Predigt am 3. Advent (16.12.12)
Heile, heile Seelentränen
Jesaja
40, 1-11: Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
Redet
mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat,
dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der
Hand des HERRN für alle ihre Sünden. Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet
dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler
sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und
was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die
Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander
wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet.
Es
spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles
Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn
des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die
Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Zion,
du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe
deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten
Judas: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig,
und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich
erwarb, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die
Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die
Mutterschafe führen.
Menschen brauchen Trost. Kleine und
große, alte und Kinder. Sie brauchen jemanden, der sie in den Arm nimmt, über
das Gesicht streichelt, zuhört, die Tränen sieht, sie umschließt, der der gute
Worte weiß und einfach da ist. Menschen brauchen Trost, denn Menschen stoßen
und verletzen sich, Menschen verlieren und tun einander weh, denn Menschen sind
traurig und haben Schmerzen, an Körper und Seele.
Heile, heile Gänsje
Es is bald widder gut,
Es Kätzje hat e Schwänzje
Es is bald widder gut,
Heile heile Mausespeck
In hunnerd Jahr is alles weg.
… ist ein alter Kinderreim, der
trösten will. Als säßen Menschen von Zeit zu Zeit auf der Mutter Schoß, mit
Seelen wund gestoßen sind und in ihnen die Sehnsucht, das Bedürfnis zu spüren:
Da ist jemand, der sie zart liebend wieder heil macht, der all den Schmerz, die
Trauer, die Verzweiflung, auch dunkle Gedanken und Schuldgefühle wie wegbläst,
fast magisch.
Menschen brauchen Trost in den
kleinen und großen Trümmern ihres Lebens. Sie sind Menschen. Sie brauchen
Trost, wie sie das tägliche Brot auf dem Tisch brauchen, wie das Trinken in
Durstzeiten, wie die Liebe, ohne die Menschen nichts sind und nichts werden.
Es ist bald widder gut
„Es ist bald widder gut“, sagt der Trostreim und er meint es ernst damit. Trost ist
Beziehung, ist Berührung, ist Zuwendung, ist Kontakt, ist Körper- und Seelennähe,
ist, dass ich zu dir komme, wenn es dir schlecht geht und bei dir bin und
bleibe, dich deine Seele wiegend halte.
„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott“. Gott meint sein Volk, er meint das
Du seines göttlichen Ichs, er meint sich als das „euer Gott“. Gott spricht zu
jedem einzelnen und zu allen, er spricht aus Liebe, aus der Zuwendung, aus der
Berührung zu seinem Volk. Gott reicht nicht ein „tröstet“, Gott wiederholt es. Für
sich. Für uns. Gott reicht nicht, dass es nur leise angesagt, erwähnt wird. Er
will, dass es laut gepredigt, dass es hinausschallt auf dem Bergen, dass man es
überall hört. Dieses Trostwort Gottes bringt schon das, von dem es spricht. Es
spricht von Trost und es bringt ihn. Es spricht vom Getröstetwerden und es
tröstet. Dieses Trostwort hat etwas gewaltiges, kräftiges, herrschaftliches. Gott
ist von seinem Trost selbst aufgewühlt, von den Menschen, um die er sich Sorgen
mag, bekümmert, unruhig gemacht. Gottes Trost lässt sich nicht aufhalten,
Gottes Trost kommt bestimmt, Gottes Trost bahnt sich seinen Weg zu Menschen,
Gottes Trost entspringt Gott selbst und er kann den Trost wie seine Liebe nicht
zurückhalten. Er tröstet und tröstet und tröstet.
Gottes Trost ist Gottes Kommen, seine
Ankunft bei den Menschen, sein Dasein, seine Präsenz und dann ist es bald
wieder gut. Gotteskinderreim Sehr bald. Sehr sicher. Gott kommt kräftig,
unwiderstehlich, mächtig. Fürchtet euch nicht.
Von Gänsje, Kätzje und Mausespeck
So wie der alte Kinderrein von
Gänsje, Kätzje und Mausespeck spricht, kleine Kinderohren ablenkt vom eigenen Körper-
und Seelenschmerz und erzählt von einer kleinen anderen Welt, die zwischen Kind
und Kinderträne geredet, fast beschwört wird und ein bisschen heilen soll, so
spricht Gott von seiner Welt, von seiner Zukunft, die immer dort Gegenwart ist,
wo man sich ihr hingibt, so spricht Gott von seiner heilsamen Welt zwischen
Träne und Mensch
Gott lenkt aber nicht ab vom Schmerz,
vom Leid, das des Trosts bedarf. Gott weiß und lenkt hin: Zu unserer ganzen
menschlichen Existenz gehört der Schmerz, gehört Verletzung, gehören
ramponierte Seelen, Abschiede, Sinnleere, Schuldmomente, Krankheit, Leidvolles
und Dunkles, gehören manchmal so elendige und tragische Boten unserer
Vergänglichkeit. Es gehört zum menschlichen Leben wie das Werden, wie das Helle
und Frohe. Gott blickt mit Menschen auf das Vergehen und sein Leid und
verniedlicht es nicht, redet es nicht klein, er vertröstet nicht billig, er
nimmt es ernst, sich und uns damit.
Er nimmt uns so ernst, wie es seiner
ungeheuren Liebe entspricht. Von dort führt er hinaus. Er bittet, dass Menschen
ihm und seinem Trost in der Trostlosigkeit Bahn machen. Gottes Trost sucht
Menschen auf, die in fremder und eigener Schuld verlassen sind und bricht sie gewaltig-zart
auf, dass sie Gottes Trost selbst den Weg bereiten, dass ihr Leben selbst zum
Weg Gottes zu ihnen wird, dass seine Herrlichkeit in ihrer dunklen Herzens
Mitte kommt und jedes Trostlicht, das sie entzünden als ein nächster Schritt
Gottes auf sie zu erscheint.
In hunnerd Jahr is alles weg
„In hunnerd Jahr is alles weg.“ So lange kann für Menschengefühle Trostlosigkeit dauern.
Manchmal gibt es keinen spürbaren Trost für Trostlose, ist Trauer, Schmerz,
Leid und Schuld so übermächtig, dass jeder Trost so weit ist, wie hundert Jahre
entfernt.
Und trotzdem haben Menschenkinder
immer wieder das Bild in sich: Ein Reim, ein Pusten, ein paar Liebesworte von
geliebten Menschen können Schmerzen heilen. Und Gotteskinder dürfen immer
wieder Gottes Advent, sein Trostkommen vor sich haben und das Bild: Gott kommt
mir nahe und er tröstet zart mich geborgen im Mantelfalten seiner Liebe. Ich bin,
umhüllt von ihm und seiner Kraft und heilenden Welt.
Alles Leid ist dann weg. Gott beendet
Leid und Sünde, er setzt dem alles von sich aus ein Ende und bereitet für uns
einen neuen Weg. Gott macht von sich aus heil, was in unserer Seele kaputt
geht, vielleicht nicht schnell und sofort, aber sicher.
Gottes Trostwort, das seiner Liebe
entspringt, ist uns gesagt, als ein Wort, das immer da ist für uns, bevor wir da
sind. Stellen wir uns in dieses Wort hinein, mit all unserer Trauer,
Enttäuschung, mit dem zugefügten Leid und selbstverschuldeter Pein, mit unserer
arg angegriffenen Seelen. Stellen wir uns hinein in seinen Advent, in sein Kommen,
in seinen Trost mit allem, was uns quält. Es öffnet sich sein heilsamer
Horizont, dass da neben uns selbst, neben dem, was geschehen ist und befürchtet
wird, neben denen, die uns Gutes und Böses wollen, immer Er selbst da ist und uns
sagt, was im Sagen Wahrheit wird und Freude schenkt: Getröstet, getröstet bist
du, mein adventlicher Mensch. Amen.
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