Freitag, 18. März 2016

Bewegt



Predigt an Palmsonntag (20. März 2016)

Philipper 2, 5-11
Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

entsprechen
Das Leben von Menschen wird im Lauf seiner Zeit geformt, geprägt, bewegt, bestimmt. Menschen gestalten es selbst, bestimmen es, geben ihm eine Form und Gestalt, und von anderen wird es geformt, bekommt es Abdrücke, Einkerbungen, von schönen wie schrecklichen Ereignissen, von den Tränen der Nacht, vom Lachen mit anderen, durch die Wunden, die Küsse, die Pflege, den Raubbau. Alles gibt menschlichen Leben seine Gestalt, bildet und formt es, ganz individuell, ein Leben lang.
Ein Leben, das dann einem bestimmten Bild entspricht: Ihm ähnelt, gleich kommt, wird, wie es wird. Ein Bild, das sich im menschlichen Leben abbildet, einzeichnet, erscheint, ablesbar ist, ihm entspricht. Ist so menschliches Leben? Unseres? Oder ist es Leben, das gar nicht einem anderen, einem bestimmten Bild, einem „So-soll-es-So könnt es sein“ folgt, entspricht?
Im Kopf aber dieses Bild haben, im Sinn, wie ein Bild, auf das mein Leben sich hin formen soll, darf. Im Kopf, bei dem was wir denken, überlegen, befürchten, hoffen, glauben, ersinnen, planen, trachten, erbauen, im Kopf ein bestimmtes Bild vom Leben, das wir erstreben, das uns erstrebt, wir ihm mit unserer Lebensgestaltung entsprechen, antworten, Antwort sind, als solche, die vom ersten bis zum letzten Atem leben, zu leben versuchen. Ein Bild vom Leben, wie ein stummer Film im eigenen Kopf, ein bestimmtes, dem es nachzuleben lohnt, dem wir nachleben sollen und können.

verortet
Ein Leben, das einer Gemeinschaft entspricht, nicht einem starren Bild, nicht einer fixen Person, nicht einer abstrakten Idee, sondern: Ein Leben, das einer Gemeinschaft entspricht, einer lebendigen, dynamischen Beziehung entspricht, das dem entspricht, das es in Gemeinschaft ist, in Gemeinschaft lebt, in Gemeinschaft bekommt, gibt, wird an dem anderen, eine Gemeinschaft, die Anteil gibt und zu dessen Teil Menschen werden.
Die Gemeinschaft mit Jesus Christus. Dieser entsprechen. Anteil an ihr und ihm bekommen, selbst Teil von ihr und ihm werden, „in Christus“ sein und davon leben und daraus leben, diesem immer ähnlicher, gleicher, entsprechender werden, im Leben und im Sterben. Von Christus beindruckt werden und sein, von seiner Gestalt von Leben, von seinem Sterben und Auferstehen, von seinem Werden, von Christus das Leben geprägt, gehalten, getragen, geliebt bekommen, und von ihm geformt dann selbst Ausdruck sein, sein Ausdruck, seine Gestalt nach außen hinaus, selbst von Christus beindruckt ihn ausdrücken, seine Form des Lebens, seine Kultur des Lebens an sich haben, tragen, sein und zeigen.
Der Grund dieser Dynamik aber, dieses Sein-Bild-Werden, dieser Gemeinschaft ist Christus selbst. Er setzt in diese Gemeinschaft. Er ist die Quelle dieser Gemeinschaft. Er ist ihr Ursprungsort und ihre Essenz, Zusage und Erfüllung dieser Gemeinschaft: Christus ruft uns in die Entsprechung, er sagt sich uns zu, dass wir antworten können, er nimmt uns hinein in seine wunderbare Lebensbewegung.

hineinleben
Christus weiß, wer er ist. Sein Ich ist Gott. Er entäußert sich aber, er geht weg von sich, nach außen. Es ist die wunderbare Bewegung der Liebe, die nicht bei sich bleibt, sondern den anderen beharrlich, mutig, zärtlich sucht. Christus veräußert sich, er lässt von seinem eigentlichen gottgleichen Wesen ab, er nimmt eine Form, eine Gestalt unter menschlichen Bedingungen an, er führt ein Leben, wie menschliches Leben ist, wie gewöhnliches, alltägliches Leben. Er erniedrigt sich sogar in es hinein, wie verliebt, er macht sich kleiner als klein, kriecht hinein in die kleinsten, unscheinbarsten menschlichen Lebensecken, er geht bis an die Schmerzgrenze, an die Grenze, wo menschliches Leben nur noch erniedrigt, klein geworden, elendig, erbarmungswürdig ist. Dorthin entäußert er sich, geht er ans Äußerste menschlicher Existenz, auch hinein in die schäbigste Schuld und bleibt dort gehorsam, treu seinem Wesen, treu seinem Gott, bleibt entäußert der, der er ist, bis in den Tod, rückt er nicht ab, bleibt er gehorsam Hörer Gottes bei den Stummen der Welt selbst am Kreuz verstummt.
Dies im Kopf, in unserem Sinn, dieser Gemeinschaft mit dem entäußerten, erniedrigten, gehorsamen Christus entsprechen. Er erniedrigt sich zu mir. Er entäußert sich für mich. Er ist gehorsam bis zu meinem Tod an meinen Kreuzwegen des Lebens. Das kann ich in Gemeinschaft mit ihm empfangen, unter Leiden und Qualen, in meinen Sorgen und Momenten, wo ich nicht mehr entsprechen kann, von ihm bekommen. Und hineingenommen werden in diese Bewegung, ihm gleichen, ihm entsprechen, ihm antworten: selbstvergessen sich selbst entäußern, erniedrigen, gehorsam Gott den Erniedrigten, Entblößten, Geschlagenen nah, mit ihnen in Gemeinschaft und in Christus-Solidarität.

magnificare
Christus wird erhöht. Durch den Tod hindurch. Er bekommt einen Namen, der über alle Namen ist, einzigartig. Unter seine Macht der Liebe beugen sich alle, zeitlich und räumlich, werden gefunden und finden sich, bekennen ihn als Quelle und Grund und finden Antwort der Liebe auf ihn, lieben. Er ist der Herr und er ist die Ehre Gottes. In ihm verherrlicht sich Gott als Schöpfer der Welt, als der, vor dem Menschen ihr Leben ihm wohlgefällig gestalten, in Elend und Würde gehalten sind.
Auch dies im Kopf, im Sinn, dieser Gemeinschaft mit dem Erhöhten entsprechen: Seinen einzigartig liebevollen Namen anerkennen, unser Leben ihm zuordnen, ihn als Herrn des Lebens sehen und als Geschöpf Gott die Ehre geben. Mit ihm erhöht werden, daran Anteil bekommen, Teil seines Namens werden, so einzigartig wie er. Mit ihm herrschen und mit ihm Gott die Ehre geben. Hineingenommen werden in aller Erniedrigung, in allen Knechtserfahrungen, in allem Leiden, hineingenommen werden in die Bewegung, erhöht zu werden, von Gott, so wie Maria ihr Magnificat singt, ihr „Gott mach mich kleinen Mensch groß“, erhöht werden und andere, die klein gemacht sind, erhöhen, aufheben, in diese Kultur des wunderbaren Erbarmens aufnehmen, hineinnehmen, ihr entsprechen, in Gemeinschaft mit diesen, mit sich und mit Christus.
Das Leben von Menschen  in Christus geformt. Erhöht sich erniedrigen. Erniedrigt erhöht werden. Amen.

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