Samstag, 8. Juni 2013

Immer schon gesagt




Predigt zum Dokumentarstück „Ich glaub schon“ am 2. Sonntag nach Trinitatis (09.6.13)
 
Schon?
„Ich glaub schon.“ Im kleinen Wort „schon“ liegt alles: Je nach dem wie man es ausspricht. Wie man es betont. Was in ihm wohnt, an Erfahrung, an Leben, an Glauben. Was in ihm mitschwingt. Vielleicht ein tief liegendes Aber, Trotz, leiser Zweifel, Nachdenken, ein Zögern, eine irgendwann gewonnene Überzeugung; auch der Gegenwind, gegen den das Schon sanft angeht; auch der, zu dem das Schon gesprochen ist, das, worauf es Antwort ist.
Reicht ein „Schon“? Ist es nicht zu wenig, zu merkwürdig, ist es nicht wie eine kleine Einschränkung? Reicht Schon für den Glauben, den Glauben an einen Gott, der keine Einschränkung kennt noch duldet, der Gott ist und den wir mächtig, bestimmend, unser Leben prägend, schaffend, beendend, belebend, entscheidend nennen und glauben? Und spricht sich im kleinen Schon nicht dieser kleine Unterschied zwischen Leben und Glauben aus, als wäre das Leben das eine und Glauben das andere, Leben das eigentliche und Glauben käme dazu oder nicht? Was hat Glauben mit Leben zu tun?

Sich wenden
Leben und Glauben auf die Bühne bringen, ergründen, gestalten und sichtbar machen, warum Menschen glauben, wie Glauben anfing, wie sie ihn leben, wo in ihnen Zweifel und Visionen wohnen, wo sie sich im Leben für etwas entscheiden, was ihr Leben tiefen Sinn gibt, davon erzählt Paul Brodowsky seinen Teil:
In kurzen, längeren Sätzen, die monoton, rhythmisch mit Wir anfangen bohrt er sich hinein ins Leben, immer zwei Schritte vor und mindestens einer zurück, hinein in was Menschen machen und lassen mit ihren Körpern, Gedanken und Seelen, was sie glauben. Hin und her wenden sie sich durch die Tage zwischen dem eigenen Kleinsein und eigener Größe, zwischen leer, allein, zusammenbrechen, verlieren, haltlos und dem perfekten Moment, der heraushebt, in dessen Vergehen sie sogleich wieder im Gleichlauf des Lebens versinken.
Und mittendrin am Rande glauben für den Theatermensch Menschen, glauben an sich und an nichts, glauben privat ohne Alles und an den Jemand im Anderen, an den einem Moment, der für sie ganz intim Heiliges hat, und an die Notwendigkeit, sich einander abzugleichen und zu helfen. Mitten im Leben, mitten im „Wir wenden uns durch die Tage“ lebt der Glaube, hofft und zweifelt, ob es besser werden kann, wagt den Schritt vom Wichtigsten und Wertvollen kurz zu reden, verknüpft sich auf sonderliche Weise in den Abbiegungen des Lebens mit der Suche nach dem eignen und der anderen Glück.

Auf dem Baum klettern
Zachäus und Petrus, die waren irgendwie auch auf der Suche nach Glück. Uns voraus. Zachäus, der auf den Maulbeerbaum kletterte, um Jesus zu sehen, der spielt im Theaterstück auf den Gutleutmatten an den acht Abenden irgendwie mit und Petrus, der sich wie kein anderer durch seine Glaubenstage wand, der bekannte sich in denkbar knappen Sätzen zu Christus. Beide auch inmitten: auch inmitten jenes Schon des Glaubens, angesichts von gar nicht, nicht mehr; beide inmitten auch von anderen Optionen, der Möglichkeiten eines gottverlassenen Lebens, des Weggehens, eine andere Abbiegung des Lebens zu nehmen, inmitten einer Frage, die sich ihnen im Leben stellt, die Frage  Wohin soll ich gehen? Welches Leben hat Sinn und Ziel? Wie bei Brodowsky ist der Mensch Zachäus klein, schmächtig und irgendwie gibt er mit seinem Körper eine Antwort und klettert auf einen Baum, versucht, Jesus zu sehen, spürt Verzweiflung, Mut und Sehnsucht. Da oben.
Gefragt sind Menschen alle und Antwort müssen sie geben. Geben sie, indem sie leben, geben Antwort auf das Wohin gehst Du? Gott stellt die Frage, und jener Grundfragen kann sich keiner entziehen, selbst der Tod, der Stillstand wäre noch Antwort, Antwort auf Gottes Frage: Wer bist du Mensch vor mir, wohin gehst du, wie lebst du das Leben, das du vor mir hast?

Du gesagt
Petrus Antwort beginnt mit keinem Ich, sie beginnt mit einem Du; Menschen geben Antwort, indem sie nicht von sich reden, sondern von ihm. Sie sprechen sein Du an, benennen - und finden in diesem Du sich selbst. Menschen geben und sind Antwort auf die von Gott gestellte Fragen nach sich, indem sie selbst Antwort von Gott bekommen; indem sie Du sagen zu ihm, so wie Petrus sagt: Du hast Wort des ewigen Lebens, Du bist der Heilige Gottes, und dieses Du wird zur Antwort Gottes für Menschen: Du, Mensch, bist der, dem ewigen Worte gelten. Du, Mensch, bist der, der sich der Heilige Gottes zuwendet. Wir sprechen und es wird zur Sprache für uns, zum Zusprechen, dass wir welche sind, die unser Leben vor Gott haben und leben, immer schon Antwort sind.
Zachäus sitzt nicht auf dem Baum, damit er Jesus sieht, das auch. Zachäus sitzt dort oben, dass Jesus ihn sieht und zu ihm kommt. Glaube ist unsere Tat, unser Machen, unsere Lebensäußerung, unsere Antwort, so oder so. Das alles. Das alles auch. Glaube ist aber zuerst der Moment der Einkehr Gottes im Leben des Menschen. Jesus bittet Zachäus herunter vom Baum und kehrt in seinem Haus, in seinem Leben ein. Glaube ist wie Gott selbst in unserem Leben zu leben beginnt und wie wir dann dies Leben leben und Gott antworten.
Brodowskys letzter Satz an die, die nachkommen, ist Trost, ist: „Du bist nicht allein“. Es ist Gottes erster Satz, den er jedem und jeder als Vorsatz vors Leben, das zu leben ist, schreibt und schenkt. "Du bist nicht allein." Immer schon. Immer schon bist du von mir geliebt. Amen.

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