Samstag, 28. Februar 2015

Imagine



Predigt zur Gottesdienstreihe „Bibel und Bild“ 
Sonntag Remicsere, 01. März:
„Der Film – bewegte Bilder“

Galater 3,1: Christus vor Augen gemalt
„O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert, denen doch Jesus Christus vor die Augen gemalt war als der Gekreuzigte?“

Kopf verdreht
Irgendwer hat den Menschen in Galatien den Kopf verdreht, hat ihnen etwas vor Augen gemalt, das sie abgebracht hat, weggebracht hat vom Evangelium, von der erlösenden Botschaft, von der Liebe Gottes. Irgendwas hat sie wie bezaubert, verzaubert, behext, hat sie manipuliert, böse verwandelt, zu anderen gemacht. Sie verstehen nicht mehr, was sie mal verstanden hatten, was ihnen gesagt, gelehrt wurde. Was in ihr Herz gekommen war, haben sie dort nicht mehr richtig, nur noch falsch. O … ein O voller Bedauern, voller Verzweiflung, voller Kopfschütteln.
Menschen haben durch alle Zeiten hindurch manchmal einen verdrehten Kopf, vielleicht wirken sie ganz normal, doch irgendwas hat ihren Kopf verdreht, verwirrt, durcheinander gebracht; jemand, etwas über lange Zeit, ein Schicksalsschlag, eine Deformation, verführt. Und manchmal fährt unser Kopf auch Karussell mit uns, hat irgendwas ihn besetzt, verdreht, und wir sind wie verzaubert, verhext, merken es kaum, aber doch, gehen den falschen Weg, sind unverständig, tragen nicht das Rechte im Herzen. O.
Filme verdrehen den Kopf, Millionen schneller Bilder sausen an unseren Augen vorbei und direkt in unseren Kopf und oft genug auch irgendwie ins Herz, dazu Töne, Gestalten, Szenen, Stories. Filme machen Bilder im Kopf, bewegen nehmen mit hinein, was sie erzählen, machen Angst und lassen mitweinen, lassen Alltag vergessen und anders aus dem Kino gehen, bringen ins Nachdenken, entführen in fernste Phantasien, lassen erschaudern, ekeln, Kopf schütteln, uns hineinkriechen. Filme unterhalten, bringen zum Lachen, verkürzen die Zeit, langweilen, wir schalten um, zappen, bleiben stehen, suchen den Mörder, erleben vergangene Zeiten, als wären wir dabei, essen Popcorn, verabreden uns, werden für Kinolänge, für 90 Minuten andere Menschen.

Bewegte Bilder
Paulus hat den Menschen in Galatien Christus vor Augen gemalt. Er hat von dem erzählt, wer Christus ist und was er für die Menschen macht. Er hat in Worten gesprochen von ihm , vielleicht stotternd, aber so begeisternd, so bezaubernd, so verständlich, dass die Menschen in Galatien Christus vor Augen bekamen, ihn für sich sahen, ihn spürten und ihr Leben ihm schenkten, ihr Herz, ihre Gedanken. Paulus ist von Gemeinde zu Gemeinde gereist, hat sie neu gegründet, besucht, hat mit ihnen auf Zeit gelebt, er hat Menschen vom Wort Gottes überzeugt, innerlich und äußerlich bewegt, ihnen neue Lebensperspektiven geschenkt. Er hat gepredigt auf Marktplätzen, in Häusern, bei Versammlungen, er hat den leibhaftige Auferstandenen in unzähligen Worten lebendig gemacht, immer wieder vor Augen gemalt, das Leben der Menschen mit Gott verbunden.
Aus 24 stehenden Bildern in der Sekunde wird ein laufendes Bild, ein Film. Die einzelnen Bilder müssen nur schnell genug vor unseren Augen sich bewegen, dann beginnt, ein Stück Gemachtes lebendig zu werden, dann werden aus den Millionen Bilder, die es gibt, bewegte Bilder, die uns bewegen. Von der ersten Idee übers Drehbuch, dem Dreh auf dem Set, dem Schnitt im Studio, der Projektion auf Kinoleinwände, den Flimmern überm Bildschirm. Aus Millionen Einzelheiten besteht ein Film, alle Wirklichkeiten sind beteiligt: Menschen als Schauspieler und Regisseure, Blicke als Kameraeinstellungen, Töne als Spannnungsbogen, Zeit zusammengebaut mit Vor- und Rückblenden, wir selbst, die wir zuschauen. Im Film wird auf aufwendige Weise, auf wunderschöne Weise, auf fast geheimnisvolle Weise Leben noch einmal reproduziert, wiedererzählt, weitererzählt, weitererfunden und auch irgendwie gefunden.
Ein bewegtes Leben aus unzähligen Bildern haben wir. Manchmal kommt einem das eigene Leben wie ein Film vor und man traut dem kaum, was man sieht, was einem da vor Augen steht, gemalt ist. Manchmal ist das eigenen Leben erfundener, irrealer als der phantastischste Film, manchmal ist es wie eine billige Rosamunde-Pilcher-verfilmung, wunderschön kitschig, manchmal ist es eine Tragödie, in der wir mitspielen und Abgründe tun sich auf, von denen man sonst nur aus dem Fernsehen weiß und manchmal läuft der Film rückwärts oder ist jäh am Ende angekommen, mit und ohne Happy End. Bewegte Bilder sind wir, Szenen unseres Lebens, wer schreibt das Drehbuch unseres Lebens und wer führt Regie? Wer spielt mit? Wer ist Hauptdarsteller? Haben wir für unser Leben einen Film im Kopf?

Ins Bild gesetzt
Filme sind gemachte Bilder. Für andere, für sich selbst, für die Nachwelt, für die Ewigkeit. Gemacht von Menschen und sie halten das Leben lebendig fest, nein sie halten das Leben lebendig frei; sie nehmen uns mit hinein in sich, bewegte Bilder, die uns in ihre Bewegung aufnehmen, ins Bilde setzen, in die bewegten Bilder setzen; wir können jederzeit die Augen schließen, nicht weiterschauen, den Knopf an der Fernbedienung drücken, den Kinofilm wieder vergessen; doch die bewegten Bilder sind wirklich, sie beinhalten Sinn und Unsinn, Schmerz und Freude, Information und Nachdenken, andere Menschen, das Leben selbst. Eigentlich sind sie wirklicher, wirkmächtiger als vieles, was wir für wirklich und wichtig halten.
Wie wirklich ist unser Leben? Wie oft spüren wir uns taub, stolpern über unsere Wahrnehmung, vertrauen, wo wir  es lieber nicht täten, lieben einen Weg lang das Falsche, gehen so einigermaßen durchs Leben, tasten mehr als dass wir fassen, fragen mehr als wir antworten und atmen still. Wie vielen Trugbildern sitzen wir auf, merken wie tiefsitzende Bilder, vergangene, uns noch fesseln, jagen Traumbildern nach, Träume, von denen es wohl besser ist wir erreichen sie nicht, wie stark werden wir von bestimmten Bildern berührt, weil darin etwas wohnt, was wir wirklich sind, und die Wirklichkeit erscheint nur als sei sie.
O, unverständige Menschen; zärtlich beruhigend höre ich Paulus sagen: Schaut auf den Gekreuzigten. Eine zutiefst verdrehte Wirklichkeit, eine Wirklichkeit, die nicht in Bildern zu fassen ist, und doch wie kaum ein anderes Bild unzählig oft gemalt, reproduziert, abgebildet, verfilmt wurde. Eine radikal verdrehte Welt in einem am Kreuz verdrehten Körper: Gott selbst, der Weltenschöpfer, der allmächtige, barmherzige, uns unendlich liebende Gott, einer, der wie keiner unsere Wirklichkeit immer wieder sieht, heilen, zurecht lieben möchte, hängt am Kreuz und stirbt. Die Welt wird auf den Kopf gestellt, damit wir sie richtig sehen: Gott liebt uns bis zum Äußersten, bis zu dem letzten Punkt, an dem alles neu anfängt für uns. Amen.

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