Montag, 21. März: Alles verlassen
Schriftlesung
Markus 1, 16-20
Gedanken
Nachfolge: jemanden folgen, Jemanden nachgehen, seinen
Schritten und Spuren folgen, seinen Ideen, Vorstellungen, seinem Leben. Seinen
Weg gehen, so werden wie er. Nachfolge ist Gemeinschaft, mit jemanden gehen,
teilen, was er erlebt, erleidet, erfährt. Ein ihm entsprechendes, gleiches,
gleichförmiges Leben.
Jesus nachfolgen: Seinen Weg gehen, ihm gleich werden,
Christusförmig. Nachfolge in der Passionszeit: Ihm im Leiden, ihn ans Kreuz
nachfolgen, selbst leiden, das Kreuz tragen. Das in vier Schritten: Von Montag
bis Donnerstag: Ruf in die Nachfolge (alles verlassen) – Bedingungen der
Nachfolge (nichts haben) – Ernst der Nachfolge (das Kreuz auf sich nehmen) –
Lohn der Nachfolge (alles bekommen)
Montag/heute: Ruf in die Nachfolge/Berufung. Jesus
sieht den Menschen, den er ruft; er sieht ihn mitten in seinem Alltag, in dem,
was er tut. Er sieht die Menschen, wer sie sind. Jesus sieht uns, er sieht uns
mitten in unserem Alltag, in unserem Tun, er sieht und weiß, wer wir sind.
Jesus folgt dem Ruf Gottes. Er hat ihn für sich gehört.
Er ist von Gott gesandt. Er soll Gott den Menschen nahe bringen. Seine Sendung,
sein Weg umfasst das Leiden, zu seiner Berufung gehört der Weg ans Kreuz.
Vielleicht zu jeder ernsthaften Berufung, zu jedem Ruf von Außen. Jesus ringt
um diesen Ruf. Er ringt damit, ob er diesem Ruf wirklich folgt, folgt bis in
die letzte Konsequenz. Er ringt im Garten Gethsemane und folgt dem Ruf.
Jesus spricht Menschen an. Er ruft sie nahe, indem er
sie anspricht. Er sagt zu: Folgt mir. ER sagt entscheidende Worte. Er gibt
Menschen eine neue Aufgabe, eine neues „Du sollst und du kannst“. Er gibt ihnen
Leben, ein Da-Sein in seiner Gegenwart, in Gottes Gegenwart. Jesus ruft uns in
eine Aufgabe, in seine Aufgabe, er macht uns zum Bestandteil seiner eigenen
Sendung.
Jesus ruft aus dem Vorfindlichen heraus, aus dem Bisherigen.
Die Jünger verlassen die Netze, sie lassen den Vater, sie lassen hinter sich
und gehen heraus. Sein Ruf in die Nachfolge, der Weg, christusförmig zu werden,
bedeutet: herausgerufen zu werden, heißt verlassen, heißt hinter sich zu
lassen, vielleicht Alles, und genau daran zu leiden. Es ist jener Schritt ins
Luftleere hinaus, ein Schritt des Wagnis, des wirklichen Verlassen. Jenes von
Hilde Domin: „Ich setze den Fuß in die Luft / …“
Jesus erfuhr in seinem Weg ans Kreuz das Verlassen. Er
verließ alles und alle verließen ihn. Er lebte und wagte radikal seinen eigenen
Ruf in die Nachfolge. Am Ende rief er in die Leere des Kreuzes jene Worte aus
Psalm 22: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.
Dienstag, 22. März:
Nichts
haben
Schriftlesung
Matthäus 8, 18-22
Gedanken
Am Montag: Ruf in die Nachfolge: Alles verlassen.
Heute/Dienstag: Bedingung der Nachfolge: Nichts haben. Alles verlassen bedeutet
am Ende und währenddessen vielleicht nichts haben. Entscheidend ist der Wille,
Jesus nachzufolgen. Es ist aber kein Wille, den man haben, besitzen, verfolgen
könnte, sondern der im Ruf selbst gründet.
Der eigene Wille stellt die Frage nach dem Grund des
Wollens, nach der Sicherheit, die ein begründetes Wollen braucht. Wohin führt
der Weg? Das fragt der Schriftgelehrte und wir fragen es uns: Wir wollen Jesus,
Christus ja nachfolgen, ein christusförmiges Leben führen, gestalten, aber wie
und wohin wird das führen? Kann ich nachfolgen? Kann das der, mein Weg wirklich
sein?
Nichts ist die Antwort von Jesus. In ganzer
Radikalität. Nichts. Nichts haben, vielleicht nichts sein, das bedeutet nachfolgen.
Wer Jesus nachfolgt, der wird wie er keinen Ort, nichts haben, wo man sich
nachts hinlegt. Unbehaust. Heimatlos. Nichts für mich. Und noch radikaler: Wer
Jesus nachfolgt wird nichts anderes haben als die Nachfolge. Keine Toten, die
zu beerdigen wären, keine Familie, zu der man gehört, keine Vergangenheit, auf
die man sich berufen könnte. Nichts hat man, wenn man nachfolgt.
Es ist jenes Nichts, das Jesus selbst in der Passion
erlebt und erleidet. Jesus verliert alles und steht am Ende vor dem Nichts. Er
wird auf dem Weg geschlagen und entblößt, verhöhnt und nackt gemacht. Golgatha
ist sein Ort und es ist der Ort des Nichts, des Todes.
Will ich Jesus nachfolgen? Wohin führt das? Wie wird
das sein? Nichts ist zu erwarten. So radikal. Das Nichts, das als Leere, als
Widerstand, als Anfeindung, als Infragestellung, als Ortlsoigkeit einem
entgegenschlägt. In der Passionszeit, nachzufolgen einzuüben, ist als würde
dieses Nichts einem auf Schritt und Tritt folgen.
Mittwoch, 23. März: SeiN Kreuz tragen
Schriftlesung
Markus 8, 34-37
Gedanken
Dem: Alles verlassen (Montag) und Nichts haben
(Dienstag) folgt nun heute am Mittwoch: sein Kreuz auf sich nehmen. Das ist
vielleicht das Anstößigste, das Schwerste, das, was uns am unmittelbarsten, am
körperlichsten in die Passion mit hineinnimmt. Es hat aber am Ende schon fast
etwas Österliches, weil es von Seelenrettung spricht.
Wer nachfolgt, muss sich selbst verleugnen, er muss den
Weg des Nichts, ganz radikal gehen, bis zum eigenen Nichts. Sich selbst
verleugnen, heißt: Sich für nichts achten. Wie Jesus sich für nichts achtete,
sich selbst entäußerte und selbst erniedrigte bis zum Tode am Kreuz. Wer Jesus
nachfolgt soll sein Kreuz auf sich nehmen, sein Kreuz. Das ist fast körperliche
Nachfolge Jesu, Passionsnachfolge, Leidensnachfolge: Wie Jesus sein Kreuz
getragen hat, wahrscheinlich den Querbalken, so sollen die, die ihm nachfolgen,
auch ihr Kreuz tragen. Jesus trägt das Kreuz, weil es das ist, an dem er
stirbt. Wer glaubt, dass Jesus für einen stirbt, der sieht im Kreuz, die Last,
die Jesus ans Kreuz trägt. Das Lamm trägt unsere Schuld ans Kreuz. Kreuz und
wir werden wie gleichgesetzt und wir werden mit dem Leiden Jesu verbunden.
Sein Kreuz auf sich nehmen heißt, das eigene Leiden auf
sich nehmen, die Last des eigenen Lebens tragen, aber es könnte in Blick auf
Jesus, der in seinem Kreuz die Last der anderen getragen hat, auch meinen, die
Last der anderen als eigenes Kreuz zu tragen und zu ertragen: Sein Kreuz wäre
dann die Schwere der anderen. Selbstverleugnend wäre dies, weil es ganz von
sich absehen würde und auf die Belastung mit anderen blickt.
Jesus verliert sich für die Welt und gewinnt alles für
Gott. Sein Selbstverlust ist letztlich Selbstgewinn. So ist der Weg der
Nachfolge auch ein Weg des Selbstverlust, dem aber das Selbstgewinnen verheißen
ist. Jesus geht es darum, dass die Seele keinen Schaden nimmt. Für ihn ist der
Weg der Selbstfindung der Weg zu Gott, ein Weg ganz und gar vor Gott, auch in
allem Leiden. Auf diesem Weg kann man sich selbst verlieren, kann man es nahezu
unerträglich finden, an der Last der Welt zu tragen, kann es kein Weg sein,
alles gewinnen zu wollen, sondern muss man alles lassen und nichts haben,
dieser Weg führt mit Jesus ans Kreuz, aber auf den Ort zu, an dem Gott uns und
wir ihn gewinnen: Ostern.
Tischabendmahl an Gründonnerstag
(24. März 2016) „Alles empfangen“
Schriftlesung
Markus 10,
28-21
Gedanken
Nachfolge: jemanden folgen, Jemanden nachgehen, seinen
Schritten und Spuren folgen, seinen Ideen, Vorstellungen, seinem Leben. Seinen
Weg gehen, so werden wie er. Nachfolge ist Gemeinschaft, mit jemanden gehen,
teilen, was er erlebt, erleidet, erfährt. Ein ihm entsprechendes, gleiches,
gleichförmiges Leben.
Jesus nachfolgen: Seinen Weg gehen, ihm gleich werden,
Christusförmig. Nachfolge in der Passionszeit: Ihm im Leiden, ihn ans Kreuz
nachfolgen, selbst leiden, das Kreuz tragen.
Wir sind im Lauf der Woche einen Nachfolge-Weg gegangen: Ruf in die
Nachfolge: Alles verlassen. Bedingungen der Nachfolge: Nichts haben. Ernst der
Nachfolge: Sein Kreuz auf sich nehmen. Heute am Donnerstag, am Gründonnerstag:
Lohn der Nachfolge. Es wird alles noch einmal aufgenommen.
Gründonnerstag:
Der Tag vor Karfreitag. Tag der Erinnerung an das Abendmahl, an das letzte Mahl
Jesu mit seinen Jüngern, Erinnerung an das Passamahl des jüdischen Volkes.
Passahmahl und letztes Abendmahl: Erinnerung und Vergegenwärtigung einer
Geschichte der Bedrängnis, der Sklaverei, der Unfreiheit und einer Geschichte
der Befreiung und des Auszugs, des Aufbruchs und Neubeginns. Erinnerung an Tod
und neues Leben. Im Abendmahl bündelt sich dies alles: Sakrament, heiliger
Moment. Es es bündelt sich die Passionsgeschichte, als Geschichte der Hingabe
Jesu, der Selbsthingabe, der Übergabe und Übertragung seines Lebens an uns. Für
uns gestorben uns das Leben schenkend. Das ist das Geheimnis von
Gründonnerstag. Im Abendmahl bündelt sich die Frage nach der Nachfolge, der
Ruf, die Bedingungen, der Ernst. So wie für Petrus, der an unserer Stelle
fragt: Wir haben doch alles verlassen, wir haben erlebt, wie wir nichts haben,
wir sind dir nachgefolgt!
Jesus hört
Petrus. Er hört uns. Er hört unsere Frage, unser Bitten, unsere Sehnsucht nach
dem Lohn der Nachfolge, keinem billigen, schnellen Lohn, sondern einem durch
das Leiden, durch Kreuz hindurch geschenkten Lohn. Er hört dies und er
verheißt, er verheißt: Ihr habt alles verlassen, nichts war euch, so werdet ihr
hundertfach empfangen. Jetzt und in der Zukunft, in der Ewigkeit.
Hundertfach empfangen. Das ist die
Verheißung des Abendmahls, gerade an Gründonnerstag, gerade in der Passionszeit
und in der Karwoche. Jetzt, wenn wir Abendmahl feiern, immer wieder und in der
Ewigkeit. Hundertfach empfangen im Abendmahl. Jesus nachfolgen an den Tisch,
dort bei ihm sein, gerufen, in allem Ernst, mit nichts, aber auch gar nichts,
was man hat, vorbringen könnte, nackt, mit leeren Händen dastehen, da sitzen
und empfangen. Hundertfach empfangen: mit seinem Kreuz kommen, seinen eigenen
und fremden Lasten, beladen, mühselig, geschunden an der Seele, und empfangen:
Das Leben, Christus, das Leben selbst. Sehen, spüren, in sich aufnehmen, den
Satz von Hilde Domin vom Montag am Donnerstag zu Ende sagen: „Ich
setze den Fuß in die Luft / und sie trug“.
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