Samstag, 18. Juli 2015

In allem mehr



Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis (19. Juli 2015)

Johannes 6, 1-13
1 Danach fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt. 2 Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. 3 Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern. 4 Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden. 5 Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? 6 Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. 7 Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme. 8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: 9 Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele? 10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer. 11 Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. 12 Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. 13 Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.

wenig und viel
Geburtsorte sind verschieden verteilt: Manche liegen irgendwo in Armenslums und andere auf einer Wochenbettstation im reichen Mitteleuropa. Geschwister sind ungleich verteilt: Manche haben gar keine und vermissen sie ein Leben lang und andere wachsen im Kreis von Geschwistern auf und sind nie ganz alleine. Das, was zu lernen ist, ist auch unterschiedlich verteilt: Manche haben große Talente und gute Bedingungen, andere nur Talente, aber schlechte Chancen, dritte keines von beiden. Auch die Liebe ist nicht gleich verteilt: manche bekommen ganz viel und geben wenig, andere werden kaum geliebt und wieder andere lieben nur ihre Arbeit. Fragen sind auch ungleich verteilt: Manche haben ganz viele Fragen und finden keine Ruhe, andere sind unbedarft und gehen einfach so durchs Leben und dann gibt’s noch die, nach denen niemand so recht fragt. Essen ist ungleich verteilt, Wasser auf den ganzen Globus gesehen auch, Geld im Geldbeutel und auf dem Konto natürlich auch, selbst die Haare auf den Kopf, die Freunde im Leben, die Schicksalsschläge, die Krankheiten, die schönen Momente, selbst der Tod trifft nicht alle gleich.
Irgendwie scheint alles, so gut wie alles, im Leben schon irgendwie verteilt zu sein. Unterschiedlich verteilt: die einen haben mehr, die anderen weniger, von einem ist viel da, vom anderen kaum etwas. Die Fragen der Jünger: Wo kaufen wir nur? Reicht das Geld für so viele? Genügt das? Was ist das schon? sind alltägliche Fragen und manchmal werden sie zugespitzt und dass alles schon immer verteilt ist, wird zur Not, zur Anfrage, zur himmelschreiender Ungleichheit, vor der wir fragend stehen: Die einen verhungern und die anderen haben volle Bäuche. Die einen flüchten ohne alles und die anderen haben 5-Zimmer-Wohnungen. Die einen rechnen in Millionen und die anderen fühlen sich wie Nullen. Die einen haben so viel und die anderen wenig.

Reste sammeln
Allein. Jesus ist vorher und nachher auf dem Berg. Er alleine sieht die Vielen. Er sieht jeden einzelnen der Vielen und jeden einzelnen hungrigen Bauch. Jesus lässt sie lagern, jeden seinen Platz nehmen und macht aus der Masse der Vielen eine Tischgemeinschaft für Momente. Jesus sieht das Kleine unscheinbare und es reicht, es reicht vollkommen, es muss gar nicht mehr und groß und herrlich sein. Er sieht ein Kind, vielleicht fast untergegangen in der Menge der Menschen, er stellt es für Sekunden in die Mitte, macht es groß und größer. Jesus reicht, was das Kind hat, Jesus reichen seine Brote und seine Fische für alle.
Jesus nimmt, was er vorher nicht hatte und er gibt es dann weiter an andere. Jesus nimmt, was da ist und gibt es weiter an die, die da sind. Jesus dankt zwischen nehmen und geben, inmitten des Werks seiner eigenen beiden Hände dankt er dem, dessen Werk im Grunde alles ist: Das Brot, die Fische, das Kind, die vielen, die Jünger und er selbst. Jesus dankt für das Geschenk in seinen Händen, für das Unverfügbare, das ihm jetzt zur Verfügung steht, für die Schöpfung in diesen Dingen und in diesem Moment des Wunderbaren, für das ewige und ewig immer schöpferische „sehr gut“, für Gottes Möglichkeit, die zur Wirklichkeit für viele wird.
Jesus macht alle satt, sie bekommen so viel, sie wollen, es gibt keine Essengrenze und keine Beschränkung. Was für eine unglaubliche Freude und tiefe Stille, welch Essensgeräusche und Herzschläge. Jesus schöpft aus dem Dank und unerschöpflich wird es für so viele. Nichts ist schon verteilt, alles wird in diesem Moment verteilt, wirklich alles, unerschöpflich. Und nichts, aber auch nichts darf vom Rest umkommen. In allem, im noch so Kleinen, im Rest wohnt jene Fülle, die Jesus von Gott in die Hände gelegt bekommt und in Liebe bis heute austeilt. Nichts ist nichts. In allem wohnt ein Stück der Fülle; deswegen vorsichtig damit, deswegen aufsammeln, deswegen herumgehen und aufsammeln, aufbewahren. Die Reste sind so kostbar, so wertvoll, so sättigend. Vom Heiligen gibt es eigentlich keinen Rest.

Nichts wird verteilt
Satt, Heilige werden. Vielleicht so leben: Es ist nicht alles schon immer verteilt. Sondern: Es wird in dem Moment verteilt, in dem Menschen es anblicken, es sehen, es annehmen, es nehmen, empfangen, wie Jesus es sieht, nimmt und verteilt. Mit seinem Blick, mit seiner wunderbaren Bewegung die Dinge, die Menschen, alles, was ist, sehen, nehmen und teilen.
In allem mehr sehen, im Brot, im Wasser, im Menschen. Nie nur das scheinbar vorhandene, das dann ungleich verteilt ist, sehen und nehmen, sondern mehr:
Gottes Möglichkeit in allem: Im Brot den hungrigen Bauch, im Flüchtling ein Menschen wie dich, in Geld das Leben des Anderes, im Armen jemand, der reich wird, im Dunkeln das Licht, im Haben den Dank und im Geben das Empfangen, in den Vielen den EINEN.
Nichts ist schon verteilt. Wir verteilen es neu, jeden Tag ein kleines Wunder. Amen.

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