Freitag, 30. März 2012

Ganz still wird es nie


...  Immer ist irgendwo ein Ton zu hören. Besonders tagsüber. Stimmen von Kindern und Jugendlichen vom Sportplatz, natürlich das Geräusch der Autos vor allem am Zubringer, von irgendwoher immer ein Tatütata, auch von Ferne das Läuten der Glocken unserer beiden Kirchen und irgendwie der Einkaufslärm von der Innenstadt oder ein Flugzeug am Himmel. Und drinnen sind die Töne ja auch, in jedem einzelnen Gebäude in Haslach, unzählige Stimmen, mal laute, mal leise, mal traurige, mal wütende, von Eltern, Kindern, Erwachsenen, Neugeborenen; dazu der Fernsehlärm, das Hochfahren der PCs, das Brummen der Kühlschränke, das Blubbern der Aquarien, das Schnarchen der Ehemänner, das Umblättern der Buchseiten der Schlaflosen, das stille Stöhnen der Sterbenden.
Karfreitag, der Tag, an dem wir an das Sterben Jesu denken, stelle ich mir ganz still vor, extrem still, fast gespenstisch. Als würde jemand ganz tief Atem holen und für eine Sekunde steht alles still. Grabesstille. Und Ostern stelle ich mir vor wie ein sehr lautes Jubeln, freudiges Schreien, ausgelassen, befreit, wie wenn beim SC das entscheidende Siegestor zum Klassenerhält fällt. Alle liegen sich freudestrahlend in den Armen.
Sehr bald haben wir in Haslach wieder Karfreitag und Ostern. Ob dann was von dieser grenzenlose Stille und dem grenzenlosen Jubel zu hören sein wird? Ich weiß es nicht. Vielleicht werden Passions-Stille und Oster-Jubel überstimmt, übertönt und überhört, gehen beide Grundtöne des Lebens, des Sterbens und Auferstehens, unter, verloren in der so vielfältigen lebendigen Tönewelt Haslachs? Auf jeden Fall feiern wir in den Kirchen Karfreitag und Ostern, beharrlich und stellvertretend für alle. Wir gedenken in aller Stille des Todes Jesu und der Tragik des Lebens und wir feiern laut jubelnd das Fest der Auferstehung, den wunderbaren Sieg der Liebe. Diese beiden Grundtöne lassen wir klingen, leise und laut, mitten hinein in Haslach und sein Herz, hinein in alle anderen Töne, Stimmen, in Stille und Lärm.
Dieses Jahr ist in der evangelischen Kirche das Jahr der Kirchenmusik. In vielen Tönen werden die Grundtöne des Lebens zum Klingen gebracht, in Konzerten, durch Chöre und in jedem Gottesdienst, wenn die Orgel spielt und Menschen dazu singen. Diese Töne bewahren wir für Sie auf, zum Zuhören, Einstimmen, aus der Nähe und der Ferne, oder aus der sicheren Halbdistanz, an Karfreitag ein leises: „Herr, erbarme dich“ und an Ostern lauthals: „Christ ist erstanden, Halleluja.“


Ihr Pfarrer Dr. Jochen Kunath

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