Predigt im
Mitarbeiterdankgottesdienst 2013 (19.1.13)
(Markus 2, 1-12)
Der Blick auf´s Dach
Der Gelähmte weiß, wo der Himmel ist. Andere haben ihn dahin
getragen. Sie haben seine lahmen Beine gesehen, vielleicht schon Jahre lang
jeden Tag. Sie kennen sein Gesicht, sie sehen seine Not und sie haben von Jesus
gehört, gehört, dass er Menschen wieder heil macht. Sie bringen Jesus und den
Gelähmten in ihrem Kopf, in ihren Gefühlen, in ihrer Tat in Verbindung, nehmen
sein Bett an seinen vier Ecken und gehen los, bringen Bewegung ins Leben des
Bewegungslosen. Sie sehen den Raum voll, in dem Jesus ist. Sie sehen eine
Lösung, gehen auf das Dach. Sehen es und decken es so weit wie nötig ab. Sie
sehe das Loch und lassen den Gelähmten hinab, hinab zu Jesus.
Der Gelähmte gebunden in seinem schier ewigen Blick auf seine
Krankheit, auf seine Not. Er liegt auf seinem Rücken wie so oft und schaut nach
oben wie so oft in dunklen Tagen. Jetzt sieht er über sich, das Loch im Dach,
die Vier, die ihn trugen und herunterlassen, er sieht den Himmel über sich und
er ahnt und spürt, dass der Himmel jetzt gleich mit Jesus für ihn anbrechen
kann.
Ein Blick in den Himmel
Es ist die gleiche Perspektive, die gleiche Blickrichtung,
die unser Bild, das Sie in die Hände nehmen können, hat. Dreifach gerahmt ist
der Himmel, durch die unifarbene Karte, durch den leicht dunkleren Rand und
durch das Gebäude. Der Himmel fällt beim zweiten Hinsehen stärker auf, und er
wirkt etwas distanziert. Ein Stück Himmel weit oben haben wir wie in unserer Hand.
Und doch ist das Bild in sich minimalistisch, konzentriert
uns, fixiert uns. Der Himmel ist sanft hellblau, Wolken ziehen, teilweise etwas
grau, er bewegt sich, alle andere steht still, unbeweglich. Ist er Sehnsucht?
Bewegt er uns innerlich? Suchen wir den Himmel? Jeder für sein Leben, ganz
persönlich, und wir hier als Gemeinde? Diesen fernen und nahen Himmel, in den
wir blicken.
Menschen blicken
Menschen blicken. Unendlich oft im Leben, am Tag. Andere an, Dinge, den Lauf
der Zeit. Sie blicken genau, konzentriert, weg, flüchtig, argwöhnisch, neidvoll,
mit Tränen in den Augen, auf den Boden, hoffnungsvoll, leer, starr und voll
Liebe glänzend.
Menschen liegen auf dem Rücken und blicken. Abends im Bett,
das Nachtgebet sprechend, Sorgen wälzend, am Strand im Sand die Sonne
genießend, in der Hängematte die Augen geschlossen und das ganze Leben träumend
vor Augen, im Krankenbett die eigenen Leiden an die Decke gesprochen. Wir
blicken in eigene Abgründe und in den Himmel. Der so oder so über uns hinüberzieht,
mit seinen Himmelsboten. Wir blicken zu ihm hoch, und sehen Flugzeuge,
Wolkengebilde, Sterne in der Nacht und irgendwie mehr
Haben wir den Himmel wirklich schon gesehen, den auf Erde für
uns? Der Himmel, der uns versprochen, der unsere Gefühle, unseren Sinn aufbrechen
lässt, weitet und uns schenkt, was unsere Seele im Augenblick braucht?
Notenblätter, PC-Monitore, Zahlen, E-Mails, Kalender,
Schubkarren, Grill, Kabel, Heftchen, Druckerpatronen, Kuchen, Kaffee, Zettel, Kinderherzen,
stumme Gesichter, klingende Melodien, ausgestreckte Hände, alte Geschichten, der
Worte Fülle, Schicksale - was alles sehen unsere Gemeindeblicke, eure Blicke
als Menschen der Gemeinde. Eurer Herzensblicke vieler Arbeit. Danke dafür.
Vielen Dank! Viel Irdisches, Menschliches, Alltägliches. Ist da der Blick in den
Himmel mit dabei? Ist er es selbst?
Tragende und Gelähmte
sein
Wir sind beides: Gelähmte und solche, die Gelähmte tragen;
Menschen, die auf Heilung warten, und solche, die sie schenken können. Beide
Blicke sind unsere: Die Blicke, die die Seelennot der anderen sehen, sich
anrühren lassen, beginnen zu tragen, Not mit Gott in Verbindung bringen,
Probleme für andere überwinden, das Dach aufdecken, andere zu Jesus lassen,
ihnen den Blick in den Himmel schenken.
Und solche, die selbst dieses Blickes bedürfen, selbst in Not
sind, selbst an bestimmte Stellen, Herzensecken, wie gelähmt sind, und die von
anderen hier getragen werden, deren Not andere zu ihrer machen, denen ein Dach aufgedeckt
wird, die durch ein gemachte Öffnung voller Hoffnung zu Jesus, zu Gott kommen, die
den Blick in den Himmel bekommen und zu Gott gebracht geliebt, geheilt werden,
ein Stück von ihrem Himmel sehen. Christen sehen immer mehr.
Auf dem Boden des
Himmels angekommen
In unserem Bild ist das Merkwürdigste das Gebäude. Wir sehen
Säulen, Erker, Vorsprünge, wie ein Schloss, ein Kloster, viereckig das Ganze, statisch
und eigentlich recht düster. Nur der oberste Teil der Mauerwände ist
beschienen, von der Sonne, links mehr als rechts, als ginge die Sonne im Westen
unter. Es muss ein Art großer dunkler Innenhof oder ein mit Mauern begrenzter Platz
sein, von dem aus die Mauern des Gebäudes entlang nach oben in den Himmel geblickt
wird.
Der Gelähmte sieht über sich den Himmel, aber der Himmel für
ihn, der ist unter ihm. Je mehr sich der Gelähmte wieder vom eigentlichen
Himmel zu ihm schauend entfernt, umso näher kommt er ihm, ohne es zu sehen. Als
er auf den Boden angekommen ist, dann sieht er Jesus und Jesus sieht ihn und
aus dem Lahmen wird ein anderer, einer, der wieder geht, der wieder lebt.
Im Blick nach oben ist der Himmel unten zu finden, auf dem
Boden. Da ist Jesus. Es ist der Ort, das Gebäude, der Platz, an dem von Sündenvergebung,
Verwandlung, Neuanfang und Heilung gesprochen wird, wo all dies geschieht, wo Gott
Menschen, die den Himmel suchen, ihre Seelenwunden heilt, ihre Schuld vergibt,
das Dunkle besiegt, sein Gnadenlicht über sie breitet und sie wieder am Leben
teilhaben lässt. Der Himmel ist der ganz irdische Platz ganz unten, dort, wo Menschen
im Geiste Jesu einander Sünden vergeben, Seelengebrechen heilen, entbinden von
dem, was trennt, was schlimm folgenreich ist, befreien, immer wieder, auch wenn
es schwer fällt, neu anfangen, beharrlich hineinholen in die Beziehungen, die
Gott unter uns knüpft.
Eine Gemeinde aus Gelähmten und welchen, die tragen, wo
Menschen wie ihr ahnen, wissen, wo der Himmel sein könnte, die wie wir einander
sich an Jesus erinnern und auf den Boden der Gemeinderealität den Blick in
Himmel schenken, wo sich dann Himmel und Erde in uns berühren. Amen.
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