Predigt
am Vorabend der Konfirmation (25. April 2015)
Sammeln
Erfahrungen
machen Menschen. Viele, verschiedene, bittere und schöne, helle und dunkle, schmerzhafte
und wunderbare. Das ganze Leben lang, als Kinder, als Konfirmanden, als Eltern,
mitten im Leben, noch im hohen Alter, im Geborenwerden, im Sterben und danach. Erfahrungen
machen uns froh und ängstlich, stimmen uns positiv oder merkwürdig verkrampft,
teilen wir mit anderen, behalten wir nur für uns.
Menschen sammeln
Erfahrungen. Nach und nach. Zur einen Erfahrung kommt die andere, eine
ähnliche, ein andere, eine nahe, fremde. Manche Erfahrungen bauen aufeinander
auf, irgendwie; Manche Erfahrungen passen nicht zueinander, werfen uns hin und
her; manche Erfahrungen lassen andere vergessen oder zerstört sie; machen vergangen,
so oder so; manche Erfahrung, die wir machen, bestimmt uns noch jahrelang,
bestimmen unser Leben, prägen, und manche Erfahrung hat sich ungeheuer tief
abgesetzt in uns, wie im Seelenkeller, und baut mit anderen dort ihr eigene
Welt in uns.
Erfahrungen sind
vielleicht wie Perlen, Perlen mit verschiedenen Farben, mit verschiedenen
Inhalten und Stimmungen; und unser Sammeln gleicht dem Sammeln von Perlen; wir
fädeln sie ein, bilden Ketten und fragen ab und zu nach dem roten Faden. Oder
wir sammeln Erfahrungsperlen wie in einer Schale, wo eine zur anderen kommt,
und unser Leben diese wie aufbewahrt, alles da ist, was wir erfahren haben;
oder man tut Perlen in Reagenzgläser, so wie ihr; Erfahrung der Woche sonntags
in einer bestimmten Farbe hineingelegt in euer gläsernes Reagenzglas. Es
erzählt von euch.
Von euren
Erfahrungen, die ihr im Laufe der Konfirmandenzeit gemacht habt, spiegeln
bisschen von den Erfahrungen mit den anderen Konfis wieder, von dem, wie es für
euch war in der Gruppe, was ihr erlebt habt im Gottesdienst, erfahren im
Unterricht, vom Friedhof bis zum Festmahl; ein bisschen ist vielleicht im
Reagenzglas auch die Erfahrung von euch mit Gott. Ihr und Er.
Reagenzglas
Seit eurer
Vorstellung im Sommer letzten Jahres hängt euer Reagenzglas unterhalb der
Kanzel und ihr füllt es mit euren Erfahrungsperlen, so wie ihr seid. Nach und
nach, bunt, auch schwarz für dunkle Erfahrung ist dabei. So hängt euer
Erfahrung im Reagenzglas jeden Tag und an jedem Gottesdienst hier in der
Kirche, ist es dabei, wenn wir zu Gott beten, ihm Lieder singen, von ihm hören,
durch unser Dasein ihm antworten.
Was mag Gott zu
eurem Reagenzglas denken, über euch? Wir glauben, Gott wohnt hier irgendwie, so
sieht er auch euer Reagenzglas, er sieht, wie ihr die Perlen der Erfahrung
hineingelegt habt, welche Farben eure Erfahrungen haben, wo ihr froh und
unglücklich wart, wo ihr wütend und hell wart; wer ihr seid mit all euren
Erfahrungen.
Erfahrungen
machen, erleiden, erleben, sammeln Menschen immer auch irgendwie vor Gott.
Sammelt Gott mit? Reiht er eigene Perlen mit ein in die Kette der Erfahrungen?
Ist er der buchstäbliche rote Faden all unserer Erfahrung? Sind bestimmte
Erfahrungen und Perlen von ihm? Oder hat er mit all dem nichts, wenig zu tun,
sammeln wir und er macht nichts, oder sammelt er mit, trägt er mit, denkt er
mit, erfährt er mit? Oder erhalten die Erfahrungen, die Menschen machen, die
Ihr macht und sammelt, vor Gott eine andere Bedeutung, stehen unsere
Erfahrungen in Gottes weiten Horizont und in diesem Horizont bekommen alle
Erfahrungen noch mal eine Bedeutung, eine Frage, eine Antwort, einen Sinn. So
wie wenn wir die Erfahrung machen, verletzt zu werden, und jemand tröstet uns,
machen die Erfahrung Trost und aus Erfahrung Schmerz wird Erfahrung Nähe und
Liebe.
Kostbarst
Was mag die
kostbarste Perle sein? Die teuerste? Die schönste? Die seltenste? Die, die
jemand trägt, zu der die Perle am besten passt, als sei die Perle ein Teil von
ihm? Was mag die kostbarste Erfahrung sein, die Menschen machen? Was war, was
ist eure kostbarste Erfahrung?
Vielleicht sind
nicht die schönsten Erfahrungen die kostbarsten, oder die teuersten oder die
einmaligsten. Vielleicht sind die kostbarsten Erfahrungen die, die Menschen
unter Schmerzen gebären, wo Dunkles nah am Hellen liegt, wo das Leben in seiner
Tiefe gleichsam das Hohe sehen lässt; vielleicht sind die kostbarsten
Erfahrungen die, in denen sich unser Leben, unser ganz eignes Leben, wie
verdichtet, sich es kondensiert, bestimmend beleuchtet wird, sich etwas für
Längeres erschließt und wir unser Leben selbst als Leben spüren.
Ihr Sieben habt
alle von Gott eine Erfahrung geschenkt bekommen, eine Erfahrung, zu ihr nichts
tun musstet, die euch widerfuhr; ihr habt Gott erfahren und darin Gottes unbeschreibliche
Liebe. Ihr wurdet getauft und in dieser einen Erfahrung, einmalig und
unwiederholbar, liegt von Gott aus die kostbarste Erfahrung für euch
beschlossen: Gott wendet sich euch zu. Gott schaut euch an. Gott liebt euch
ohne jeden Vorbehalt und bei allem und immer und euch.
Perlenschutz
Diese eine
Erfahrung, geschenkt, übernimmt ihr Morgen bewusst als eure. Sie mag euer Leben
prägen wie keine andere, ihre Kostbarkeit für euch entfalten, all euren anderen
Erfahrungen, die da sind und kommen werden, alle, auch und gerade die bitteren,
in Gottes Licht und Liebe rücken. Eine Perle entsteht, wenn ein Fremdkörper in
eine Muschel eindringt und zum Schutz wird dieser Fremdkörper eingekapselt und
es bildet sich schöne Schicht um schöne Schicht bis eine wunderbare Perle
entstanden ist. So sei Gott für euch: um alle eure Erfahrungen, gerade die
bitter-fremden herum der feste Schutzraum der Liebe. Kostbarst seid ihr für
ihn. Amen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen