Mittwoch, 4. Januar 2012

Das Licht wächst still


Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias (09.01.12)

Geboren
Nicht in Bethlehem. Nicht damals vor mehr als 2000 Jahren wurde Jesus geboren. Weihnachten, Heiliger Abend liegen vierzehn Tage hinter uns. Jesus ist geboren. In uns. Mitten unter uns. Zwischen uns.
Jesus ist uns geboren worden. Klein, nackt, in einer abgeschiedenen Ecke unserer Seele, unseres Lebens. Wir haben ihn empfangen. Er ist in uns eingepflanzt. Er, das Licht, das Heil, die Rettung. Und alles ist schon da mit dieser Geburt in uns: All seine Worte, die er dann spricht; all die Taten, die er dann tut; all das Gleichnishafte, all das Heilsame, alles von diesem Gott, den er den Menschen so nahe in ihr Leben bringt. All das ist da, ist in uns geboren - und wartet darauf, dass es beginnt zu werden, zu wachsen, zu leben, sich zu entfalten, zu strahlen, zu leuchten, zu heilen; in uns, mitten unter uns, zwischen uns.
Dreißig Jahre hat es gedauert von der Geburt Jesu in Bethlehem bis er begann zu predigen, zu heilen, Wunder zu tun, vom Himmel zu erzählen, bis er öffentlich auftrat und alle ihn hören, sehen, spüren konnten. Dreißig Jahre, so lange dauerte, bis er gewachsen war, die Zeit reif ist; wie ein heiliges Innehalten, in dem Gott alles selbst bereitet und Atem holt für uns. Zeit der Ruhe, des Reifens, Wartens, und dann leuchtete das Licht bald über den ganzen Erdenkreis.
Dreißig Jahre. Solange dauert es bei uns, in uns nicht, von der Geburt des Lichts, bis wir darin erstrahlen. Oder doch? Es dauert auf jeden Fall. Das Licht geboren muss ruhen, warten, reifen, wachsen in uns.
Nur spärlich, äußert spärlich füllt die Bibel diese Zeit, diese dreißig Jahre bis zur Taufe Jesu. Nur mit ganz wenigen, fast rätselhaften Geschichte: Mit Johannes, dem Täufer; mit Simeon, der kurz vor seinem Tod noch den erhofften Heiland als Kind sieht; mit Jesu Beschneidung; mit dem zwölfjährige Jesus im Tempel; mit den heiligen drei Königen, und mit dieser Geschichte:

Die Flucht nach Ägypten und die Rückkehr
Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir's sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen.

Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Hosea 11,1): »Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.« ….
Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben.
Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen.

Gefährdet
Kaum ist das Licht, ER, seine Worte, seine Taten voller Heilsamkeit in uns geboren, müssen sie fliehen. Ist das Licht in uns gefährdet, vom Tod bedroht, trachtet man ihm nach dem Leben, möchte man es in uns mundtot, unwirksam machen, es rausreißen, vertilgen, auslöschen.
Kaum in uns wird das Licht zum Spielball der Mächte, der Mächte zwischen uns, in uns. Spielball von Hass, Neid, Zweifel, anderen dunklen, verwirrenden, bösen Mächten – und es muss weg von dort, weit weg, so weit, dass es die dunklen Mächten nicht erreichen. Es muss fliehen an einen sicheren, anderen Ort. In uns. Wo ist dieser Ort, dieser versteckte, sichere Ort für das Licht Gottes in uns? Vielleicht gerade der Ort, den man nicht erwartet. Ägypten war das Land der ehemaligen Knechtschaft, der Ort, aus dem Israel selbst floh, befreit wurde; gerade dieser Ort, früherer Un-Ort, wird Fluchtort, sicherer Ort. Das Licht sucht einen Ort des Asyls in uns.

Bewegt
Nachts. Im Traum. Auf engelhafte Weise. Josef hört es. Josef nimmt es. Josef bringt es an einen anderen Ort. Das Jesuskind. Nachts. Wenn es dunkel ist. Merkwürdig. Wundersam. Wer sieht und hört es? Wer steht auf? Wer nimmt das gerade göttlich geborene Licht in uns, nimmt und bringt es an einen sicheren Ort?

Wir merken, wie wenig wir das tun können. Wie sollen wir das Licht in uns nehmen und in uns woanders verorten? Wie wenig können wir das, was tief in uns ist, wohnt, lebt, steuern, lenken, vernehmen, wegnehmen und wo hin bringen; unsere Gedanken in uns, unsere Gefühle, unsere Ideen, unsere Hoffnung, unsere Sehnsucht, unser Licht von dir, o Gott.
Es muss einer in die Hand nehmen, wenn das Licht, das „Von dir Gott“, gefährdet ist, droht zu sterben. Es muss einer aufmerksam sein, um die Gefährdung wissen, sie sehen, sie sagen, unser Licht geborgen sichern, retten. Du, Du musst es sein. Du sagst es zu dir und uns im Stillen, du stehst auf und nimmst in uns dich selbst und rettest das Licht.

Eingenistet
Über Umwege gelangt Jesus an den Ort, wo er wächst, bis durch ihn Gott sichtbar beginnt zu leuchten. Über Umwege findet das Licht in uns seinen Platz, seinen Ort. Es musste fliehen, sich verbergen, gerettet werden; nun findet das Geborene seinen Ort, wo es sich fest einnistet, bleibt, anwächst, sich beheimatet und reift, wird, das wird, was es schon immer war, in der Geburt, in der Flucht und in der wundersamen Rettung: Licht von Gott in uns.
Bethlehem, Ägypten, Nazareth sind Orte in uns. Wir selbst sind die Topographie, die Landkarte des Heils. Geburt, Flucht, wunderbare Rettung. Gott schenkt uns sein Licht. Zwischen uns. Mitten unter uns. In uns. Er selbst, Gott, nistet sich bei uns sicher ein, verwächst mit uns, dreißig Jahre, dreißig Wüstenwochen, dreißig Tage, dreißig Minuten, Sekunden; hindurch durch dunkle Bedrohungen wächst er beharrlich, in uns, wird er in uns strahlend, werden wir selbst ein Stück vom Licht, erscheinen wir. Sind wir Ort des Wunders, Ort der göttlichen Liebe. Amen.

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