Freitag, 25. Januar 2013

Der Tod ist nicht mehr sicher



Predigt zur Eröffnung der Bibelwoche 2013 (27.1.2013) in St. Michael

Nie ganz sicher
Der Tod ist nicht mehr sicher.“ Menschen, die geboren wurden und sterben, die leben und glauben, die evangelisch oder katholisch sind, treffen sich in der nächste Woche an vier Abenden. Sie lesen im Markusevangelium und suchen aus ihm zu schöpfen, was sie tröstet im Leben wie im Sterben. Sie begegnen einander unter diesem einem Satz: „Der Tod ist nicht mehr sicher!“
Nicht mehr sicher. Das macht ein ungutes, komisches Gefühl. Wir wollen es gerne sicher haben. Morgens wenn wir aufstehen, soll die Erde sich noch drehen und meine Nachbarn da sein. Abends im Bett soll ich behütet werden vor allzu großen Sorgen und wilden Gedanken. Wir brauchen es sicher. Unser tägliches Brot. Eine Aufgabe. Den gewohnten Gang der Dinge. Jemand, der uns liebt und beschützt. Gott im Himmel. Dass nichts Schlimmes passiert. Wir nicht stürzen. Die Hoffnung und den Glauben nicht verlieren. Die wesentlichen Sachen feststehen. Und wir uns sicher und geborgen fühlen.
Wir merken, sehen, ahnen, spüren aber auch, nichts ist ganz sicher. Auch wenn wir unendlich viele Geländer aus Worten, Zusicherungen, Gewissheiten, Garantien bauen. Das Leben ist und bleibt mit gewissen Risiken und Wagnissen behaftet, mit Unsicherheiten und Unwegsamkeiten durchsetzt, mit Zufall und Unverhofften vermischt, die uns grausam oder wunderbar treffen, die uns Angst oder Hoffnung machen. Das Leben ist nicht sicher, nie ganz. Es ist eingespannt zwischen Festem, Gewissem, Sicherem und Losem, Freiheit und Lebendigkeit.
Und je mehr Menschen sich absichern, sich versichern, versuchen, jedes Risiko zu minimieren, alles sicher zu wissen und zu haben, umso mehr passiert es: Leben wird trotzdem und gerade an einem bestimmten Punkt zum Wagnis, die Angst überwältigt, die Frage nach Geborgenheit und Vertrauen stellt sich, nach dem, was mich bei allem, was ist, geschieht und wird, bei sich bergen kann.

Ich bin mir sicher
Der Tod, der ist sich sicher. Er ist sich sicher, dass immer wieder Schlimmes passiert und der Zufall Unglück bringt. Der Tod ist sich sicher, das Schicksalsschläge Menschen Sinn und Glück brechen, dass Menschen Mut und Hoffnung verlieren; dass Unverhofftes verwirrt und Unsicherheit Panik macht, dass Menschen Freiheit ausnutzen und das zu große Risiko suchen, um sich lebendig zu spüren, dass Krankheit Verzweiflung bringt, Neid und Hass wie Pilze aus dem Boden sprießen und wir einander kaum aushalten.
Der Tod ist sich sicher, dass Menschen einander die Hölle bereiten, dass sie lieber Argwohn als das Vorteilhafte denken, mehr das Schlechte als das Gute sehen, eher Hass als Liebe fühlen. Der Tod ist sich sicher, dass Kinder in Zimmern verwahrlosen; Ehepartner sich anschweigen; man Spaß am Mobbing findet, Worte wunderbar verdreht werden können, Augen die Lust aus sich setzen, man sich selbst drangsaliert, die Schöpfung blutet, die Welt verrückt dem Abgrund zusteuert.
Der Tod ist sich sicher, dass er nicht nur am Ende da steht und das Ende von allem Lebendigen ist, dass er der Herr über Lebenslänge ist und sterben lässt, was jung und alt, krank und gesund, heilig und alltäglich ist, dass er wirklich der große, mächtige Gleichmacher ist, der am Anfang des Nichts steht, und an dem keiner vorbeikommt.
Nein, der Tod ist sich auch sicher, dass er mitten im Leben die Angst vor ihm bringt, ein Stopp ist, das jetzt schon zum dunklen Fragen bringt, ein Moment des Unausweichlichen, das jetzt schon verzweifeln und nur schwer leben lässt.

Total verunsichert
Jesus aber hat den Tod verunsichert und er tut es heute noch. So kann es Menschen geschehen, die aus Markusevangelien Trost und Freude schöpfen
Unverhofft im kindlichen Gewand trat Gott unter uns mit Jesus auf den Plan. Geboren entlegen, auch für den Tod fast unerkannt. In der Wüste hat er dem Satan mit Worten getrotzt und ihn ratlos zurückgelassen. Unzählige böse Geister hat er den Kampf angesagt und sie aus Menschenleibern vertrieben. Für Frauen und Männern hat er unheilvolle Teufelskreise durchbrochen, Sünde vergeben und den Neuanfang gewagt.
Menschen, denen der Sinn abhandengekommen ist, die im Dunklen von Krankheit und Leere wohnten, hat Jesus berührt, zu ihnen gesprochen, sie geheilt und neuem Leben ermutigt. Er hat innere und äußere Fesseln gelöst, gebrochene Beziehungen neu geknüpft, Verbindungen geschaffen, wo keine waren, Augen geöffnet für die Fülle, Seelen und Bäuche wunderbar liebevoll genährt und nie gefragt, ob das morgen noch geht, ob darüber auch der Abend der Zeit kommt, ob es ewig währt.
Jesus hat den Tod gehörig verunsichert, als auch zweifelnd, ängstlich vielleicht, hinein kam in Anfechtung und Schläge, in Verrat und Trug, in absurde Beschuldigung und in die Wehen der Endzeit; mit Wut hat er gekämpft, mit der Müdigkeit seiner Jünger und mit seinem heiligen Vater auch. Er blieb nah, als das Salböl seinen Kopf hinunterrang wie Blut der bittren Zukunft. Er blieb nah, als er den Seinen die Füße wusch und vor ihren Schweiß und Staub niederkniete. Er blieb nah, als er das Brot brach und aus dem Kelch des Leides trank und den Tod nicht einen Hauch zwischen sie kommen ließ. Er blieb nah am Kreuz, wo alles durch Tod gebrochen fern war.
Der Tod wurde verunsichert, ihm wurde Angst und Bange. Jesus riskiert sein Leben, weder heroisch noch unbedarft, weder blindlings noch gesucht. Jesus wagt sein Leben bis auf die allerletzte Sicherheit und wird auferweckt, birgt uns alle in letzter und erster Sicherheit, in der Sicherheit eines sich gewiss liebenden Gott.
Der Tod ist überhaupt nicht mehr sicher. Amen.

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