Samstag, 4. Juli 2015

Ein zweites Mal



Predigt am 5. Sonntag nach Trinitatis (05.7.15)
 Lukas 5, 1-11
1 Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth 2 und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. 3 Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.
4 Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! 5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. 6 Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze begannen zu reißen. 7 Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, so daß sie fast sanken.
8 Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. 9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfaßt und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, 10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.
11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Zwei leere Boote
Zwei leere Boote. Am Ufer. Zwei leere Boote, am Anfang und am Ende. Beide mal verlassen, aber am Ende ganz anders als am Anfang. Dazwischen ändert sich alles, kommt Jesus, wird ein Mensch ein anderer, kehrt Sinn in die Welt.
Am Anfang leer gelassen, weil nichts gefangen und die Netze wie immer gewaschen werden müssen für den nächsten Alltag. Vielleicht wieder so leer. Zwei leere Boote, so leer gelassen wie manchmal wir selbst, leer, weil nichts bekommen, nichts behalten, weil der Alltag nichts übrig hatte, was er in unsere leere Seelen hätte füllen können.
Zwei leere Boote am Ufer. Jesus steigt in eines hinein. Jesus steigt mit ein, in die Leere, in meine Leere. Einfach so, zufällig mehr, unverhofft. Jesus steigt ein in mein Lebensboot und lässt sich ein Stück hinausfahren. Das gerade noch leere Boot wird gefüllt, mit Jesus, mit seinen Worten, seinen Gedanken, seiner Vorstellung von Gott. Das Boot wird voll. Auch in meiner leeren Seele beginnen die Worte zu wachsen, Gott zu werden, Leere zu weichen. Mein manchmal so schrecklich leeres, verlassenes Lebensboot wird gefüllt.

Anders gefischt
Aus Zufall wird Bestimmung. Zufällig stand Petrus neben der Menge. Nur aus dem Augenwinkel sah er Jesus, den alle sehen wollten. Nur nebenbei hörte er auch die Worte, die das Volk unbedingt hören wollte. Aus dem zufälligen Hörer, aus dem Unbeteiligten wird langsam und behutsam einer, den Jesus direkt anspricht, den er nach und nach mit hineinzieht in seine Geschichte, den er beteiligt.
Und er lässt ihn machen, was er immer macht. Er lässt ihn die Netze auswerfen, wie an unzähligen Tagen. Er lässt ihn sein Alltägliches tun: Netze auswerfen, Netze einholen, Fische fangen. Aus Zufall wird Bestimmung mitten im Alltag, langsam, behutsam, bestimmt. Eher zufällig, eher unbeteiligt, eher so wie immer, plötzlich angesprochen, radikal gemeint, etwas spüren und dann das Gewohnte, Alltägliche tun, aber darin etwas Neues finden, sich neu finden lassen.

Mitten im Alten wird Simon Petrus ein neues Leben zugesprochen, erhält das, was er immer tut, eine neue Bedeutung, erhält er neuen Sinn, erfährt er seine Aufgabe, leuchtet seine Bestimmung auf. Sie wurzelt in seinem alten Leben, setzt ihn aber auf neue, auf Gottes Spuren.
Wirf noch mal die Netze aus! Noch einmal! Es wird das letzte Mal sein. Es wird der Beginn deines neuen Lebens sein. Ein zweites Mal, eine zweite Chance. Bekommen. Haben. Wahrnehmen. Egal wie die erste verlief, aber eine zweite Chance im Leben haben und ergreifen. Wann immer auch. Ein zweite Lebenschance! Im Alten das ganze neue entdecken, gerufen werden, seine Bestimmung bemerken, und das Alltägliche wird durchsichtig für das Eigentliche. In Bewegung geraten. Losgehen. Das Neue, wozu man gerufen ist, anfangen. Erst lagerte sich Petrus, dann hörte er, schließlich verließ er alles und ging mit Jesus bis nach Jerusalem und dann viel weiter. Bis heute.

Mit leeren Händen
Du bist Menschenfischer, Petrus! Dein Boot war leer, du warst leer - und du hast mit leeren Händen die Netze ausgeworfen und sie wurden dir gefüllt.
Mit leeren Händen Menschenfischer werden! Nur mit leeren Händen kann man Menschen gewinnen, gewinnen für Gott. Nichts hatte Petrus, nichts haben wir, mit leeren Händen gehen wir und Gott wird sie uns mit Menschenseelen füllen. Mit leeren Händen, offen, so dass man die wunden Stellen sieht, leer, bereit mit zutragen, zu berühren, zu umarmen, zu suchen, zu nehmen, leer, bereit, sich füllen zu lassen und so Menschen für Gott zu gewinnen.
Mit leeren Händen wie Petrus dahin fahren, wo es tief ist. In die Tiefe zu gehen, ist mutig, dauert Zeit, bleibt nicht an der Oberfläche. In die Tiefe zu gehen, heißt bis an die Seele der Menschen reichen zu wollen, behutsam, langsam, so wie Jesus zur Seele von Simon Petrus tief ging und sei verwandelte. Dort in der Tiefe die Netze vorsichtig auswerfen: Zu Menschen gehen, bei ihnen sitzen, warten bis aller Seelenmorast abgesprochen ist, bis etwas aufleuchtet wieder von ihrem göttlichsten Kern - und dann Netze nach dunklen Bilder, die weg müssen, nach Geschichten die bewahren, nach heilsamen Worten, nach Gesten, die trösten, sachte auswerfen, um sie, um Rettung in der Tiefe zu holen.
Und wenn es dann passiert, wenn Gott es schenkt, dass Seele gerettet werden, dann mit Petrus erschrecken, erschrecken, weil wirklich ungeheuerliches passiert. Erfurcht empfinden, weil nicht wir es gemacht haben, weil Gott uns benutzt hat, uns! Fast zurückschrecken, weil es uns den Atem nimmt, weil es uns verwirrt, weil wir selbst so viel in diesem Moment bekommen, weil uns plötzlich selbst die Seele gefüllt wird.
Auf dein Wort Jesus, haben wir es getan, haben wir im alten das neue versucht, sind hinausgegangen in die Tiefe von Menschen, tun es immer wieder. Allein auf dein Wort hin, allein weil du es sagst, weil du unsere Seele suchst, weil du mit ins Boot steigst, weil du Leben allein verheißt und schenkst.

Leben schenken
Zwei leere Boote. Am Ende sind die beiden Boote wieder leer, verlassen. Aber jetzt ganz anders. Petrus und seine Brüder gegangen. Sie werden nicht mehr zurückkehren zu ihren Booten.
Das Alte, was vergangen sein soll, verlassen, hinter sich lassen. Nicht mehr zurückkehren zu dem, was uns leer macht: Die quälend leeren Boote voller Trauer, voller Sorgen, Ängsten, Zwängen verlassen. Jesus in der Seele spüren, ahnen, hoffen. Etwas von unserer Bestimmung, dem liebevollen Plan Gottes für und mit uns, mitten im Alltag geschenkt bekommen, davon umfangen werden und dann neu aufbrechen, Menschen auch Leben schenken. Amen.


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