Sonntag, 30. Dezember 2012

Gottes Herrlichkeit tragen



Predigt am Altjahresabend 2012


Masse
Auf den ersten Blick eine Masse Menschen, wie ein Keil im Bild. Die Masse reißt mit dem rechten Bildrand nicht ab. Es geht weiter. Wie viele es sind, sieht man, weiß man nicht. Da sind an der Spitze die drei Weisen auf dem Morgenland, links davon eine Frau mit zwei Kindern, eine Frau auf der Bahre, ein Mann, der einer anderen aufhilft, ein Liebespaar ganz rechts, eine Nonne, ein Mönch, ein Pfarrer, ein Hund, Adlige, Einfache, Gefesselte, Arme, Hände, Körper.
Alle sind irgendwie in Bewegung, haben eine Ausrichtung, mit ihren Körpern, Gesichtern, Händen, mit ihren Schritten. Sie teilen den gleichen Blick, die drei Weisen aus dem Morgenland, die Frau, die ihren Oberköpre, ihren Kopf vorsichtig nach vorne reckt, das Kind an ihrer linken Hand, das auf seine Mutter schaut, das Kind an der anderen Hand, das zu uns, dem Betrachter, schaut und uns mit seinem Blick hinein nimmt ins Bild.

Alle stehen wie auf einem leichten Plateau der Landschaft, wie bei einem Zug ins fremde, andere, neue Land. Für Sekunden alle still. Alle folgen dem Stern, der nur sachte ganz links oben erscheint, der nur halb zu sehen ist.
An diesem Abend sind wir alle, wie die ganze Masse der Menschen, unterwegs vom alten ins neue Jahr. Eigentliche eine Massenerfahrung, aber jeder für sich steht an der Schwelle von einem zum anderen Jahr, vom gewesenen zum zukünftigen, und irgendwie sekundenstill auf dem sachten Plateau des Lebens und ins neue Jahr schauend. Was wird kommen? Haben wir, unsere Körper, unsere Sinne, unsere Herzen, unsere Blicke ein Ausrichtung, wie die Menschen auf dem Bild?

Gesichter
Deren Gesichter sind staunend, fragend, vorsichtig hoffend, nachschauend, verwundert, still freudig, verschlossen, ausblickend. In welchem Gesicht spiegelt sich das unsere? Wenn wir mit ihm hineingehen in das Kommende? Finden wir unser Gesicht in deren Gesicht wieder? Folgen wir wie sie?
Wem oder was folgen? Wem werden wir folgen und wem sind wir im vergangenen Jahr gefolgt, welchen Zielen, Vorhaben, Plänen, Menschen, Sinnrichtungen, Ereignissen, welcher Bestimmung? Sind wir überhaupt gefolgt oder sind wir vorangegangen oder haben wir einfach nur gelebt, ohne uns selbst, anderen, etwas zu folgen?
Der Stern auf dem Bild, der da sicher am Horizont steht, sonst ließe sich Bewegung der Masse nicht erklären, dieser Stern ist nur halb zu sehen, aber er zeichnet sich ab, er wird sichtbar in den Menschen, in ihrer Bewegung, in ihren Händen, Gesichtern und Herzen. Eine tiefe Erwartung scheint dieser Stern ins Leben der Menschen zu zeichnen, das sie aufbrechen, losgehen, aufhelfen, mitnehmen, Hände recken, Fesseln zeigen, Krücken bewegen, schauen lässt. Eine tiefe Erwartung nach neuem Leben.

Schweif
Alle folgen dem Stern, der vor ihnen ist. Weihnachten liegt eine Woche hinter uns und es liegt immer vor uns. Weihnachten hat umwälzende Folgen und wir folgen diesen Folgen, folgen wieder dem Stern. Der Stern ist ohne Kopf, der ist uns voraus, um uns zu führen, der Schweif des Sterns geht sanft über in die Masse der Menschen. Sie schauen ihn und wie sie ausschauen, wie sie sich ausrichten, wie sie in Bewegung sind und viele noch hinzukommen, werden diese Menschen zusammen selsbt zum Teil des Sternenschweifs.
Sie werden selbst Teil des Sterns und leuchten als kleine Sterne sich und anderen. Der Stern von Bethlehem ist den Weisen aus dem Morgenland erschienen. Diese waren Sterndeuter, ein bisschen wie wir heute Abend, die wir gerne wissen würden, was Morgen wird. Diese Sterndeuter sahen den Stern und er ging ihn voraus und zeigte ihnen das Kindlein, Gottes Heil, und sie wurden am Stall Teil der Herrlichkeit Gottes. Sie beteten das Kindlein an.
Es ist jene Herrlichkeit, die den Hirten auf dem Felde erschien, als die „Klarheit des Herrn um sie leuchtete“ und alle Furcht vertrieb und ihnen die Geburt des Heilandes verkündete. Mit dieser Botschaft im Herzen eilten die Hirten zum Stall und wurden selbst ein Teil der sie anleuchtenden Herrlichkeit und beteten das Kind an.

Gottes Gnadenkleid
Alle folgten dem herrlichen Licht und wurden zu seinem Teil. Wie die Menschen auf dem Bild Teil des Sterns sind. In allem, dem wir folgen im vergangenen und im kommenden, sind wir schon auch dort, Teil von dem, was wir suchen. Wir werden dazu gemacht. Gott zu finden ist Lebenssuche, dem einen Stern zu folgen, und wir werden in dieser Suche schon immer von Gott Gefundene sein. Teil der göttlichen Herrlichkeit.
Die Menschen auf dem Bild sind so aufgebrochen, wie sie sind, sie haben sich nicht vorbereitet, nicht zurechtgemacht. Füße blieben barfuß, zerschlissene Gewänder blieben zerschlissen, Königskleid blieb Königskleid. Mönchskutte Mönchskutte. Sie tragen all ihre Kleidung, ihre Alltagskleidung. Jeder von ihnen.
So wie wir, die wir dem Kommenden so oder so entgegen leben. Wir werden im kommenden meistens wieder die Alltagskleider tragen wie im vergehenden. Jeder von uns. Unterwäsche. Socken. Hose. Hemd. Bluse. T-Shirt. Pullover. Schuhe. Jacke. Lieblingsstücke. Alltagskleider.
Und wir werden wie diese Teil des Stern sein, Teil der weihnachtlichen Herrlichkeit, die wir suchen. Wir werden bei allem, wohin wir uns austrecken, bewegen, erwarten, mit Gottes herrlichen Kleid umkleidet sein, unsichtbar sicher, als zweite glänzend heilsame Haut und mit ihr werden wir, wie all die Jahre zuvor verheißen, unter Gottes Gnade gehen, mit seinem Segen und in seinen Frieden, gemeinsam dem Stern folgend. Amen.

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