Predigt zur ersten Frage des
Heidelberger Katechismus (17.2.13)
[Gemeinde:] Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?
In anderer Hände
Mein?
Mein Trost im Leben und im Sterben? Mein Trost wohnt manchmal wie in mir und
ich selber kann ihn aus mir schöpfen und mich trösten. Mal ist der Trost da und
mal suche ich ihn, tastend, fragend. Wenn der Unmut in mir steigt, das Dunkel
einfach nicht weggeht, wenn schwarze Gedanken mich treiben, wenn alles gegen
mich steht, wenn sacht gewisse Tränen kommen. Trost bleibt manchmal aus und oft
ist er da. Getröstet bin ich, wenn ich trotzdem gehalten, gesucht, umarmt werde.
Trost finde ich in Bildern, in Liedern, in Erinnerung, in Worten, in anderen.
In solchen, die mir Liebe haben zugesagt, die mich auch im Dunklen sehen,
suchen und treu mir Liebe sagen. Immer wieder.
Bis
die Dunkelheit sich irgendwie zu lichten beginnt, das Schlimme ein Stück auch
nur kleiner wird, das Unheil heilvoller wird, bis ich spüre, erfahre, glaube:
So trostlos bis du nicht. Ich bin mir nicht alleine überlassen. Ich bin im
Leid, was auch immer es sein mag, nicht nur gefangen, selbstverloren. Da ist
jemand, dessen Gedanken fühlen, tragen mit, dessen Worte kommen von wo anders
her, von der Grenze jenseits der Dunkelheit, jenseits der Trostlosigkeit,
jenseits von mir. Mein Leben ist mit all seinem auferlegten und selbst
gemachten Elend, Schwere, nicht nur in meiner kleinen Hände Macht, sondern in
den Händen eines anderen, aufgehoben in ihm, seinen Worten, seinem Blick,
seinem Ich, das mir so nahe kommt, dass mein Ich mir selbst zart wieder
geschenkt wird.
Ich frage euch: Was ist
euer einziger Trost im Leben und im Sterben?
Gemeinde: Dass ich mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben, nicht
mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre.
Wer bezahlt für mich?
Wie
sehr glauben wir, dass wir uns immer selbst gehören. Wie laut und
allgegenwärtig ist unser ganz und gar moderner verinnerlichter Ruf: Ich gehöre
mir selbst, es ist mein Körper, mein Tag, meine Pläne, meine Zukunft, meine
Seele, mein Leben. Wie gut ist es, dass wir dies zu Recht sagen dürfen und
können gegen alle Tyrannei von außen. Wie sehr aber, wie unterschwellig oft, ist
es aber so, dass wir eben nicht uns selbst gehören, zumindest nicht zu 100%. Unsere
Körper enteignet werden durch voyeuristische Blicke. Unser Ich fremdbestimmt
wird durch unzählige Kontakte, in denen wir eingebunden sind. Unser Leben
gesteuert wird durch all das, was massiv auf es eindrängt und zu Dauerantworten
nötigt. Unsere Seele uns merkwürdig fern ist. Gehören wir wirklich uns selbst?
So
sehr gehöre ich mir selber gar nicht. Ich muss mich selbst aber spüren. Dass ich
überhaupt noch da bin, für mich da bin. Ich muss jetzt im Augenblick intensiv
mich leben und frage nicht mehr, immer weniger nach dem, was nach mir und durch
mich kommt. Ich verliere aus dem Blick: Alles, was ich tue und lasse, das ist
doch kein Punkt im Nichts, das ist doch eingewoben in alles, das bewirkt doch was.
Mein Tun und Lassen hat Konsequenzen und ich bin gefragt: Wie lebst du mit diesen?
Kannst du vor allem mit denen leben, die nicht gut waren? Oder wirst du daran
scheitern? Wer bezahlt für all die Fehler, die Versäumnisse, die absichtlichen
oder auch unabsichtlichen, bedachten und unbedachten Sachen, die wir zufügen?
Andere
bezahlen, ohne dass sie was dafür könnten. Niemand bezahlt. Glück gehabt. Und
für manches bezahlen wir, schmerzhaft. Und wenn es besonders schwer wird, wenn
kein: Tut mir leid mehr hilft, wenn keine Returntaste mehr uns beisteht. Wir
nicht mehr bezahlen können? Manche Schuld wiegt so schwer, dass niemand sie
aufzuwiegen vermag. Was für eine Wohltat, was für eine Erlösung wenn doch, wenn
jemand doch einen Gegenwert hat, einen unermesslich großen, und vollkommen die
Rechnung für uns bezahlt, weil wir ihm gehören und er uns auslöst, erlöst und
gibt, was so viel wert ist: Er mit seinem Leben unsere Fehler aufwiegt.
Ich frage euch: Was ist
euer einziger Trost im Leben und im Sterben?
Gemeidne: Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden
vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst;
Ganz uns im Blick
Er
hat uns teuer erkauft. Wir sind ihm viel wert, ungeheuer wertvoll. Und das sind
wir fortgesetzt, auch in jeder Gegenwart, immer wieder. Er hat durch seinen
Wert uns als ganz wertvoll angesehen und er bewahrt dieses Wertvolle, uns.
Gottes
ganze Aufmerksamkeit, die gilt uns. Sein Denken und Sehen, sein Planen und
Wollen, sein Hoffen und Leiten, seine ganze Liebe ist auf uns aufmerksam und
schützt und bewahrt uns. Alles, was mit uns zu tun hat, alles, was ich bin,
mein Tag und meine Nächte, mein Morgen und meine Gedanken, meine Schritte, auch
das, von dem ich nichts weiß, all das liegt in seiner Liebe Augen und nichts,
gar nichts kann passieren, dass wir aus seinem Blick herausfallen, dass er uns
aus dem Bick verliert.
Wir
werden nie unversehrt bleiben, nie schuldlos, nie unverletzt, nie ohne
Krankheit, nie ohne Gewalt, nie ohne Zweifel, nie ohne Sorgen, aber alles dies
immer mit Gott. Nie ohne Gott. Er wird die Scherben wieder zusammensetzen, er
wird im Leiden bei uns sein, er wird unserer Lebensfäden den roten einweben, er
wird die Bruchstücke zu einem schönen Mosaik fügen. Er wird helfen, dazu da
sein, dass wir uns selbst nie verlieren, sondern unser Leben finden.
Ich frage euch: Was ist euer einziger Trost im Leben und im
Sterben?
Gemeinde: und er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im
Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja, dass mir alles zu meiner
Seligkeit dienen muss.
Wozu lebe ich?
Er
dient unserer Seligkeit. Vielleicht ist Seligkeit, wenn alle Fragen für einen
Moment beantwortet sind und wenn ich Antwort bin auf die Fragen der Anderen,
auf die Frage Gottes nach mir und er mir in diesem Moment auch mein Antwort ist
auf mich. Wenn meine Liebe und seine Liebe in eins fallen. Seligkeit.
Diesen
Moment gibt es. Er ist mir für mein Leben zugesagt, versprochen. Er gebärt in
mir Gewissheit. Lebensgewißheit. Die Gewißheit, dass es eben auf alle lebenswichtigen
Fragen, nach meinem Woher und Wohin, nach meinem Wozu und dem Sinn, nach: Wer
wird mich tragen, wer kennt mich wirklich, wer vertraut mir und wer liebt mich
unbedingt eine Antwort gibt und dass ER diese ist.
Solch
eine Lebensgewissheit ist unhintergehbar, aber zu irritieren, sie kann ramponiert
werden, sei wird sich aber bewahrheiten, sie ist dem Zufall ausgesetzt und
Geschenk, gründet uns und aus ihr können wir Leben. Und sie tröstet, wann immer
wir ihrer ansichtig werden. Ich und Er, mir und mein, einzig, vollkommen. Eine Gewissheit,
die das Leben im Sterben und nach dem Tod umfasst, eine tiefe Gemeinschaf mit Jenem,
mit Christus, die alles umspannt: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und
Ewigkeit. Mich und Ihn.
Er
lebt mir und ich lebe ihm. Mal ganz klar, mal eher verdeckt, mal mit mehr, mal mit
weniger Abstand, mal mit Zweifel, mal mit Momenten erfüllter Seligkeit. Wir
leben immer jemanden unser Leben, wir leben nicht nur mit, nach und vor, in und
durch andere Menschen, sondern wir leben Menschen: Unser Leben erfüllt sich,
indem wir dem anderen leben, und er uns. Christus lebt uns und wir leben ihm.
Unser Herz ist bereit, ist Inhalt seines Willens und willig. Was immer auch
Unruhe, Fragen, Schmerzen in es treibt, wie gebrochen, wie schwer es auch immer
sein mag, es ist ein Herz, das ihm lebt wie seines uns schlägt. Es ist ein
zutiefst von ihm trostvolles Herz.
Ich frage euch: Was ist euer einziger Trost im Leben und im
Sterben?
Gemeinde: Darum macht er mich auch
durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und
bereit, ihm forthin zu leben.
AMEN
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