Predigt an Palmsonntag (20. März
2016)
Philipper 2, 5-11
Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus
Jesus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen
Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm
Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch
erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode
am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der
über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer
Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen
bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
entsprechen
Das Leben von Menschen wird im Lauf
seiner Zeit geformt, geprägt, bewegt, bestimmt. Menschen gestalten es selbst,
bestimmen es, geben ihm eine Form und Gestalt, und von anderen wird es geformt,
bekommt es Abdrücke, Einkerbungen, von schönen wie schrecklichen Ereignissen,
von den Tränen der Nacht, vom Lachen mit anderen, durch die Wunden, die Küsse,
die Pflege, den Raubbau. Alles gibt menschlichen Leben seine Gestalt, bildet
und formt es, ganz individuell, ein Leben lang.
Ein Leben, das dann einem bestimmten
Bild entspricht: Ihm ähnelt, gleich kommt, wird, wie es wird. Ein Bild, das
sich im menschlichen Leben abbildet, einzeichnet, erscheint, ablesbar ist, ihm
entspricht. Ist so menschliches Leben? Unseres? Oder ist es Leben, das gar
nicht einem anderen, einem bestimmten Bild, einem „So-soll-es-So könnt es sein“
folgt, entspricht?
Im Kopf aber dieses Bild haben, im
Sinn, wie ein Bild, auf das mein Leben sich hin formen soll, darf. Im Kopf, bei
dem was wir denken, überlegen, befürchten, hoffen, glauben, ersinnen, planen,
trachten, erbauen, im Kopf ein bestimmtes Bild vom Leben, das wir erstreben,
das uns erstrebt, wir ihm mit unserer Lebensgestaltung entsprechen, antworten,
Antwort sind, als solche, die vom ersten bis zum letzten Atem leben, zu leben
versuchen. Ein Bild vom Leben, wie ein stummer Film im eigenen Kopf, ein
bestimmtes, dem es nachzuleben lohnt, dem wir nachleben sollen und können.
verortet
Ein Leben, das einer Gemeinschaft
entspricht, nicht einem starren Bild, nicht einer fixen Person, nicht einer
abstrakten Idee, sondern: Ein Leben, das einer Gemeinschaft entspricht, einer
lebendigen, dynamischen Beziehung entspricht, das dem entspricht, das es in
Gemeinschaft ist, in Gemeinschaft lebt, in Gemeinschaft bekommt, gibt, wird an
dem anderen, eine Gemeinschaft, die Anteil gibt und zu dessen Teil Menschen
werden.
Die Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Dieser entsprechen. Anteil an ihr und ihm bekommen, selbst Teil von ihr und ihm
werden, „in Christus“ sein und davon leben und daraus leben, diesem immer
ähnlicher, gleicher, entsprechender werden, im Leben und im Sterben. Von
Christus beindruckt werden und sein, von seiner Gestalt von Leben, von seinem Sterben
und Auferstehen, von seinem Werden, von Christus das Leben geprägt, gehalten,
getragen, geliebt bekommen, und von ihm geformt dann selbst Ausdruck sein, sein
Ausdruck, seine Gestalt nach außen hinaus, selbst von Christus beindruckt ihn
ausdrücken, seine Form des Lebens, seine Kultur des Lebens an sich haben,
tragen, sein und zeigen.
Der Grund dieser Dynamik aber, dieses
Sein-Bild-Werden, dieser Gemeinschaft ist Christus selbst. Er setzt in diese
Gemeinschaft. Er ist die Quelle dieser Gemeinschaft. Er ist ihr Ursprungsort
und ihre Essenz, Zusage und Erfüllung dieser Gemeinschaft: Christus ruft uns in
die Entsprechung, er sagt sich uns zu, dass wir antworten können, er nimmt uns
hinein in seine wunderbare Lebensbewegung.
hineinleben
Christus weiß, wer er ist. Sein Ich
ist Gott. Er entäußert sich aber, er geht weg von sich, nach außen. Es ist die
wunderbare Bewegung der Liebe, die nicht bei sich bleibt, sondern den anderen
beharrlich, mutig, zärtlich sucht. Christus veräußert sich, er lässt von seinem
eigentlichen gottgleichen Wesen ab, er nimmt eine Form, eine Gestalt unter
menschlichen Bedingungen an, er führt ein Leben, wie menschliches Leben ist,
wie gewöhnliches, alltägliches Leben. Er erniedrigt sich sogar in es hinein,
wie verliebt, er macht sich kleiner als klein, kriecht hinein in die kleinsten,
unscheinbarsten menschlichen Lebensecken, er geht bis an die Schmerzgrenze, an
die Grenze, wo menschliches Leben nur noch erniedrigt, klein geworden, elendig,
erbarmungswürdig ist. Dorthin entäußert er sich, geht er ans Äußerste
menschlicher Existenz, auch hinein in die schäbigste Schuld und bleibt dort
gehorsam, treu seinem Wesen, treu seinem Gott, bleibt entäußert der, der er
ist, bis in den Tod, rückt er nicht ab, bleibt er gehorsam Hörer Gottes bei den
Stummen der Welt selbst am Kreuz verstummt.
Dies im Kopf, in unserem Sinn, dieser
Gemeinschaft mit dem entäußerten, erniedrigten, gehorsamen Christus
entsprechen. Er erniedrigt sich zu mir. Er entäußert sich für mich. Er ist
gehorsam bis zu meinem Tod an meinen Kreuzwegen des Lebens. Das kann ich in
Gemeinschaft mit ihm empfangen, unter Leiden und Qualen, in meinen Sorgen und Momenten,
wo ich nicht mehr entsprechen kann, von ihm bekommen. Und hineingenommen werden
in diese Bewegung, ihm gleichen, ihm entsprechen, ihm antworten:
selbstvergessen sich selbst entäußern, erniedrigen, gehorsam Gott den
Erniedrigten, Entblößten, Geschlagenen nah, mit ihnen in Gemeinschaft und in Christus-Solidarität.
magnificare
Christus wird erhöht. Durch den Tod
hindurch. Er bekommt einen Namen, der über alle Namen ist, einzigartig. Unter
seine Macht der Liebe beugen sich alle, zeitlich und räumlich, werden gefunden
und finden sich, bekennen ihn als Quelle und Grund und finden Antwort der Liebe
auf ihn, lieben. Er ist der Herr und er ist die Ehre Gottes. In ihm
verherrlicht sich Gott als Schöpfer der Welt, als der, vor dem Menschen ihr
Leben ihm wohlgefällig gestalten, in Elend und Würde gehalten sind.
Auch dies im Kopf, im Sinn, dieser
Gemeinschaft mit dem Erhöhten entsprechen: Seinen einzigartig liebevollen Namen
anerkennen, unser Leben ihm zuordnen, ihn als Herrn des Lebens sehen und als
Geschöpf Gott die Ehre geben. Mit ihm erhöht werden, daran Anteil bekommen,
Teil seines Namens werden, so einzigartig wie er. Mit ihm herrschen und mit ihm
Gott die Ehre geben. Hineingenommen werden in aller Erniedrigung, in allen
Knechtserfahrungen, in allem Leiden, hineingenommen werden in die Bewegung,
erhöht zu werden, von Gott, so wie Maria ihr Magnificat singt, ihr „Gott mach
mich kleinen Mensch groß“, erhöht werden und andere, die klein gemacht sind,
erhöhen, aufheben, in diese Kultur des wunderbaren Erbarmens aufnehmen, hineinnehmen,
ihr entsprechen, in Gemeinschaft mit diesen, mit sich und mit Christus.
Das Leben von Menschen in Christus geformt. Erhöht sich erniedrigen. Erniedrigt
erhöht werden. Amen.
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