Predigt zur Gottesdienstreihe „Bibel und Bild“
Sonntag Estomihi, 15. Februar:
„Das Gemälde – kunstvolle Bilder“
2. Mose 20, 4-5: Du sollst dir kein Bildnis machen
Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis
machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden,
noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene
ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die
Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern
derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen tausenden, die
mich lieben und meine Gebote halten.
Bilderwelten
Bilder werden gemalt, hängen in
Museen, werden verkauft, versteigert, zu unglaublichen Preisen. Bilder malen
Hobbykünstler, Menschen malen bunt, grau, abstrakt, Landschaften, Menschen,
Dinge auf Papier, Leinwände, Betonmauern. Gesprayt, mit Ölfarbe gemalt,
Aquarell, Bleistiftzeichnung, und wer hat nicht schon selbst Strichmännchen
gemalt, hat sich im Kunstunterricht bemüht und kritzeln aus Langeweile auf
irgendwas herum, und über die gemalten Bilder unserer Kinder freuen wir uns und
bewahren sie lange auf.
Bilder sind so verschieden wie
Menschen. Es gibt sicher Milliarden und mehr davon. Seit Menschen denken,
fühlen, sprechen gibt es auch Bilder, früh an Höhlenwände gemalt, es gibt
Kunstepochen und jeder von uns kann mindestens drei berühmte Maler nennen und
hat bestimmte Bilder vor Augen, so wie jetzt in den Händen. Alles verschiedene –
wie wir.
Bilder verstehen wir, können sie lesen,
fast wie Worte, Bilder berühren, erzählen, sagen mehr als das, was sie auf den
ersten Blick zeigen, entführen, eröffnen kleine Welten und lassen uns ahnen,
wie reich, wie abgrundtiefe, wie unheimlich, wie wunderbar unsere Welt und wir
sind. Bilder bleiben verschlüsselt, abstrakt, stumm, und wir stehen mit schüttelndem
Kopf vor ihnen, fragen uns still und gehen mit unserem Leben weiter.
Bilder gibt es von Gott auch, von
Jesus, von Maria, von jeder Geschichte der Bibel, auch Millionen mal; in
Kinderbibeln, von hoch begabten Künstlern, manchmal allzu plakativ. In Kirchen
erzählen sie von dem, den wir in Kirchen vermuten, antreffen wollen, zum
Glauben suchen; manche Kirchen sind so reich, dass einem die Augen übergehen,
manche Kirchen sind so karg, dass nur die inneren Bilder bleiben, selbst unsere
Kirche hat ein paar Bilder, die im Chorraum, bunt und an einem Morgen, wenn vom
Osten die Sonne sie beleuchtet, scheint fast lebendig, was da auf Glas gemalt
ist.
Und wir sind hier. Heute Morgen, mit
Bildern in der Hand. Mit all den unzähligen Bildern in uns, nie nur die
gemalten, sondern all die anderen, die tag ein und tag aus vor unseren Augen
und Seelen unser Leben passieren, vorbeiziehen, sich uns einprägen, und
schlössen wir die Augen, dann würden wir sie sehen, die Bilder unseres Lebens,
in uns gemaltes, vom Leben, von den Anderen, Bilder in uns, schmerzvolle,
leidgeprägte, herrliche, Irrbilder, Trugbilder, Bilder, die uns am Leben
halten, die uns wie eine letzte kleine Kraftreserve atmen lassen, Traumbilder
und tief sitzende Angstbilder.
Menschen
Menschen beten nicht vieles an, sie
dienen auch nicht so vielen Sachen, Menschen oder Dingen. Sie haben gelernt, zu
leben, sich einzurichten zwischen Himmel und Erde, morgens aufzuwachen, abends
schlafen zu gehen, am Tag zu arbeiten, einzukaufen, zu lieben, zu weinen, zu lachen,
essen zu gehen, zu feiern, zu trauern. Sie haben gelernt, mit all den
unsinnigen, irren Dingen irgendwie umzugehen, nicht verrückt zu werden; mit
Schicksalsschlägen weiterzuleben, die Freude nur soweit zuzulassen, wie es noch
gut tut.
Menschen beten nicht an, noch dienen
sie, weder dem Geld, noch dem Erfolg, noch der Gesundheit, weder irgendeinem
Hab und Gut, noch bestimmten unwerten Werten oder anderen scheinbaren Göttern;
diese Zeiten sind vorbei, oder man denkt es nur noch. Längst sind die Abgötter
entlarvt als solche. Menschen beten vielleicht deswegen auch immer weniger
jenen Gott an, von dem die Bibel spricht, den wir den christlichen nennen, den
wir hier und jetzt im Gottesdienst vermuten, ahnen, wollen, vielleicht
erhoffen.
Und doch knien Menschen nieder und
dienen. Aber nicht selbstmächtig und erhaben, als wäre es ein netter Tanz um
ein selbst und trotzig gemachtes goldenes Kalb. Sie werden kniend gemacht und
werden zu Dienern degradiert. Diese uralte Haltung des Beters, sich auf seine
Knie zu knien, den Rücken zu krümmen und demütig erhöhrt zu werden, ist längst
zur Haltung von Menschen geworden, die nicht mehr die Balance zwischen Himmel
und Erde finden, deren Körper und Seele das Leben selbst gekrümmt und geknickt
hat, die sich für ein paar Euros, oder anderen unwerten Entlohnungen und viel
zu wenig Zukunftsaussichten verdingen, entblößen, verkaufen und geschundene Diener
sind von irgendwelchen undurchsichtigen Zuständen, Systemen, anderen.
Das sind Bilder, so furchtbar real,
aber so weit weg von dem, wie es, wie Menschen eigentlich sein sollten, sein müsste.
Gott
Gott kann beim besten Willen dieser
Bilder, dieser Menschen gegenüber nicht distanziert, nicht leidenschaftslos
bleiben, sein. Dies entspräche so gar nicht seiner Liebe. Diese Bilder, diese Zerrbilder
seiner für Menschen gedachten Wirklichkeit verbietet er sich. So soll es nicht
sein. Um Gottes willen nicht.
Er ist ein eifernder,
leidenschaftlicher, auch zorniger Gott, ein Gott gegen diese Bilder, wirkliche
Bilder, die so gar nichts mehr zu tun haben mit dem, wie er Menschen haben
will, wozu er sie geschaffen hat, wie sie leben und lebendig sein sollen.
Gottes Eifer ist hartnäckig, nachforschend, beharrlich suchend, penetrant,
unangenehm, er geht in die Tiefe und in die Weite, in die Tiefe von Geschichten
und die Weite des Globus.
Was macht Gott mit all unseren
Bildern, jenen nun gemalten, in denen Menschen die Wirklichkeit abbilden, so
wie sie sie erleben, sehen und leben? Alle Bilder könnten Gott kalt lassen, es
sind ja nur Bilder. Sie bilden aber auch für ihn jene Wirklichkeit ab, die
seine werden und sein soll. So schaut er sie gleichsam mit jenem Eifer an, mit
dem er bestimmte Zerrbilder des Menschen sich verbieten will. Gott schaut sich
wie in unsere Bilder, Bilderwelten hinein er kriecht mit seinem göttlichen
Blick hinein, mehr als wir Menschen es je könnten.
Gott sieht, was sich darin als
Wirklichkeit abzeichnet, er sieht darin alle schmerzvollen Missetaten, die
denen zugefügt werden, die er liebt, die jene tun, die das Leben und die
Menschen nicht achten und lieben. Und das, was Gott in diesen Bildern an
Missetaten sieht, das kann Gott um der Wirklichkeit willen nicht gefallen, er
wird es hassen und dagegen sich aussprechen, ja die Wirklichkeit so verändern,
dass die gehasste, geschundene Wirklichkeit für solche Bilder nicht mehr sein
müssten. Denn Gott liebt so sehr, wenn er in Bildern eine Wirklichkeit entdeckt
und sieht, die seinem Willen, seiner Wirklichkeit für uns Menschen entspricht, Bilder,
die von einer Wirklichkeit erzählen, in der die Liebe zu ihm und den Menschen
in all unserer Gebrechlichkeit und Endlichkeit, in allem Schmerz und Leid
aufleuchtet, lebt, Bilder, die zu Bildern seiner Barmherzigkeit werden. Amen.
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