Sonntag, 30. Dezember 2012

Gott wohnt in meiner Stadt



Predigt an Neujahr 2013 zur Jahreslosung 2013:
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ 
(Hebräer 13, 14)

Städte bleiben
Menschen werden in Städten geboren und sterben dort. Sie wohnen in Städten, kaufen dort ein, treffen Freunde, besuchen Fußballspiele und Theater. Menschen ziehen um, wechseln die Städte im Laufe ihres Lebens. Menschen besuchen Städte, große, bekannte und sehen sie sich deren Gebäude an.
Menschen leben in Städten und Städte sind dichte Ansammlungen von verschiedenen Häusern. In den Häusern leben auch Menschen und sie leben in Wohnungen und die Wohnungen haben Räume. Menschen wohnen und leben in Räumen und an Orten.
Städte sind Orte. Dort, wo ich geboren wurde, ist ein Ort; da, wo ich arbeite, ein anderer; und dort, wo ich andere treffe, ist wieder ein anderer Ort. Unser Leben ist eine Landkarte mit verschiedenen Orten, vielen oder wenigen, und jeder Ort erzählt ein bisschen die Geschichte von uns. Schöne und schmerzliche, alte und heilsame, bekannte und stille Geschichten von uns.
Orte bleiben, auch wenn sie sich verändern mögen, wenn sie Laufe der Jahre anders werden; sie bleiben und verschwinden nicht; das Wohnzimmer der Eltern trägt man in Bildern immer an sich; auch den Ort des ersten Kusses, oder den Ort, an dem man jemanden verloren hat. Orte bleiben und wir auch an manchen Orten lange, lebenslang, und doch sind wir es, die wir irgendwie innerlich oder äußerlich immer weiterziehen.
Auch Städte bleiben. Die allermeisten. Sie sind aus Stein und Beton gebaut, bestehen schon seit vielen, vielen Jahrhunderten und werden auch nach uns bestehen. Aus unserer Menschensicht sind sie für die Ewigkeit gebaut, auch wenn Häuser, Straßen, Gebäude dazu kommen oder andere wegbleiben.
Jesus war kein Städter. Zumindest war er meistens unterwegs, von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, auf dem Land. Und er hat immer wieder einsame, stille Orte und Unorte wie die Wüste aufgesucht, Orte, an denen er sich Gott näher spürte. Jesus ging in die Häuser, die Wohnungen, an die Orte der Menschen und dann geschah es, dass sich die ganze Stadt vor seiner Tür sammelte. Die Städter in Jerusalem riefen Hosianna ihm zu. In dieser großen Stadt starb Jesus. Dort war er auch ganz zu Beginn seines Lebens und wurde als frisch Geborener mit acht Tagen beschnitten und begegnete dort Simeon.

Ich suche
Simeon wartete auf den Messias. Er war einer, der eine tiefe Sehnsucht in sich hatte, der danach suchte, endlich den zu finden, der ihm das Heil bedeutete. Als er Jesus in den Händen hielt war es für ihn so weit.
Menschen leben vom Haben, weniger vom Suchen. Menschen bekommen das Leben geschenkt und ab da haben sie, haben sie Glück und Pech, Erfolg und Sorgen, Probleme und Freunde. Vor allem haben sie aber Dinge. Sie kaufen sie oder bekommen sie geschenkt, sie erarbeiteten sie sich oder erben sie. Menschen haben Kleidung, Handys, Wohnungen, Autos, Ketten, Habseligkeiten. Und viele, viele haben nichts. Nicht mal das tägliche Brot. Das, was ich aber habe, ist mein, es gehört mir. Es ist Besitz. Haben ist Zustand.
Suchen aber ist Bewegung. Suchen ist verlangen, ist fragen, forschen, erstreben, aufspüren. Suchen ist Sehnsucht und Sehnsucht ist Durst, ist Hunger nach etwas, was ich wirklich brauche, ohne das ich nicht sein kann. Ich sehne mich nach etwas, das mich vollständiger macht, vielleicht zu dem macht, der ich sein soll, und ich ahne, weiß, spüre, dieses Sehnen wird mir erfüllt nicht von mir selbst, sondern von woanders her.
Diesem Suchen wohnt eine Unruhe inne. Diese Sehnsucht ist wie eine Spiegelung der Unendlichkeit in mir, und sie wird da zum unauslöschlichen Schmerz, wo dieser Sehnsucht die Erfüllung versagt wird, wo sie nur unbestimmt ins Leere geht und bleibt. Jede Sehnsucht streckt sich aus in die Welt der Möglichkeiten und will, dass etwas Bestimmtes für sie wirklich wird.
Für Simeon wird der erhoffte Messias in Jesus wirklich. Es ist eine große Sehnsucht nach Gott. Nach der fragt uns Gott von Zeit zu Zeit, ob wir sie auch spüren. So wie er sie spürt. Gottes Sehnsucht ist der Mensch. Und seine Sehnsucht ist seine Liebe zum Menschen. Er sehnt sich nach den Menschen und mit Jesus beginnt die Erfüllung dieser Sehnsucht.

Gott wohnt
Da, wo Gottes Sehnsucht sich in einem Menschen erfüllt, dort ist Zukunft. Dort beginnt Gott wirklich zu werden im Menschen, und der Mensch wird ein Gott gefälliger Mensch und hat Gegenwart, fortgesetzte, bewahrte, gewollte, gesegnete Gegenwart sogar über den Tod hinaus.
Zukunft ist immer der Raum der Möglichkeiten. Eigentlich ist ja schon alles immer Zukunft. In jeder Sekunde, die gerade ist, bricht schon die nächste an, um zu werden. Meistens ist die Zukunft einfach die Fortsetzung der Gegenwart und wir schöpfen aus den alltäglichen Möglichkeiten. Dann und wann werden noch nicht da gewesene Möglichkeiten wirklich, verändert sich das Leben und Zukunft wird als Neues spürbar.
Wie sieht die zukünftige Stadt aus? Wie ist die Stadt der Zukunft? Welches Gesicht tragen unsere Städte in 20, 30 oder 50 Jahren? Gottes Zukunft ist, dass er zu Menschen kommt, dass er dort in deren Leben wirklich wird und sie mit ihm leben und so in ihrem Leben das anbricht, was mit Gott anbricht, Seelenheil, Frieden, Gerechtigkeit, dass die tiefsten Sehnsüchte des Menschen gestillt werden.
Gott wohnt seit Weihnachten unter Menschen. So sehr sich Menschen um die Frage drehen, wo und wie sie wohnen, ob in Städten, auf dem Land, einsam, zu zweit, in Familien, in Luxusvillen oder verschimmelten Wohnungen, ob auf der Straße oder im Mietsblock, so sehr hat sich Gott mit Jesus entschieden, dass er sich hier bei uns verortet, unter uns und in uns wohnt, einwohnt. Dort endet unsere Suche und wird Gott zu unserer Zukunft. Gott kann überall wohnen. Er wohnt in einem jeden von uns. Er wohnt aber auch in unserer Stadt. Nicht nebenan oder in einem bestimmten Gebäude und auch nicht unbedingt sicher hier in der Kirche.
Außerhalb, außerhalb des Lagers, draußen, draußen vor dem Tor, das ist die städtische Ortsangabe für den Tod Jesu. Dort verortet der Hebräerbrief Jesu Tod und verbindet es mit seiner Suche nach der zukünftigen Stadt. Mit Jesu Tod ist diese Ortsangabe gestorben. Es gibt kein „draußen vor dem Tor“ mehr und auch kein „außerhalb“ mehr. Nicht für Gott, nicht für sein Wohnen in der Stadt. Er wohnt bei und in uns absolut inklusive. Gott bricht jegliche Mauern, Wänden, Türen, virtuelle, in Köpfen und aus Stein, die in Städten immer gegenwärtiger sind, auf und macht alle zu solchen, die drinnen sind, die dazugehören, zu ihm, zu Gott, zu uns. Wie wir selbst. Für immer bei Gott verortet. Amen.

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