Predigt zur
Konfirmation 2015 (26. April 2015)
Hinstellen
Jetzt endlich sind wir klug, seid Ihr Sieben klug. „Damit wir klug
werden.“ Das war das Motto der Konfi-Zeit und jetzt seid ihr es. Mit dem
heutigen Tag eurer Konfirmation ist eure Konfi-Zeit vorbei. Ihr habt
Erfahrungen mit Gott gemacht und nun seid ihr „gott-klug“. Ab jetzt lebt damit.
Ihr werdet mit eurer Konfirmation entlassen, entlassen mit der Gott-Klugheit
weiter zu leben. Gott stellt eure vierzehn Füße auf einen weiten Raum.
Ihr sieben werdet hingestellt von ihm. Wie oft sitzt ihr oder geht, wie
oft seid ihr früher gekrabbelt und habt laufen gelernt, wie habe euch eure
Eltern groß werden sehen und wurdet immer mehr frei gelassen. Jetzt werdet ihr
hingestellt. Aufrecht, geliebt, wertgeschätzt. Hingestellt, ganz
selbst-ständig. Jetzt in diesem Moment werdet ihr von Gott ganz sanft und
behutsam gott-klug hingestellt. In aller Freiheit.
Gerhard I
In
aller Freiheit, was heißt das? Freiheit – etwas so empfindliches. Bedroht
von mir selbst von jedem anderen / jeder anderen. Von so vielen Kräften in mir
und außerhalb von mir.
Wie
viel Freiheit vertrage ich; mit wie viel Freiheit kann ich verantwortlich
umgehen?
Ohne
jede Frage ist Freiheit ein wertvolles Gut und ich wünsche mir nichts mehr, als
jeden Menschen in ›Freiheit‹ aufwachsen zu sehen. Aber die Schwierigkeit daran
ist, dass das was ich vielleicht als Freiheit begreife andere Menschen ängstigt
oder überfordert oder gar beschränkt.
Rosa
Luxemburg hat es in einer politischen Schrift 1920 unübertroffen und knapp auf
den Punkt gebracht: »Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.« – Überall
wo die Freiheit nicht für ALLE gilt, ist es keine Freiheit.
Daraus
erwächst jedoch eine Verantwortung: Habe ich meine Mitmenschen im Blick? Die sichtbaren
– Nachbarn, Mitschüler, den Bettler auf der Straße; die unsichtbaren – an
anderen Orten, aus anderen Kulturen, die die sich nicht zeigen wollen oder
einfach übersehen werden.
Wie
oft verletze ich andere Menschen, weil Sie MEINER FREIHEIT im Weg stehen?
Es
ist unsere Aufgabe die Freiheit die wir für uns wünschen und die wir brauchen
daran zu messen, ob sie in irgendeiner Form die Freiheit ALLER ANDEREN NICHT
beeinträchtigt?
Ein
Beispiel: In Deutschland stehen wir vor einem unbegrenzten Warenangebot, selbst
mit geringem Einkommen haben wir eine unermessliche Auswahl an Konsumgütern.
Wenn
wir diese ›Freiheit des Kaufens‹ nutzen: Können wir dann sicher sein, dass die
Produktion ALLER dieser Konsumgüter keinerlei Freiheitsrechte anderer
beschränkt, ignoriert oder mit Füßen tritt?
Unter
welchen Bedingungen werden zum Beispiel die sogenannten ›seltenen Erden‹ in China
abgebaut? Dieser Rohstoff befindet sich in fast jedem aktuellen technischen
Gerät (Handy, Computer, Fernseher, …). Mache ich mich mitschuldig, wenn ich
mich nicht darüber informiere bzw. etwas an den katastrophalen Bedingungen der
chinesischen Arbeiter ändere?
Weiter Raum
In
einen weiten Raum von Gott hingestellt. Das seid Ihr. Ein weiter Raum kann beides:
Angst machen und beflügeln. In Räumen stehen Menschen und fürchten sich vor
dem, was da kommt. In Räumen stehen Menschen und freuen sich, aufzubrechen. In
Räumen sind manche Menschen wie gelähmt und manche machen neugierig Schritte
hinein. Beides sind auch wir.
Menschen
sind immer irgendwie in Räumen, seit sie geboren wurden, und auch wenn sie
sterben. Räume prägen das Leben, in Räumen leben und erleben wir alles, an
Räumen lässt sich unsere Lebensgeschichte ablesen, in Räumen sind wir allein,
begegnen einander, sitzen, stehen, lieben, weinen, hoffen wir.
In
speziellen „Konfi-Räumen“ habt ihr euch fast ein Jahr bewegt, im Saal, in der
Kirche, beim Bestatter, auf der Freizeit. Und Ihr seid in dieser Zeit auch
innerliche Räume abgeschritten, Räume die hoffentlich irgendwie auch von Gottes
Gegenwart bestimmt waren, Gebete, mancher Gedanke hier, eure Perlen im Reagenzgläser,
bestimmte Worte. Gottes-Räume waren das, sind das. In die stellt er sich und euch
hinein.
Gerhard II
Gott
möchte – liebe Gemeinde – dass wir ein
Segen sind (genau wie er es zu Abraham gesagt hat in dem Lesungstext). Da wird
die Freiheit für die er unumwunden steht keine Beliebigkeit, kein ›alles egal‹
sondern eine Chance für uns alle, die wir immer wieder aufs Neue verantwortlich
nutzen müssen.
Gott
schenkt uns diese Freiheit NICHT, damit wir UNSERE Freiheit egoistisch GEGEN
unsere Mitmenschen und die Schöpfung durchsetzen. Gott verknüpft damit vielmehr
die Aufforderung / und vor allem Zusage, DASS WIR EIN SEGEN SIND. Also, dass
wir alles in unserer Macht stehende tun um das Elend und die Ungleichheit auf
diesem Planeten, die Ausbeutung und die Unfreiheit zu beenden.
Das
Wort ›FREI‹ kommt darin vor und ohne die Details dieses Abkommens welches
derzeit zwischen Europa und Amerika verhandelt wird erläutern zu können, stellt
sich in diesem Abkommen die Frage: Wie viel Freiraum darf man der Wirtschaft
einräumen ohne die Freiheit des Menschen, seine Gesundheit, seine Würde zu
beschränken. Die Wirtschaft soll schließlich dem FREIEN Menschen dienen und
nicht der Mensch der FREIEN Wirtschaft!
Aber
kommen wir zurück zur persönlichen Freiheit des Menschen. Wir sind nicht
eingesperrt, nicht versklavt, immer wieder stehen WIR ›vor der Wahl‹, ›müssen
uns entscheiden‹, ›wir sind so frei‹!
Eure Füße
Ganz
frei in Gottes-Raum hineingestellt seid ihr. Und nun geht. Geht mit euren
Füßen. Mit denen seid ihr in den weiten Raum gestellt. Eure Konfi-Füße: 7 x
zwei Stück. Groß geworden, seit sie ganz klein und schrumpelig auf die Welt
kamen, eure Eltern sie zärtlich das erste Mal sahen, eincremten, die ersten
Schuhe für sie kauften, um sie zu schützen und euch das Gehen zu ermöglichen,
Füße mit Schuhen, die ihr schon etwas länger selber aussucht, die eure sind,
die ihr tragt, die euch tragen.
Diese
Füße und daran euer Körper, Kopf und Herz sind durch die Konfi-Zeit gegangen,
so wie jeder von euch eben geht, wie seine Füße aussehen. Jesus hat Menschen
die Füße gewaschen, ihm waren die Menschen so zutiefst wertvoll. Eure Füße, die
in Zukunft gehen, gehen in aller Freiheit. Sie mögen stolpern, mögen staubig
werden, mögen euch wehtun, mögen wunderbar gehalten werden von Liebenden, immer
sind sie eure Füße - und von Jesus wertvoll angeschaute, in Händen gehaltene,
sozusagen ebenso mit kostbaren Öl gesalbt, wie seine Füße es in Liebe wurden.
Gerhard III
Heute
ist der Tag an dem Ihr in die ›Freiheit des Glaubens‹ entlassen werdet. Ihr werdet
euch in aller Freiheit entscheiden: Ein Segen zu sein.
In
welcher Form? In welchem Rahmen? Ob mit oder ohne Kirche? Ob hier oder
woanders?
Ihr
steht auf weitem Raum, schaut Euch um! Nutzt den ›weiten Raum‹. Ihr seid
›gewachsen‹ im Glauben. Ihr seid ›erwachsen‹ im Glauben, Ihr habt also alles,
was Ihr ›jetzt‹ braucht an Ausstattung, an Rüstzeug und nun SEID IHR EIN SEGEN.
Begreift es als Verantwortung und viel wichtiger begreift es als Zusage. Gott
weiß: Ihr seid ein Segen. Er wird Euch mit allem Notwendigen IMMER WIEDER aufs
Neue ausstatten also fliegt. Amen.
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