Samstag, 9. Mai 2015

Der Liebe Votum



 Predigt am Sonntag Rogate (10. Mai 2015)

Johannes 16, 23b-28 und 33
Amen, amen, ich sage euch: Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben. Bis jetzt habt ihr noch nichts in meinem Namen erbeten. Bittet und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist. Dies habe ich in verhüllter Rede zu euch gesagt; es kommt die Stunde, in der ich nicht mehr in verhüllter Rede zu euch spreche, sondern euch offen den Vater verkünden werde. An jenem Tag werdet ihr in meinem Namen bitten und ich sage nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde; denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt und weil ihr geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin. Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater. … Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt. 

Amen, Amen
Amen. Das kommt, steht, wird gesagt ganz am Ende, ganz am Ende vom Gebet. Vielleicht auch nur still und nur gefühlt, wie ein letzter Atemzug nach den Worten, nach dem Stammeln, nach dem Aussprechen, als würde dieser Atemzug, dieses Amen noch einmal das Ganze des Gebets wie sammeln und bündeln, alles ganz aus Menschen Münder und Gedanken, Flehen und Bitten aussprechen, heraus gehen lassen.
Amen klingt, tönt wie das Beten davor, vielleicht lobend fröhlich, vielleicht dankend befreit, vielleicht nachdenklich, oft, oft aber auch unendlich schwer und dunkel, so wie das Gebet, das erbittet, das fleht, wie die Sätze und Worte, die Schweres tragen und aussprechen, die in sich tragen Leid, Schmerz, Sorgen, und wohin wollen, irgendwohin wollen mit all diesem Klagen, Zweifeln, bangen Hoffnungswarten.
Beten in Bedrängnis, weder Lob noch Dank, hat Jesus im Blick. Beten und Bitten, Stammeln und Flehen, vorsichtiges Tasten und angstvolle Hoffnungssuche. Beten, das seinen Adressaten sucht, gar nicht so sehr um ihn weiß, an ihm und seinem Tun zweifelt, das sich ihm eigentlich in die Arme werfen möchte, aber kaum noch kann, das „Vater“ sagen mag, aber nur Fragen, Klage und Leid in sich trägt.
Beten, das bittet, inständig, vielleicht mit letzter Kraft, etwas zu bekommen, etwas zu empfangen, das wirklich notwendig ist, das auf das Wenden der Not harrt und wartet, sie herbei beten möchte, fast oder ganz wortkarg, wortlos wird, nur noch nach oben, nach innen, nach unten schaut und in einem schier unaussprechlichen Amen endet und es dem vorwirft, der es hören könnte und nicht hört.

Im Namen
Im Namen von Jemanden etwas tun, sagen … irgendwie fremd. Wir tun, sprechen, sagen, beten, leben doch selbst, ganz selbst, ganz für uns mit unserem, ganz mit unserem Leben und was darin ist - und doch mitten da drin die untergründige Sehnsucht: Es möge jemand für uns beten, sagen, ja manchmal leben, sich all unserer Worte wie annehmen, bevor sie gesprochen sind, all unseres Lebens annehmen, bevor es gelebt wird, und für uns sprechen, beten, leben.
Im Namen von etwas tun, sagen, beten: in einem Auftrag, auf Geheiß, in Vollmacht, irgendwie im Willen von, für … , aber auch für uns, auch mit unserem Willen. Irgendwie selbst, aber ausgestattet mit mehr, mit etwas, mit Jemanden, hinter uns, ja über uns. Selbst und doch nicht ganz selbst. Ein anderer, aber auch wir.
„Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ steht, wird gesagt, wird gehört zu Beginn, ganz zu Beginn eines jeden Gottesdienstes. Alles, was Menschen dann in diesem Gottesdienst tun, sagen, hören, alle Worte, alle Bewegungen, alle Gedanken, alle Sorgen, alle Fragen, alle Atemzüge und Augenblicke geschehen dann nie für sich selbst, sondern sind diesem einem Namen wie unterstellt, geschehen in seinem Bereich, unter seiner Obhut, im Horizont seines Lebens und Wirkens, von ihm her und auf ihn zu; sind und geschehen alle gelebt, gesagt, gedacht, gehofft, fürchtend, gebetet in seinem Machtbereich, in seiner wirksamen Gegenwart.

Jesu
Seine Gegenwart wird angerufen, wie ausgerufen, herbeigerufen und wird da, präsent, lebendig. Jesu Gegenwart, die Gegenwart dessen, der Kristallisationspunkt der Liebe und des Lebens in Liebe ist, Jesus, der in Liebe verbindet mit Gott, den Menschen lieben können, und der die Liebe Gottes Menschen entdecken, spüren und leben lässt, der in den Raum der göttlichen Liebe leidenschaftlich und beharrlich, zart und entschlossen zieht, bringt, Menschen in diesem Liebesbereich teilhaben lässt an Gott und untereinander, an ihm, an Kreuz und Auferstehung, an den unglaublichen ohnmächtigen Sieg der Liebe. Er klingt als Herzschlag Gottes in dieser Welt, und in jedem Pulsieren werden alle hineingenommen in diese Liebe. Er lebt den Atemzug Gottes, in dessen Mitte wir selbst atmen und beten können.
In Jesus kam Gottes Liebe auf und zu der Welt, in sie radikal hinein, hinein bis ins Dunkelste, Leidvollste, in Schmerz und Fragen, dort, genau dort zu wohnen und zu wirken. Sein Kommen hat die Welt nicht sein lassen, wie sie ist, hat sie durch seine Liebe aufgebrochen, verändert. Seine Liebe durchlebt die Schattenseiten des Lebens und besiegt sie ohnmächtig, bricht deren unbeschränkte Macht durch seine Gegenwart.
In seinem Namen beten unterstellt uns dieser Liebe. Alles, was wir beten, sprechen, ob stumm oder lauter, ob zornig oder nachdenklich, ob allein oder mit anderen, all das kehrt ein in seine Liebe, lässt uns mit ihm beginnen und mit ihm enden, gibt in unseren Worten seinen Raum, übergibt unser Bitten seinem Tun, überlässt unser Fragen seiner Zeit, verspricht unser notdürftiges Amen selbst geheimnisvoll mit seiner Liebe.

beten
Amen, amen; dann: In unserem unruhigen Herz, das in Bedrängnis manchmal zittern betet und ängstlich harrt, keimt der Friede auf, der Friede eines anderen, der Friede dessen, der im Unfrieden an Gottes Liebe festhielt. In unseren Worten, die wir leidvoll suchen und zu dunklen Sätzen bilden, wächst eine sachte Freude, die die Vollkommenheit dessen atmet, der genauso strapaziert alles in Gottes Hände lag und alles daraus empfingt. In unser Beten kommt jener Mut, auf unser Amen seines folgen zu lassen und tief darauf zu hoffen, dass wer in seinem Namen bittet, Gott Liebe selbst empfängt. Amen.

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