Freitag, 14. Dezember 2012

Gotteskinderreim



Predigt am 3. Advent (16.12.12)

Heile, heile Seelentränen
Jesaja 40, 1-11: Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden. Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet.
Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.  Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.
Menschen brauchen Trost. Kleine und große, alte und Kinder. Sie brauchen jemanden, der sie in den Arm nimmt, über das Gesicht streichelt, zuhört, die Tränen sieht, sie umschließt, der der gute Worte weiß und einfach da ist. Menschen brauchen Trost, denn Menschen stoßen und verletzen sich, Menschen verlieren und tun einander weh, denn Menschen sind traurig und haben Schmerzen, an Körper und Seele.

Heile, heile Gänsje
Es is bald widder gut,
Es Kätzje hat e Schwänzje
Es is bald widder gut,
Heile heile Mausespeck
In hunnerd Jahr is alles weg.
… ist ein alter Kinderreim, der trösten will. Als säßen Menschen von Zeit zu Zeit auf der Mutter Schoß, mit Seelen wund gestoßen sind und in ihnen die Sehnsucht, das Bedürfnis zu spüren: Da ist jemand, der sie zart liebend wieder heil macht, der all den Schmerz, die Trauer, die Verzweiflung, auch dunkle Gedanken und Schuldgefühle wie wegbläst, fast magisch.
Menschen brauchen Trost in den kleinen und großen Trümmern ihres Lebens. Sie sind Menschen. Sie brauchen Trost, wie sie das tägliche Brot auf dem Tisch brauchen, wie das Trinken in Durstzeiten, wie die Liebe, ohne die Menschen nichts sind und nichts werden.

Es ist bald widder gut
„Es ist bald widder gut“, sagt der Trostreim und er meint es ernst damit. Trost ist Beziehung, ist Berührung, ist Zuwendung, ist Kontakt, ist Körper- und Seelennähe, ist, dass ich zu dir komme, wenn es dir schlecht geht und bei dir bin und bleibe, dich deine Seele wiegend halte.
„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott“. Gott meint sein Volk, er meint das Du seines göttlichen Ichs, er meint sich als das „euer Gott“. Gott spricht zu jedem einzelnen und zu allen, er spricht aus Liebe, aus der Zuwendung, aus der Berührung zu seinem Volk. Gott reicht nicht ein „tröstet“, Gott wiederholt es. Für sich. Für uns. Gott reicht nicht, dass es nur leise angesagt, erwähnt wird. Er will, dass es laut gepredigt, dass es  hinausschallt auf dem Bergen, dass man es überall hört. Dieses Trostwort Gottes bringt schon das, von dem es spricht. Es spricht von Trost und es bringt ihn. Es spricht vom Getröstetwerden und es tröstet. Dieses Trostwort hat etwas gewaltiges, kräftiges, herrschaftliches. Gott ist von seinem Trost selbst aufgewühlt, von den Menschen, um die er sich Sorgen mag, bekümmert, unruhig gemacht. Gottes Trost lässt sich nicht aufhalten, Gottes Trost kommt bestimmt, Gottes Trost bahnt sich seinen Weg zu Menschen, Gottes Trost entspringt Gott selbst und er kann den Trost wie seine Liebe nicht zurückhalten. Er tröstet und tröstet und tröstet.
Gottes Trost ist Gottes Kommen, seine Ankunft bei den Menschen, sein Dasein, seine Präsenz und dann ist es bald wieder gut. Gotteskinderreim Sehr bald. Sehr sicher. Gott kommt kräftig, unwiderstehlich, mächtig. Fürchtet euch nicht.

Von Gänsje, Kätzje und Mausespeck
So wie der alte Kinderrein von Gänsje, Kätzje und Mausespeck spricht, kleine Kinderohren ablenkt vom eigenen Körper- und Seelenschmerz und erzählt von einer kleinen anderen Welt, die zwischen Kind und Kinderträne geredet, fast beschwört wird und ein bisschen heilen soll, so spricht Gott von seiner Welt, von seiner Zukunft, die immer dort Gegenwart ist, wo man sich ihr hingibt, so spricht Gott von seiner heilsamen Welt zwischen Träne und Mensch
Gott lenkt aber nicht ab vom Schmerz, vom Leid, das des Trosts bedarf. Gott weiß und lenkt hin: Zu unserer ganzen menschlichen Existenz gehört der Schmerz, gehört Verletzung, gehören ramponierte Seelen, Abschiede, Sinnleere, Schuldmomente, Krankheit, Leidvolles und Dunkles, gehören manchmal so elendige und tragische Boten unserer Vergänglichkeit. Es gehört zum menschlichen Leben wie das Werden, wie das Helle und Frohe. Gott blickt mit Menschen auf das Vergehen und sein Leid und verniedlicht es nicht, redet es nicht klein, er vertröstet nicht billig, er nimmt es ernst, sich und uns damit.
Er nimmt uns so ernst, wie es seiner ungeheuren Liebe entspricht. Von dort führt er hinaus. Er bittet, dass Menschen ihm und seinem Trost in der Trostlosigkeit Bahn machen. Gottes Trost sucht Menschen auf, die in fremder und eigener Schuld verlassen sind und bricht sie gewaltig-zart auf, dass sie Gottes Trost selbst den Weg bereiten, dass ihr Leben selbst zum Weg Gottes zu ihnen wird, dass seine Herrlichkeit in ihrer dunklen Herzens Mitte kommt und jedes Trostlicht, das sie entzünden als ein nächster Schritt Gottes auf sie zu erscheint.

In hunnerd Jahr is alles weg
„In hunnerd Jahr is alles weg.“ So lange kann für Menschengefühle Trostlosigkeit dauern. Manchmal gibt es keinen spürbaren Trost für Trostlose, ist Trauer, Schmerz, Leid und Schuld so übermächtig, dass jeder Trost so weit ist, wie hundert Jahre entfernt.
Und trotzdem haben Menschenkinder immer wieder das Bild in sich: Ein Reim, ein Pusten, ein paar Liebesworte von geliebten Menschen können Schmerzen heilen. Und Gotteskinder dürfen immer wieder Gottes Advent, sein Trostkommen vor sich haben und das Bild: Gott kommt mir nahe und er tröstet zart mich geborgen im Mantelfalten seiner Liebe. Ich bin, umhüllt von ihm und seiner Kraft und heilenden Welt.
Alles Leid ist dann weg. Gott beendet Leid und Sünde, er setzt dem alles von sich aus ein Ende und bereitet für uns einen neuen Weg. Gott macht von sich aus heil, was in unserer Seele kaputt geht, vielleicht nicht schnell und sofort, aber sicher.
Gottes Trostwort, das seiner Liebe entspringt, ist uns gesagt, als ein Wort, das immer da ist für uns, bevor wir da sind. Stellen wir uns in dieses Wort hinein, mit all unserer Trauer, Enttäuschung, mit dem zugefügten Leid und selbstverschuldeter Pein, mit unserer arg angegriffenen Seelen. Stellen wir uns hinein in seinen Advent, in sein Kommen, in seinen Trost mit allem, was uns quält. Es öffnet sich sein heilsamer Horizont, dass da neben uns selbst, neben dem, was geschehen ist und befürchtet wird, neben denen, die uns Gutes und Böses wollen, immer Er selbst da ist und uns sagt, was im Sagen Wahrheit wird und Freude schenkt: Getröstet, getröstet bist du, mein adventlicher Mensch. Amen.

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