchen. Es wird uns kaum gelingen. Das Glück war schon immer schwer zu finden. Wir könnten dagegen die Nähe suchen, die Nähe zu Gott suchen, die Nähe, die allein er uns schenkt.
Denn: Liebe lässt sich gerne finden. Auch wenn sie einem geschenkt wird. Und Nähe suchen ist vielleicht urmenschlich. Menschen suchen Nähe und haben fast immer ein gutes Gespür dafür, wo heilsame, guttuende, liebende Nähe zu finden ist. Der Nähe Gottes vertrauen, sich nicht irr machen lassen durch andere Auskünfte über Gott, darauf vertrauen und im Notfall darauf setzen, dass er meine Nähe will, dass er seine Nähe zu mir sucht, findet und schenkt. Darauf hat Jesus still auch im Tode letztlich vertraut.
Und viele, die sich Jesus annäherten und denen Jesus die Nähe Gottes schenkte, begannen letztlich bei sich, begannen in und bei sich nach der Entfernung, nach dem entstanden Abstand zu Gott, zur Liebe zu fragen, zu suchen, und wurden über die Frage hinweg nachdenklich, kamen sich selbst näher, öffneten sich und waren dann bereit für die Nähe Gottes, wurden von seiner Liebe berührt.
Und dann passiert, geschieht: Kurz die Balance verlieren, die zwischen Nähe und Ferne, die Menschen austarieren, für einen Moment: Gottes Unnahbarkeit beruhigend ahnen, allen Abstand zu ihm sehen und aushalten, nur seinen Saum anfassen, den nächst höheren Baum besteigen, zum unter die Räuber gefallenen Menschen sich hin knien, das Glas voll Salböl nehmen, eine unschätzbarer Nähe berühren und selbst berührt werden von ihr, von Gott, seiner Liebe und glücklich werden für jenen einen ewigen Moment. Amen.

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