Montag, 23. Januar 2012

„DER GEMEINDE WIEGENLIED“

„DER GEMEINDE WIEGENLIED“
Predigt am Mitarbeiterfest zu „Abend ward, bald kommt die Nacht“ (EG 487)

Predigtteil 1: Schlafende Gemeinde
Eine Gemeinde geht schlafen, legt sich hinein, schließt langsam die Augen. 7000 Augen, 3500 Augenpaare. Tausend kleine und große Gedanken, Kindersorgen, Erwachsenenwünsche, beginnende Alpträume, die Bettdecke bis zur Gemeindenase. In so vielen evangelischen Betten in Haslach. So verschiedene Menschen mit verschiedenen Tagen, die zu Bett getragen werden, verschiedene Kleider, die abgelegt werden, Zähne, die verschieden geputzt werden, verschiedene Bücher, die als Bettlektüre aufgeschlagen erden, verschiedene Hände - gefaltet werden, allein auf der Bettdecke, zwei, die sich umschließen. Eine schlafende Gemeinde, gemeinsam evangelisch und gemeinsam hier verortet.
Es passiert doch nichts. Diese Nacht. Die Zeit, der wilden Tiere, die ums Nachtlager streifen, ist vorbei. Die Zeit, als Bomben vom Himmel fielen und deren Pfeifen aus dem Bett trieb, ist vorbei. Erdbeben, Springfluten, Waldbrände, Atomkraftwerke, die gibt´s hier nicht, nicht so nah.
Es passiert doch nichts. Diese Nacht. Und doch gehen wir nie alleine ins Bett. Nehmen uns mit, jeder sich und all die anderen, die lebenden und die toten, die erhofften und verwünschten, die verhassten und geliebten; mit im Bett liegen die ungewissen Tage, die Sorgenmomente, die geweinten Tränen, manche Lebensangst, gewälzte Probleme, dunkle Gedanken, lässliche und haarsträubende Sünden. Es passiert doch nichts.

Strophe 1.
Abend ward, bald kommt die Nacht,
schlafen geht die Welt;
denn sie weiß, es ist die Wacht
über ihr bestellt.


Predigtteil 2: Entlasten
Wach liegen, vor dem Einschlafen, mitten in der Nacht, in den Morgenstunden. Dann: Beruhigt einschlafen, wieder, bis der Morgen da ist. Einer muss wachen, wenn alle anderen schlafen. Alte Pfadfinderregel. Wenn alle schlafen, dann muss einer wachen.
Einer muss aufpassen, dass nichts passiert, muss die Augen offenhalten, die Ohren spitzen, auf der Hut sein.
Wer übernimmt diese Aufgabe? Wenn die Gemeinde ruhig schlafen soll? Wer ist es? Die einen für die anderen? Mindestens immer ein guter Prozentsatz von Gemeindemitgliedern für die große Masse? Die Ortsältesten? Der Pfarrer? Müssen wir das auch noch organisieren? Ein Wachdienst für unsere ruhig schlafende Gemeinde?
Einer muss die Wacht bestellen. Bestellen. Die Wacht bestellen. Wir müssen diese Bestellung aufgeben - unbedingt.
Es passiert immer was. Jeden Tag. Gutes wie schlechtes. Manches lässt uns nicht ruhen, nicht los, sorgt uns, quält uns, bis in die Nacht hinein. Sorgenvolle Gemeinde. Einer muss uns entlasten an der Schwelle vom Abend zur Nacht. Einer muss alles mittragen die Müh und Plag des Tages, diese Beschwernisse und manche Beschwerde auch. Einer muss am besten all das Schwere, was uns nicht ruhen lässt, nehmen und in sein Himmel-Bett legen. Dann haben wir es los. Und der eine mag sich dann noch ganz fleischgeworden in unser Bett des Nachts schleichen, sanft bei uns liegen. Wacht sein, wenn wir alle selig schlafen den Schlaf der gerechten Gemeinde.

Strophe 2.
Einer wacht und trägt allein
ihre Müh und Plag,
der lässt keinen einsam sein,
weder Nacht noch Tag.


Predigtteil 3:Ein Gedanke
Wenn wir schlafen gehen, wir die Hände falten nach dem Tagewerk. Es sammeln sich die zahlreichen Gedanken, Wünsche, Ängste, Erinnerungen und wir selbst fassen uns, unser Leben still gesagte Worte - beten. 3500 müde Augenpaare, 3500 Gebete, irgendwie gebetet.
Eine Gemeinde geht schlafen und betet. Ringt sich und dem Tag ab Worte hin auf Gott gedacht, vor ihm gebracht, vor die Füße gesprochen, müde gemacht vom Tag von vorn beginnend, weil den Gebetsfaden, den Lebensfaden verloren. Wie? Wenn wir uns alle verabreden würden, zu einer bestimmten Minute im Übergang vom Abend zur Nacht, dass wir gemeinsam die Hände falteten, gemeinsam alle unsere Taggedanken hin auf ihn sammelten, zu ihm wie in einem gemeinsamen Gebetsaugenblick hin zu ihm sprächen. Es wäre wir ein unsichtbar goldenes Netz, dessen Mitte er unwillkürlich würde.
Betend und bittend er zur Wacht bestellt, wenn die Augen langsam vom Tag zufallen, wir alle wie eine ihn bitten: Bleib bei uns diese Nacht, bleib bei deiner zu Bett gegangenen, schlafenden Gemeinde, halte Wacht, sei Halt und Hort. Lass uns ruhen. Irgendwie haben wir uns es uns als Gemeinde doch verdient, wie wir uns um deine Angelegenheiten am Tag sorgten und Gemeinde waren.

Strophe 3.
Jesu Christ, mein Hort und Halt,
dein gedenk ich nun,
tu mit Bitten dir Gewalt:
Bleib bei meinem Ruhn.


Predigtteil 4: fromme Gemeinde
Im Schlaf fromm werden. Das, was wir uns tief in unserer Seelenecke wünschen, was auch die vor uns hier und die nach uns, die um uns herum sich wünschen: fromm werden, gottwohlgefällig, selig, glücklich sein. Und das eben nicht im unabläßlichen Tun, Schaffen, nein: im Schlaf. Eine schlafende Gemeinde, die darüber fromm wird.
7000 Augen, 3500 Augenpaare und Eines wacht darüber. In Christi Blick geht keiner verloren, sei er noch so klein, so zurückgezogen, bescheiden, sei er, wer er will. Christus hat die schlafende Gemeinde im Blick, schaut auf sie. All seine Müdigkeit ist abgegolten am Kreuz. Nun wacht er und passt auf uns auf. Er schaut euch beim Schlafen zu. Es ist sein durch und durch liebender Blick, nicht enttarnen, nur zu schützen, einen jeden von euch; denn euer Abend und Morgen, euer Leben ist ihm wertvoll.
Da lässt sich schlafen. Gut schlafen. Es kann wirklich nichts passieren, was uns das Leben nehmen könnte. Er erhält es uns, er blickt darauf, er passt darauf auf. Er nimmt die Lasten. Er tröstet uns. Wie neben uns liegend, nimmt er uns in die Arme, bergend, schützend, tröstend. Eine getröstete Gemeinde. Eine fromme Gemeinde. Eine selig schlafende Gemeinde. Gott gewiss. Gute Nacht.
Eine Gemeinde wacht auf nach guter, von Christus bewachter Nacht. Aus dem frommen Schlaf erwachen. Sein guter Morgen ist da. Jeder geht an sein Tagewerk. Die Gemeinde geht getrost an ihr Tagewerk. Sie tut, was Gott frommt, nutzt. Danke dafür. Amen.

Ganzes Lied! Strophen 1-4

[4. Wenn dein Aug ob meinem wacht,
wenn dein Trost mir frommt,
weiß ich, dass auf gute Nacht
guter Morgen kommt.]

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